Beiträge zur Sozialen Phantasie
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Bei der Lektüre auch von theoretischen Klassenkampfschriften muß man also mit einiger<br />
Vorsicht zu Werke gehen und aufpassen, daß der eigene Leidensdruck in einer ganz und gar<br />
nicht revolutionären Situation und der Wunsch, es möge endlich losgehen, nicht dazu<br />
verführt, sich von der unglaublichen Siegesgewißheit solcher Texte mitreißen zu lassen. Das<br />
Resultat wäre einzig Blindheit gegenüber der aktuell trostlosen Lage und also das Gegenteil<br />
dessen, was diese Texte beabsichtigen.<br />
Vor allem wenn man Texte des frühen Tronti liest, muß man das im Hinterkopf haben. In die<br />
dunkelsten Formulierungen geht gerade jene Freude ein, die nach acht Jahren Betriebsfrieden<br />
beim Ausbruch des ersten großen Streiks bei Fiat 1962 in den Redaktionsstuben der QR<br />
geherrscht haben muß. Die Vermutung war also nicht falsch; bei der Fiat tut sich was. Sie<br />
hatten gegen ihre Genossen recht behalten. Die Straßenkämpfe 1962 Piazza Statuto in Turin<br />
haben wahrscheinlich die Auseinandersetzungen innerhalb der QR um die weitere Praxis<br />
verschärft. Jedenfalls verläßt die politischinterventionistische Gruppe um Tronti und Alquati<br />
1963 die QR und gründet die Zeitschrift "Classe Operaia. Politische Monatszeitschrift der<br />
kämpfenden Arbeiter". CO war keine festgefügte politische Organisation wie später "Lotta<br />
Continua" und "Potere Operaia", sondern eine Zeitschrift, um die sich lokal arbeitende<br />
Gruppen versammelten. Mit CO beginnt die Geschichte der Autonomia.<br />
IV. Der operaistische Neoleninismus: Tronti<br />
Ihr Gründungsmanifest erschien in der ersten Nummer von CO; es ist Trontis<br />
programmatischer Artikel "Lenin in England", der leider nicht in die deutsche Ausgabe seines<br />
Buchs "Arbeiter und Kapital" aufgenommen wurde.<br />
"Lenin in England" ist eine Polemik gegen den PCI und eine Skizze der neuen<br />
Arbeiterwissenschaft, die vorgibt den traditionellen Marxismus umzuwälzen und die<br />
leninistische Strategie wieder vom Kopf auf die Füße zu stellen. Der traditionelle Marxismus<br />
à la PSI und PCI setzte seinen ganzen Stolz darein, wissenschaftlich-objektiv die Gesetze der<br />
kapitalistischen Entwicklung zu kennen und davon ausgehend die Strategie der Revolution<br />
auszuarbeiten. Kapitaltheorie ist für ihn Revolutionstheorie Der wissenschaftliche<br />
Sozialismus, so das Märchen, habe endlich realisiert, was die katholische Kirche immer von<br />
sich behauptete: er sei der Weisheit letzter Schluß, die Partei die <strong>zur</strong> "Organisation gewordene<br />
Idee" und daher das Depositarium der revolutionären Wahrheit.<br />
Gegen diesen metaphysischen Objektivismus polemisierte schon Panzieri und Tronti nimmt<br />
diese Polemik implizit wieder auf. Nicht irgendwelche objektiven Gesetze sondern die<br />
revolutionäre Subjektivität ist der Totengräber der alten Gesellschaft. Während aber Panzieri<br />
es bei dieser simplen Feststellung beließ und alles weitere der praktischen Bewegung<br />
überließ, versuchte Tronti, die revolutionäre Subjektivität der Arbeiterklasse ontologisch zu<br />
fundieren. Der "zerstörerische Wille" der Arbeiterklasse, schreibt er, sei bereits mit ihrer