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Beiträge zur Sozialen Phantasie

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Da dem klassischen autonomen Milieu alle strikten Regeln, alle festen Normen - tendenziell<br />

auch jegliche Kontinuität, die damit unmittelbar korreliert - als lebensfeindlich und repressiv<br />

erscheinen, generiert es keine dauerhaften Institutionen, differenzieren sich keine langlebigen<br />

Systeme aus; allenfalls bestimmte Alltagstheorien, Alltagsnormen (d.h. Umgangsformen)<br />

gelten als typisch. Das zentrale Problem liegt in der geringen Formativität des Autonomen-<br />

Syndroms und der geringen Normativität der Autonomen-Normen und -Programme, wobei<br />

der Normen-Begriff hier eher verhaltensstrukturell als ethischmoralisch zu verstehen ist.<br />

Es läßt sich, um Wolf-Dieter Narr in einer polizeisoziologischen Expertise über das<br />

Phänomen der Spontibewegung der 70er Jahre zu folgen, unschwer ein "unpolitischer<br />

Autismus" bei extremen Autonomen diagnostizieren. "Autistisch ist, daß der Empfindlichkeit<br />

für eigene Leiden keine Empfindsamkeit für andere [z.B. Polizeibeamte], insbesondere keine<br />

soziale Handlungskompetenz entspricht. Gefährlich ist das autistische Unvermögen, sich zu<br />

verhalten, deswegen, weil Kriterien des Urteilens, Analysierens und des Verhaltens mangeln.<br />

Der innere Kompaß fehlt. Deshalb bleibt man passiv, verhält sich regressiv und ist, wird man<br />

mobilisiert, äußeren Einflüssen hilflos ausgeliefert. Die politische Reflexion, wenn sie<br />

überhaupt angestellt wird, bezieht sich auf Abstrakta, auf andere, auf Traumwelten." 1<br />

Es erscheint evident, daß die Autonomen das historische und existentielle Erbe der Spontis<br />

angetreten haben. Das so skizzierte Phänomen ist jedoch nur ein korrespondierendes zum<br />

Phänomen des herrschenden Autismus, nämlich der Borniertheit, Orientierungslosigkeit und<br />

Selbstgefälligkeit der etablierten westdeutschen Politik. Es bestünde unter Umständen für den<br />

wissenschaftlichen Betrachter die Possibilität, zwischen Aktiv-Autonomen und den passiven<br />

Angehörigen der "Scene" zu differenzieren, jedoch erschienen uns derart dichotome<br />

Klassifizierungen objektspezifisch nicht opportun: privater Rückzug und autonomer<br />

Aktivismus sind zwei Seiten der selben Medaille. Signifikant ist in jedem Falle ein<br />

Stimmungsexistenzialismus, der betont konsumtiv-rezeptiv gefärbt ist, ein Existenzialismus<br />

ohne Subjekt bei zeitgleichem Dogmatismus der Subjektivität 2 . Wesentlicher Faktor ist die<br />

Auflösung konventionaler sozialgestützter Normensysteme, die aus innerpsychischer<br />

Dynamik zu einer völlig irrationalen, entstrukturierten Hypertrophie des Ich-Ideals führt,<br />

einhergehend mit Labilität und spezifischer Unspezifik der objektivitätsentleerten<br />

Sympathiebetontheit autonomer Strukturen. 3<br />

In nuce konnten wir in einer empirischen Überprüfung unserer Thesen eine<br />

Korrelationskoeffizienten amalgamieren, der einen in der oralen Persönlichkeitsstruktur<br />

angelegten Unwillen zum systematischen Denken und analytischen Gliedern, sowie<br />

undurchschautes Festhalten an präambivalenten Einstellungen und Denkweisen zu<br />

verifizieren vermag 4 .<br />

1 W.-D. Narr, in: Die Zeit, Nr.4/1978

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