Beiträge zur Sozialen Phantasie

Beiträge zur Sozialen Phantasie Beiträge zur Sozialen Phantasie

23.12.2012 Aufrufe

Wir setzten damals dagegen, daß politische Arbeit in revolutionärer Absicht sinnlos ist, wenn sie nicht das Wissen um die Entfaltung kapitalistischer Herrschaftsstrukturen und die Entwicklung der oppositionellen Bewegung in sich aufgenommen hat. Wir schrieben damals in einem Thesenpapier: "Die kapitalistische Gesellschaft kann nicht begriffen, geschweige denn zerschlagen werden, ist nicht die Bewegung bekannt, die zum augenblicklichen Verhängnis geführt hat. Fehlt dieses Wissen, ist jeder Aktionismus, so gut er auch gemeint sein mag, nicht mehr als blindes Herumstochern im Nebel!' Wir wollten also nicht im leeren Subjektivismus stecken bleiben, der sich in irgendwelchen Aktionen nur der eigenen revolutionären Gesinnung versichert, sondern untersuchen, wie dieser Subjektivismus überwunden werden kann. Entgegen anderslautenden Gerüchten wollten wir diese Überwindung des Subjektivismus nicht über die Gründung irgendwelcher leninistischen Parteien oder anderer merkwürdiger Organisationen bewerkstelligen -auch wenn es dazu durchaus unterschiedliche Ansichten in der Gruppe gibt. In dem schon zitierten Thesenpapier schrieben wir: "Beim augenblicklichen Stand der Klassenkämpfe in der BRD wäre es idiotisch, die Gruppe als Massenorganisation zu konzipieren, d. h. ihren Handlungsansatz als gesellschaftlich verallgemeinerbaren zu projektieren. Vielmehr kann und soll die Gruppe im Augenblick nicht mehr sein als ein Zirkel, dessen Allgemeinheitsanspruch nur im Negativen besteht: Im kompromißlosen Haß gegenüber den bestehenden sozialen Zuständen." Der erste Schritt nun zur Überwindung dessen, was wir eben den Subjektivismus der Autonomen Studis genannt haben, stellte für uns die Auseinandersetzung mit der Bewegung der Autonomen in der BRD dar. Das' erschien uns deswegen naheliegend, weil sowohl die alten Autonomen Studis als auch einzelne von uns sich über Jahre hinweg der Autonomen Bewegung zugehörig fühlten - was bei der Diffusität dieser Bewegung allerdings auch nicht sonderlich schwierig ist. Mensch kann die autonome Bewegung grob durch ein Viereck beschreiben, innerhalb dessen sich zumindest ein Teil von uns lange definiert hat: Den einzelnen Eckpfeilern dieses Grundwertesystems könnte mensch die Adjektive "unorthodox", "undogmatisch", "außerparlamentarisch" und "diffus linksradikal" verleihen: das alles im Gewande autonomer Lederjacken-Authentizität. Diese Kritik der Autonomen schloß dementsprechend - zumindest für einen Teil von uns - die Kritik an unserer eigenen Vergangenheit und politischer Sozialisation mit ein - oder wie es so schön heißt: Die größten Kritiker der Elche waren früher selber welche. Daß andere Gruppenmitglieder aus anderen Zusammenhängen kommen hat uns den Diskussionsprozeß eher erleichtert als erschwert: Gerade die daraus entstandenen Auseinandersetzungen haben uns gezwungen, unsere Thesen schärfer und präziser zu fassen. Von einer Homogenität der politischen Ansichten

sind wir also - Marx sei Dank - auch nach dieser Aufarbeitung noch weit entfernt. Natürlich ist unsere Kritik auch als autobiographische Bestandsaufnahme und Bruch mit liebgewordenen Vorstellungen und Weltbildern zu sehen. Erste Reaktionen auf unseren Reader waren entsprechend nicht inhaltlich, sondern bezogen sich lediglich auf diesen biographischen Anlaß. Wir bekamen beispielsweise zu hören: "Wenn ihr euch schon eine andere Identität zulegen müßt, dann belästigt wenigstens nicht auch noch uns damit; ihr wollt doch nur den Rest der Bewegung kaputtmachen!' Damit wird unserer Kritik ihre politische Berechtigung abgesprochen und alles auf eine persönliche Geschmacksfrage reduziert. Das sehen wir anders. Die objektive politische Gültigkeit unserer Kritik kann nicht dadurch beiseite geschoben werden, indem auf ihrem subjektiven Anlaß herumgeritten wird. Wir meinen durchaus, berechtigte politische Kritik zu äußern, über die wir auch eine entsprechende Auseinandersetzung erwarten können. Von anderen bekommen wir vorgehalten, wir wären Renegaten. Als vermeintliche Kritik wird zumindest einem Teil von uns vorgeworfen: "Aber ihr habt doch früher selbst... ". Darauf können wir nur sagen: Diesen Springerstiefel ziehen wir uns gerne an. Wir jedenfalls wissen, worüber wir reden - zumindest ein Teil von uns... Aber um zu unserer Autonomen-Kritik zurückzukommen: Uns war dabei klar, daß unsere Kritik nicht so abstrakt bleiben durfte, wie es die meisten autonomen Selbstkritiken sind: Nicht die Kritik der Bewegung, gemessen an einem irgendwie aus den Wolken kommenden Anspruch an die Bewegung sollte unser Ziel sein. Derartige Kritik, das war uns zur Genüge bekannt, führt zu nichts anderem als zu moralischen Appellen, wie denn die einzelne RevolutionärIn sich in der Bewegung und gegenüber den Schweinen zu verhalten habe, bleibt also weiterhin dem Subjektivismus der Bewegung verhaftet. Vielmehr wollten wir die Bewegung begreifen als einen Teil der gesellschaftlichen Verhältnisse selbst, gegen die sie sich wendet. Wir wollten mit unserer Kritik also einen Beitrag zur Selbstaufklärung der Bewegung über sich leisten. Inwieweit uns dies gelungen ist, wird die Diskussion zeigen. Einleitung Es ist etwas schwierig, unsere Kritik, die wir an der real existierenden Autonomen Bewegung haben, in einem kurzen Referat zusammenzufassen. Wer unsere Textsammlung gelesen hat, wird festgestellt haben, daß die Texte nur sehr schwer miteinander diskutiert werden können. Die Kritik, wie wir sie an der Autonomie (Neue Folge) geübt haben, hat zum Beispiel wenig zu tun mit der Kritik autonomer Bündnispolitik. Wir hatten ungemeine Schwierigkeiten, autonome Theorie und autonome Praxis so zu kritisieren, daß es sich um ein und dieselbe Kritik handelt, daß die Fehler der Theorie auf die der Praxis verweisen und umgekehrt. Diese Schwierigkeiten, die autonome Bewegung in ihrer Einheit von Theorie und Praxis zu kritisieren, haben allerdings ihren Grund nicht nur in unserer subjektiven Unfähigkeit.

Wir setzten damals dagegen, daß politische Arbeit in revolutionärer Absicht sinnlos<br />

ist, wenn sie nicht das Wissen um die Entfaltung kapitalistischer<br />

Herrschaftsstrukturen und die Entwicklung der oppositionellen Bewegung in sich<br />

aufgenommen hat. Wir schrieben damals in einem Thesenpapier: "Die kapitalistische<br />

Gesellschaft kann nicht begriffen, geschweige denn zerschlagen werden, ist nicht die<br />

Bewegung bekannt, die zum augenblicklichen Verhängnis geführt hat. Fehlt dieses<br />

Wissen, ist jeder Aktionismus, so gut er auch gemeint sein mag, nicht mehr als<br />

blindes Herumstochern im Nebel!'<br />

Wir wollten also nicht im leeren Subjektivismus stecken bleiben, der sich in<br />

irgendwelchen Aktionen nur der eigenen revolutionären Gesinnung versichert,<br />

sondern untersuchen, wie dieser Subjektivismus überwunden werden kann.<br />

Entgegen anderslautenden Gerüchten wollten wir diese Überwindung des<br />

Subjektivismus nicht über die Gründung irgendwelcher leninistischen Parteien oder<br />

anderer merkwürdiger Organisationen bewerkstelligen -auch wenn es dazu durchaus<br />

unterschiedliche Ansichten in der Gruppe gibt. In dem schon zitierten Thesenpapier<br />

schrieben wir: "Beim augenblicklichen Stand der Klassenkämpfe in der BRD wäre es<br />

idiotisch, die Gruppe als Massenorganisation zu konzipieren, d. h. ihren<br />

Handlungsansatz als gesellschaftlich verallgemeinerbaren zu projektieren. Vielmehr<br />

kann und soll die Gruppe im Augenblick nicht mehr sein als ein Zirkel, dessen<br />

Allgemeinheitsanspruch nur im Negativen besteht: Im kompromißlosen Haß<br />

gegenüber den bestehenden sozialen Zuständen."<br />

Der erste Schritt nun <strong>zur</strong> Überwindung dessen, was wir eben den Subjektivismus der<br />

Autonomen Studis genannt haben, stellte für uns die Auseinandersetzung mit der<br />

Bewegung der Autonomen in der BRD dar. Das' erschien uns deswegen<br />

naheliegend, weil sowohl die alten Autonomen Studis als auch einzelne von uns sich<br />

über Jahre hinweg der Autonomen Bewegung zugehörig fühlten - was bei der<br />

Diffusität dieser Bewegung allerdings auch nicht sonderlich schwierig ist. Mensch<br />

kann die autonome Bewegung grob durch ein Viereck beschreiben, innerhalb dessen<br />

sich zumindest ein Teil von uns lange definiert hat: Den einzelnen Eckpfeilern dieses<br />

Grundwertesystems könnte mensch die Adjektive "unorthodox", "undogmatisch",<br />

"außerparlamentarisch" und "diffus linksradikal" verleihen: das alles im Gewande<br />

autonomer Lederjacken-Authentizität.<br />

Diese Kritik der Autonomen schloß dementsprechend - zumindest für einen Teil von<br />

uns - die Kritik an unserer eigenen Vergangenheit und politischer Sozialisation mit<br />

ein - oder wie es so schön heißt: Die größten Kritiker der Elche waren früher selber<br />

welche. Daß andere Gruppenmitglieder aus anderen Zusammenhängen kommen hat<br />

uns den Diskussionsprozeß eher erleichtert als erschwert: Gerade die daraus<br />

entstandenen Auseinandersetzungen haben uns gezwungen, unsere Thesen<br />

schärfer und präziser zu fassen. Von einer Homogenität der politischen Ansichten

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