Beiträge zur Sozialen Phantasie
Beiträge zur Sozialen Phantasie
Beiträge zur Sozialen Phantasie
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Nachdem damit kurzerhand die Welt auf ihre wesentlichen Pfeiler <strong>zur</strong>echtgerückt wurde, fällt<br />
auch die Analyse nicht mehr schwer: Die Welt ist wieder aufgeteilt in Gut und Böse, in<br />
nachfaschistische Metropolen, die dem Kapital ganz und gar verfallen sind, und in die<br />
Bereiche, die noch nicht verwurstet sind, in der die Menschen in ihren traditionellen<br />
Zusammenhängen wacker für ihre Freiheit kämpfen.<br />
Das Ganze gibt es in zwei Ausführungen. Die eine versucht wortreich und faktenhaltig den<br />
theoriehaltigen Hintergrund zu liefern. Darauf wird später noch einzugehen sein. Die zweite<br />
ist eher für den autonomen Hausgebrauch und beschränkt sich der Einfachheit halber lieber<br />
gleich auf's wesentliche: Rebellion gegen die herrschende Ordnung kommt eh' nur noch von<br />
denen, die noch nicht unter das kapitalistische Kommando gepreßt wurden. Für die<br />
Autonomie kann die Tatsache, daß die Arbeiterklasse in den Metropolen von der politischen<br />
Bühne verschwunden ist, sowieso nur als deren freiwillige Unterwerfung unter die Herrschaft<br />
des Kapitals begriffen werden. Hier ist der Sieg des Kapitals evident. Und auch in der<br />
Peripherie ist das Kapital schon auf dem Vormarsch, aber hier gibt es noch Hoffnung. Die<br />
Subsistenz, wurzelnd in einer vom Kapital unabhängigen 'Reproduktion der Unterschichten',<br />
tritt diesem von außen entgegen. Im Kampf gegen das Kapital konstituiert sich dann die<br />
Klasse. Dieser Prozeß, so Hartmann, "mißt sich nicht am Grad der Vereinnahmung, sondern<br />
genau am Gegenteil: an der archaischen Reproduktion der Unterschichten, die in erster und<br />
zweiter Generation dem Leben als Industriearbeiter fremd gegenüberstehen, und an der<br />
Bereitschaft, aus dieser Fremdheit heraus das gesamte soziale Verhältnis infrage zu stellen."<br />
(Autonomie 14, S.206)<br />
Untrügerisches Zeichen dafür sind unkontrollierte Aufstände von denen, die eh' nichts mehr<br />
zu verlieren haben. Und mit diesem grandiosen Salto mortale (im wahrsten Sinne des Wortes)<br />
befindet mensch sich unversehens im Kiez, in den vielzitierten "Zusammenhängen" wieder.<br />
Denn auch im Herzen der Bestie sind noch nicht alle Menschen gefressen von der<br />
unersättliche Gier des Monsters. Nachdem alle bisherigen Konzepte versagt haben, die<br />
Arbeiterklasse zum größten Teil verblödet vor der Glotze hängt, die Intellektuellen auf ihrem<br />
langen Marsch durch die Institutionen in der Zwischenzeit in den Ministersesseln<br />
angekommen sind, bleibt hier allerdings nicht mehr viel übrig. Da die normale Welt<br />
sozusagen Feindesland geworden ist, hilft hier nur noch die Rettung in die Subsistenz der<br />
Metropolen, die sogenannten Freiräume. Hier sammeln sich die revolutionären Subjekte,<br />
ökonomisch marginalisiert, sozial gefürchtet und verachtet, um mit ihrer Identität und ihrem<br />
selbstbestimmten Leben den "Herrschenden etwas entgegenzusetzen".<br />
Die Welt ist klein und die Entfernung von der Plünderung des Supermarktes in Rondonda zu<br />
der von Getränke-Hoffmann löst sich - so betrachtet - in Nichts auf. Der Feind in den<br />
Metropolen lauert überall: jede Umschulung ist potentiell ein Versuch der Korrumpierung und<br />
überhaupt, das Schwein, das es zu bekämpfen gilt, steckt bekanntlich in jedeR von uns selbst.