Beiträge zur Sozialen Phantasie
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- Die Frage drängt sich auf, inwieweit diese Kämpfe ein "progressives" Element enthalten,<br />
oder ob sie sich "nur" auf gewerkschaftlichem Niveau abspielen. Bei 1000 % Inflationsrate in<br />
Brasilien "lohnt" es sich einfach nicht mehr, zu arbeiten. Zu fragen bleibt, ob sich in dieser<br />
Unzufriedenheit wirklich ein qualitativer Sprung abzeichnet, der <strong>zur</strong> Aufhebung der Misere<br />
führt, oder ob dies die neueste Variation der unsäglichen Verelendungstheorie darstellt. Diese<br />
Frage läßt sich aber nicht durch das bloße Aufzählen der verschiedenen Konflikte klären, so<br />
interessant dies im einzelnen auch sein mag.<br />
- Es hat sich in der Sozialgeschichte des 19. Jahrhunderts gezeigt, daß Sozialrevolten und<br />
spontane Riots unter anderem auch an dem Punkt gescheitert sind, der nun von autonomer<br />
Seite als deren Qualität interpretiert wird: die informelle Vermittlung und das Fehlen eines<br />
organisatorischen Zusammenhangs. Die unorganisierten Aufstände gegen die große<br />
Maschinerie führten oft zu mehr oder weniger großen Gemetzeln, auf die Militär und Polizei<br />
meistens schon längst vorbereitet waren.<br />
- Das Individuum wird bei dieser Art von Geschichtsschreibung oft genug zum Objekt<br />
degradiert, d.h., es bleibt kalkulierbarer Faktor im System, da es nur als das gesehen wird, was<br />
das System aus ihm gemacht hat: das verelendete Opfer.<br />
- der Versuch, die Klasse aus den Subsistenzkämpfen abzuleiten, stößt zudem auf die<br />
Schwierigkeit, einen einheitlichen Begriff zu entwickeln. Zwar ist das Festhalten an der<br />
pseudo-marxistsischen Homogenitätstheorie irrational. Auf der anderen Seite stellt sich das<br />
Problem der uferlosen Zersplitterung der Kämpfenden in den verschiedenen Kulturen mit<br />
sämtlichen geographischen und ethnischen Differenzen und Besonderheiten, die sich nur noch<br />
abstrakt miteinander verbinden lassen. Oder, anders gesagt, was hat der brasialianische "boa<br />
fria" mit dem sudanesischen Wanderarbeiter gemeinsam, was die Xiugui Indianer im Nord-<br />
Osten Brasiliens mit Fließbandarbeiterinnen in Taiwan?<br />
5. Zudem stellt sich das Problem, gerade am Beispiel Brasiliens, ob das Kapital wirklich<br />
ausschließlich von der Klasse in die Krise gestürzt werden kann. Es gibt noch andre<br />
Schranken der Kapitalverwertung: die immanenten (Konkurrenz - Fall der Profitrate) und<br />
externe (Rohstoffverknappung, Ökologie). Zumindest im Norden von Brasilien wird mit so<br />
krassen Formen der ursprünglichen Akkumulation die Ausbeutung des Landes betrieben, daß<br />
sich deren katastrophale Auswirkungen sogar bis in die Metropolen rumgesprochen haben.<br />
6. Es wird in den "Materialien" in keiner Weise auf den Zusammenhang zwischen Metropole<br />
und Peripherie eingegangen. Wie sehr die enorme Abhängigkeit von den Metropolen bei den<br />
Kämpfen eine Rolle spielt, welche Verbindungen zu den Kämpfen hier gesehen wird, bleibt<br />
der Fantasie des Lesers überlassen. Es drängt sich daher leicht der Gedanke auf, daß die etwas<br />
triumphalistische Beschreibung der Klassenkämpfe in der Peripherie wieder einmal die<br />
finsteren Realitäten hier ersetzen müssen. Die Tatsache, daß eine revolutionäre Entwicklung