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Beiträge zur Sozialen Phantasie

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wie er ist, "wenn ihn das Elend <strong>zur</strong> Verzweiflung getrieben hat, sie spiegelt ihm seine eigene<br />

Resignation, seine Passivität, seinen Verzicht wider." (J.-P.Sartre: Krieg im Frieden 1, S.168)<br />

Subjekt und Objekt sind im soziologischen Untersuchungsprozeß fein säuberlich getrennt.<br />

Aktiv tätig und also Subjekt ist der Soziologe; passiv erleidend und also Objekt ist der<br />

Arbeiter. So wiederholt sich in dieser Sorte von Arbeiteruntersuchung das Subjekt/Objekt-<br />

Verhältnis der leninistischen Parteikonzeption: von außen drängt die Partei der Arbeitermasse<br />

sozialistisches Klassenbewußtsein auf; das ParteiSubjekt bearbeitet das Arbeiterobjekt.<br />

Deshalb erfreut sich die Industriesoziologie bei den historischen Arbeiterorganisationen auch<br />

großer Beliebtheit. Panzieri konnte sich von dieser Anschauung nie ganz freimachen. Die<br />

Aporie Partei/Bewegung wiederholt sich in seinem Schwanken zwischen der soziologischen<br />

und der interventionistischen Interpretation der Arbeiteruntersuchung.<br />

Die politisch-interventionistische Strömung der QR verstand die Arbeiteruntersuchung als<br />

Mittel <strong>zur</strong> Organisation des Arbeiterkampfs. Untersuchung der Arbeiter also als subjektiver<br />

und objektiver Genetiv. Die Arbeiter sollten gleichzeitig Subjekt und Objekt der<br />

Untersuchung sein und den Untersuchungsprozeß als Organisationsprozeß praktizieren. Das<br />

war zumindest das Ziel. So hoffte man ausgehend vom informellen Klassenkampf, der<br />

Sabotage an den Bändern, schließlich eine neue Arbeiterpartei als Funktion der sich selbst<br />

konstituierenden Arbeiterautonomie aufzubauen. Die Realität sah freilich anders aus.<br />

Arbeiteruntersuchung war damals eher ein Synonym für Revolution, etwas was es erst noch<br />

zu erreichen galt. Und Arbeiteruntersuchung war v.a. auch ein politischer Kampfbegriff, der<br />

sich gegen die historischen Arbeiterorganisationen richtete. Ich folge hier der Darstellung<br />

Romano Alquatis, der später mit Tronti und einigen anderen die QR verließ, um "Classe<br />

Operaia" zu gründen, und der in der Einleitung eines Bandes, der seine wichtigster, Schriften<br />

aus den QR und CO versammelt, einiges über die heute schwer rekonstruierbaren internen<br />

Diskussionsprozesse schreibt. (R.Alquati: Sulla Fiat e altri Scritti, Milano, Feltrinelli, 1975)<br />

Die damals diskutierte Vorstellung über das Verhältnis von Arbeiterbewegung und Partei<br />

bezeichnet Alquati als neoleninistisch, durchsetzt mit luxemburgischen Elementen: die<br />

Arbeitermassen organisieren sich im Produktionsprozeß <strong>zur</strong> "permanenten Autonomie";<br />

daraus gehen die Massenavantgarden der Arbeiterautonomie hervor, die organischen<br />

Arbeiterführer wenn man so will. Diese hätten sich <strong>zur</strong> politischen Organisation der<br />

Avantgarden, der Partei, zu organisieren. Davon konnte aber noch keine Rede sein. Was es<br />

gab, waren "Keime einer politischen Avantgard", die zum Teil in den Metallgewerkschaften<br />

organisiert waren und Bewegung in sie brachten - was zeitweise zu Konflikten zwischen den<br />

Metallgewerkschaften und ihren jeweiligen Dachorganisationen führte. Über Kontakte in den<br />

Gewerkschaften nahmen die QR Verbindung zu diesen Keimen einer politischen Avantgard<br />

auf und führten mit ihnen zusammen Untersuchungen über die Arbeitsverhältnisse durch, in<br />

der Absicht erfolgversprechende Ansätze für Fabrikkämpfe zu entwickeln und darüber den<br />

Organisationsprozeß voranzutreiben. Es gab keine autonome Arbeiteruntersuchung, sondern<br />

ein widersprüchliches Verhältnis von informeller, spontaner Arbeiterautonomie an den<br />

Bändern und einigen Intellektuellen, die versuchten, diesen Prozeß im Hinblick auf eine neue<br />

politische Organisation zu unterstützen. Festgehalten werden muß dabei v.a., daß die<br />

Voraussetzung dieser Arbeit einerseits die spontane Existenz von Arbeiterwiderstand und<br />

andererseits ein strategischer Riß zwischen Arbeiterbasis und historischen<br />

Arbeiterorganisationen war. Es ist weiterhin wichtig, diesen Arbeiterwiderstand nicht<br />

einerspekulativen Massenarbeitersubstanz zuzuschreiben. Subjekt dieser' Kämpfe waren die,<br />

jungen, aus dem Süden eingewanderten Arbeiter, die sich plötzlich mit einem Zeitrhythmus<br />

konfrontiert sahen, der völlig anders war als in den Dörfern aus denen sie kamen. Aus der<br />

Konfrontation zweier verschiedener Zeitrhythmen erklärt sich der Widerstand gegen die

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