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Beiträge zur Sozialen Phantasie

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der Revolutionsphraseologie Negris als von der objektiven Logik seiner Gedanken leiten.<br />

Stellt man nämlich in Rechnung, daß das vorgeblich revolutionäre Subjekt, der<br />

"gesellschaftliche Arbeiter" nur die Subjektform der kapitalistischen Realabstraktion ist, so<br />

erhellt, daß proletarische Selbstverwertung tatsächlich das meint, was es wortwörtlich<br />

bedeutet: daß die Arbeiter sich fortan ohne die Peitsche des Kapitalisten selbst verwursten<br />

sollen.<br />

Das meint Negri vielleicht nicht, aber er sagt es. Freilich kann er sich damit nicht zufrieden<br />

geben. Im weiteren Verlauf seiner Gedankenentwicklung führt er einen radikalen Bruch ein.<br />

Nachdem er die revolutionäre Norm durch den Rückgriff auf die abstrakte Arbeit ontologisch<br />

fundiert hat, stößt er nun die Leiter, über die er <strong>zur</strong> revolutionären Norm aufgestiegen ist, von<br />

sich und setzt die Norm als das Prinzip seiner weiteren Überlegungen. Von nun an ist es die<br />

kapitalistischen Norm, wenn man so will das Wertgesetz, das versucht, die revolutionäre<br />

Norm umzuwälzen, zu zerschlagen. Das klassische quit pro quo der Philosophie also. Das<br />

Abgeleitete wird als Ableitungsgrund gesetzt; das Ende verkehrt sich in den Anfang und setzt<br />

das Resultat, aus dem es doch hervorging. Die revolutionäre Klasse, zunächst aus der<br />

kapitalistischen Subsumtionsbewegung abgeleitet, ist immer schon da und das Kapital<br />

versucht nun per Kommando, sich die gesellschaftliche Produktivität der Arbeiter anzueignen:<br />

"Das Kapital bildet seine Normativität durch den Raub an der proletarischen<br />

Vergesellschaftung der Arbeit." (MT 138) Auf einmal ist es nicht mehr das Kapital, das die<br />

Arbeit vergesellschaftet, sondern das Proletariat. Im Gegenzug verflüchtigt sich das Kapital<br />

<strong>zur</strong> außergesellschaftlichen Instanz, das sich wie eine Räuberbande den gesellschaftlichen<br />

Reichtum aneignet. Die leninistische Herkunft dieser Theorie scheint überall durch. Das<br />

Kapital wird auf Parasitentum, Raub, Kommando, Gewalt reduziert. Das alles ist es zwar<br />

auch, aber eben nicht nur. Damit die Peitsche wirkt, muß die andere Hand das Zuckerbrot<br />

bereithalten. wer das nicht sehen will, wird stets aufs Zuckerbrot hereinfallen, das sich <strong>zur</strong><br />

Zeit als "garantiertes Mindesteinkommen" auch bei manchen Autonomen großer Beliebtheit<br />

erfreut. Dahinter steckt die alte Freiraumideologie aus der Zeit der Häuserbesetzungen: wenn<br />

ich nur mein Auskommen habe, kann mir der Rest gestohlen bleiben. Klammer zu.<br />

Negri kann die ontologische Würde des revolutionären Proletariats also nur durch einen<br />

uralten philosophischen Trick erschleichen. Soweit <strong>zur</strong> Theorie des gesellschaftlichen<br />

Arbeiter. Was bedeutete sie für Negris Praxis? Über seine Erfahrungen aus den Kämpfen der<br />

70er Jahre sagt er: "Eine Sache, die für mich persönlich außerordentlich wichtig war, war die<br />

Tatsache, immer in erster Person die Synthese bestätigen zu können." (Toni Negri: Dall'<br />

Operaio Massa all' Operaio Sociale. Intervista sull' Operaismo, Mailand, 1979, Multhipla<br />

Edizioni, S.135) Ein Stück weiter kann man über die Möglichkeit, die gegensätzlichen<br />

unmittelbaren Bedürfnisse zum revolutionärer zu<br />

vermitte - In, lesen: "Man muß einfach den Mut haben, diese Widersprüche zu leben." (ebd.<br />

144) Und aus der deutschen Zeitschrift Autonomie Nr.5 (1977) echot es im Munde Detlev<br />

Hartmanns und Karl-Heinz Roths: "Die neuen projektbezogenen Wohngemeinschaften sind<br />

erste tastende Entwürfe <strong>zur</strong> sozialen Reproduktion jenseits von der Kleinfamilie. Die<br />

Resurrektion der sozialen Individualität muß strategisch antizipiert werden, als Moment des<br />

Alltagslebens hier und heute." (S.38) Das klingt heute so lächerlich, wie es damals schon war<br />

und gibt die Autonomen als das zu erkennen, was sie sind: der extrem linke Flügel der grünen<br />

Mittelstandsbewegung - mit dem Unterschied, daß sie ihre Freiräume nicht durch großzügige

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