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Beiträge zur Sozialen Phantasie

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Es wäre nun aber voreilig, wollte man dieser, Verlust des Vertrauens in die Gewerkschaften<br />

<strong>zur</strong> unmittelbaren Ursache der Kämpfe machen, die sich in den 60er Jahre entwickelten, um<br />

dann im "heißen Herbst" ‘67 ihren Höhepunkt zu erreichen. Denn das Subjekt dieser Kämpfe<br />

waren eben nicht diese alten Kader, sondern eine Arbeiterklasse, die sich im wesentlichen aus<br />

dem in die nördlichen Industriezentren eingewanderten Landproletariat zusammensetzte. Die<br />

Agrarkrise im Mezzogiorno und auf den Inseln trieb sie auf Arbeitsplatzsuche und diese<br />

fanden sie nicht nur in der Schweiz und der BRD, sondern eben auch in der rasch<br />

expandierenden Industrieproduktion in Turin, Mailand und Genua. Als sie dort ankamen,<br />

konnte von betrieblicher Gewerkschaftsarbeit schon keine Rede mehr sein. Deshalb und nicht<br />

aufgrund irgendeiner metaphysischen Substanz des "Massenarbeiters" hatte sie zunächst mit<br />

den Gewerkschaften nichts am Hut - wobei des weiteren zwischen CGIL und CISL<br />

(katholische Gewerkschaft) einerseits und deren respektiven Metallgewerkschaften FIOM und<br />

FIM andererseits zu unterscheiden ist. Letztere hatten mit der Betriebsrealität über ihre<br />

Mitglieder, die sich meistens in den Vertrauensleutekörper wählen 'ließen, noch Kontakt und<br />

griffen daher als erste die neuen Forderungen der Arbeiter auf: nicht mehr um<br />

Lohnerhöhungen ging es nun, sondern um die Arbeitsbedingungen und die<br />

Arbeitsorganisation in der Fabrik. Es entwickelte sich nun ein äußerst konfliktreiches<br />

Verhältnis zwischen der Arbeiterbasis, den Metallgewerkschaften FIOM und FIM und den<br />

gewerkschaftlichen Dachorganisationen CGIL und CISL. Das Verhalten der Arbeiter war<br />

dabei nicht durch das bestimmt, was ihnen die Prinzipienreiterei der autonomen Gruppen<br />

Potere Operaio u.a. später als deren eigentliches Massenarbeiterwesen unterjubelte, nämlich<br />

eben diese Prinzipienreiterei, sondern durch die Opportunität der konkreten Kampfsituation -<br />

was etwas anderes als Opportunismus ist.<br />

Der gegen Erde der 50er Jahre momentan aufbrechende Gegensatz zwischen Arbeitern und<br />

Gewerkschaften war die Bedingung der Möglichkeit für Panzieris Intervention. Gegen die<br />

bürgerlichen Mystifikationen des PSI schrieb er zunächst in, später außerhalb des PSI an.<br />

Zunächst im PSI, weil er der Auffassung war, in dieser Partei seien die besten Traditionen der<br />

marxistischen und leninistischen Arbeiterbewegung, die Räte, die Sowjets von 1917, gut<br />

aufgehoben. In seinen Polemiken berief er sich wiederholt auf die "echten" marxistischen und<br />

leninistischen Auffassungen von der "Kommune", der These vom "Absterben des Staates",<br />

etc. -kurz: auf eine linke Lektüre von Lenins "Staat und Revolution". Mit Lenin gegen Stalin<br />

und Bernstein - so könnte man das begriffliche Handwerkszeug Panzieris auf eine allzu<br />

griffige Formel bringen. Denn schlecht nur paßt der begeisterte Taylorismus-Anhänger Lenin<br />

mit der Kritik der Fabrikorganisation zusammen, die sich bereits jetzt in Panzieris Schriften<br />

ankündigt. Was Lenin für Panzieri brauchbar machte, war dessen These, das Proletariat müsse<br />

den bürgerlichen Staat zerschlagen und sich eigene Institutionen, die seiner Natur<br />

entsprechen, aufbauen.<br />

Und nichts anderes bedeutet bei Panzieri zunächst einmal "Autonomie". Die bürgerlichen<br />

Verkehrsformen, so Panzieri, sind nicht neutral. Zwischen ihnen und einer sozialistischen<br />

Gesellschaft gibt es keinerlei fließende Übergänge. Das Proletariat muß vielmehr in seinem<br />

Kampf gegen die kapitalistische Ausbeutung die bürgerliche Verdopplung in Ökonomie<br />

(Gewerkschaften) und Politik (Parteien) tendenziell aufheben und sich dabei Institutionen<br />

schaffen, die den Zwecken der Arbeiterkontrolle entsprechen. Die Grundlage dieser Tätigkeit

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