Beiträge zur Sozialen Phantasie
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Nr.1, Februar 1964, S.20) Obwohl Tronti die traditionell marxistische Auffassung, die Partei<br />
sei das Subjekt der revolutionären Strategie, ablehnt -, obwohl er behauptet, die unmittelbaren<br />
Arbeiterkämpfe in der Fabrik seien das strategische Moment -und die Partei habe nur<br />
taktische Aufgaben in der direkten Konfrontation mit dem kapitalistischen Kommando -,<br />
obwohl er also die revolutionäre Substanz in die Arbeiterklasse legt, behält die Partei<br />
letztendlich doch die Oberhand. Sie überprüft, was der Arbeitertheoretiker ontologisch gesetzt<br />
hat. Da für Tronti die Existenz von revolutionärer Subjektivität nicht historischempirisch<br />
gegeben ist oder auch nicht, sondern vor aller Erfahrung in der ontologischen Natur der<br />
Arbeiterklasse wurzelt, darf die Überprüfungsinstanz der Arbeitererfahrungen auch nicht aus<br />
der proletarischen Spontaneität selbst hervorwachsen, sondern muß ebenso ontologisch<br />
vorausgesetzt werden. Im Gegensatz zu manch einem seiner Epigonen weiß Tronti allerdings,<br />
daß er die ontologischen Qualitäten der Arbeiterklasse nur voraussetzen kann (siehe AK,<br />
S.203) Das ist zumindest ehrlich wenn auch nicht erfreulich.<br />
Bleibt zu sehen, wie Tronti die revolutionäre Subjektivität ontologisch fundiert. Da<br />
revolutionäre Subjektivität der absolute Antagonismus zum Kapital ist, fragt Tronti in der<br />
Absicht diesen Antagonismus zu begründen: *was steht dem Kapital entgegen?*<br />
Die Antwort findet er in den "Grundrissen" vor Marx. Damit beginnt die autonome Lektüre<br />
der Marxschen GR, wie sie noch Hartmann in "Leben als Sabotage" vertritt - mit dem<br />
Unterschied, daß Hartmann die Trontische Lektüre lebensphilosophisch ausdünnt. Das wird<br />
noch zu zeigen sein. Zunächst aber Tronti. Er entdeckt den Antagonismus zum Kapital in der<br />
Arbeit. Die Arbeit ist das Nicht-Kapital. Einerseits ist die Arbeit als Gegenstand die absolute<br />
Armut. Andererseits aber ist sie auch die allgemeine Möglichkeit des Reichtums - aber Marx<br />
präzisiert: Reichtum in der Form des Werts, Reichtum als Kapital. Bei Marx ist die Sache also<br />
klar: wohl ist die Arbeit das Nicht-Kapital, aber eben nur als Moment im Bewegungsprozeß<br />
des Kapitals. Arbeit ist nichts, was über das Kapital hinausweist, sondern Quelle des Werts,<br />
Wert in flüssiger Form. Tronti jedoch interpretiert diesen internen Bewegungswiderspruch des<br />
Kapitals als substanzielles Klassenverhältnis: "Die Substanz des Verhältnisses ist von Anfang<br />
an gegeben durch den antithetischen Gegensatz zwischen Arbeit in Potenz und Kapital an<br />
sich, zwischen den einfachen Gestalten der Arbeit und des Kapitals, des Arbeiter und des<br />
Kapitalisten." (AK 183) Anders gesagt: Arbeiter und Kapitalist sind nur die Charaktermasken<br />
der ökonomischen Formbestimmungen Arbeit und Kapital. Aber als solche Charaktermaske<br />
ist der Arbeiter eben Arbeiter und nicht Proletarier, nicht ein Arbeiter also, der gegen seine<br />
Existenz als Arbeiter ankämpft. Als Arbeiter kämpft der Arbeiter zwar auch gegens Kapital -<br />
nicht jedoch um es abzuschaffen, sondern um sich als Arbeiter zu reproduzieren. Es ist dies<br />
das kapitalimmanente Tauziehen um einen möglichst großen Anteil am Wertprodukt, kurz:<br />
Lohnkampf. Wie sich gleich zeigen wird, reduziert Tronti die Revolution tatsächlich auf<br />
diesen Lohnkampf. Zunächst aber noch einige Anmerkungen zum Begriff Arbeit, wie er von<br />
Marx in den von Tronti angeführten GR verwendet wird. Wenn Marx sagt, Arbeit sei Wert in<br />
flüssiger Form, dann meint er mit Arbeit also das, was er später im Kapital als abstrakte<br />
Arbeit bezeichnet. Und was das sein soll - abstrakte Arbeit - ist an sich ganz unbegreiflich.<br />
Man hat dieser, Begriff so oft wiedergekäut, daß er gar keine Verwunderung mehr auslöst.<br />
Abstrakte Arbeit, das zergeht dem Marxologen wie die geweihte Hostie auf der Zunge. Es ist