Beiträge zur Sozialen Phantasie

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23.12.2012 Aufrufe

der GRÜNEN. Während die Autonomen die Drecksarbeit machten, d. h. für Schlagzeilen sorgten, konnten die Reformisten die dadurch geschaffene Publizität in politisches Kapital ummünzen. Ohne die militanten Anti-AKW-Kämpfe säßen die GRÜNEN heute nicht in den Parlamenten. Diese Zweiteilung sollte sich in der IWF-Kampagne nicht wiederholen; der alte Dualismus: die Autonomen machen den Putz, während die Reformisten die Inhalte bestimmen - dieser alte Dualismus sollte endgültig aufgebrochen werden. Und so wurde, schon zwei Jahre vor der IWF-Tagung, von Berlin aus versucht, eine Theoriediskussion anzuzetteln. Auf diese Theoriediskussion und die dabei sich entwickelnde Theorie soll im folgenden eingegangen werden. 1, Die Bewegung flirtet mit der Theorie Der Verlauf der Theoriediskussion kann schnell skizziert werden: Im Grunde war es ein permanenter Niedergang. Die ersten Diskussionspapiere, die aus Berlin kamen, waren sehr ausführlich und, für autonome Verhältnisse, außerordentlich originell. Außerdem war in dieser ersten Phase, 2 Jahre vor der IWF-Tagung, die Diskussion geprägt von einer Fülle unterschiedlichster, wenn auch oft nur sehr diffus bekannter Ansätze für eine internationalistische Politik. Je näher die IWF-Tagung rückte, um so mehr verdünnte sich die theoretische Substanz der Diskussion, bis schließlich das diffuse Knäuel unterschiedlichster Ansätze auf zwei Stränge ausgedünnt wurde: Auf die Theorie der Klasse als reiner Subjektivität einerseits, d.h. die berühmt-berüchtigte Subsistenztheorie, und einen positivistischen Pragmatismus andererseits, der weiter unten noch näher chrakterisiert werden soll. 2 Zunächst jedoch zur Subsistenztheorie. 1.1 Die Subsistenztheorie Am Ende der Kampagne blieb von den Versuchen, eine autonome Theorie zu entwickeln, nicht viel mehr übrig, als das Wörtchen Subsistenz. Mit diesem neuen Zauberwort wurde mit großem Erfolg versucht, die doch recht vielfältigen Erscheinungen der imperialistischen Welt zu erklären. Ausgangspunkt dabei sind die Umbrüche in den kapitalistischen Metropolen. Nach der Konferenz von Bretton Woods, in der die Siegermächte des 2. Weltkriegs die Nachkriegsordnung der Weltwirtschaft aushandelten, spätestens nach dieser Konferenz also, so lautet die gängige autonome Sage, verschmolzen Staat und Kapital. Die Wirtschaftsordnung der Nationalsozialisten wurde auf die Weltwirtschaft übertragen, die sich für die Autonomen nun als komplett faschistische darstellt. Folge dieser Theorie war es dann, daß der Hauptwiderspruch fortan nicht mehr zwischen Lohnarbeit und Kapital gefunden ward, sondern zwischen den vom Kapital erschlossenen Bereichen und der sogenannten Subsistenz. Der wichtigste Text für diese Theorie findet sich in der schon 1985 erschienen letzten Nummer der Autonomie (Neue Folge). Die Autonomie Nr.14 kam im Rahmen der IWF-

Kampagne wieder unerwartet zu Ehren und dort besonders Detlef Hartmanns Artikel Völkermord gegen soziale Revolution. Das US-imperialistische System von Bretton Woods als Vollstrecker der nationalsozialistsichen Neuen Ordnung. Der diesem Artikel zugrunde liegende Kapitalbegriff scheint uns das Fundament für des diffusen autonomen Internationalismus zu sein. Hartmann geht von einer einheitlichen Kapitalstrategie seit dem NS-Faschismus aus. Daran ist natürlich ein Quentchen Wahrheit: Die Weltwirtschaft ist eine kapitalistische, und in einer solchen setzt sich das Wertgesetz immer durch. Doch diese Einsicht ist völlig banal. Um es mit Marx zu sagen: Nicht daß das Wertgesetz sich durchsetzt ist interessant, sondern wie es sich durchsetzt. Und da gibt es schon einige entscheidende Differenzen zwischen dem Nationalsozialismus und dem US-Imperialismus. Doch für Hartmann ist alles das selbe. Dazu kommt noch, daß der Weltmarkt subjektiviert wird: Alles ist eine bewußte Planung der Schweine, nicht etwa ein sich mehr oder minder gut selbst regulierendes System. Unter diesen Voraussetzungen drängt sich die Folgerung auf, daß alle Kämpfe dadurch vereinheitlicht werden, indem sie sich gegen ein und dieselben Kapitalstrategen wenden. Ein Kapitalsubjekt steht einem Klassensubjekt in untervermitteltem Antagonismus gegenüber. Das Kapitalverhältnis wird als personifizierte Macht begriffen, die aus dem Nichts kommt und - so gewinnt mensch den Eindruck - aus reiner Bosheit alle anderen Formen der Produktion und Reproduktion zerstören will. Damit ist es in der Theorie möglich, alle Kämpfe im Trikont, egal unter welchen Vorzeichen, mit welchen Beteiligten und Zielen auch immer, als einheitliche Front gegen das das kapitalistische Schweinesystem aufzubauen. Alle diese Kämpfe sieht Hartmann als Teil eines sozialrevolutionären Prozesses, der Ende der 60er Jahre weltweit einsetzte. Dieser sozialrevolutionäre Charakter der Kämpfe wird nur an einem Kriterium festgemacht: am sogenannten Nicht-Wert, an der Subsistenz. Diese Subsistenz, die all das darstellt, was noch nicht in das Kapitalverhältnis eingegliedert ist, ist der Quell, aus dem alle Revolten gegen die mörderische Rationalität des Kapitals entspringen. Der revolutionäre Prozeß wendet sich gegen die Zerstörung der Subsistenz, des Nicht-Werts, ist also Verteidigung alles dessen, was außerhalb des Kapitalverhältnisses passiert. Dem Hartmannschen Kapital-Subjekt steht die 'Klassenhomogenität eines Weltproletariats der Armen' gegenüber. Nicht von Interesse sind die unterschiedlichen, einander oft widersprechenden Einzelinteressen der Klassensegmente, die durch verschiedene historische und politische Entwicklungen der einzelnen Länder, durch unterschiedliche Vergesellschaftungsniveaus, soziale Schichtung, kulturelle und religöse Traditionen und ähnliches bedingt sind. Hartmann zwängt die Subjekte nicht in eine vorgefertigte Theorie, wie es die Stalinisten tun, sondern biedert sich dem rückständigsten Bewußtsein der Massen an, wenn sie nur militant dafür eintreten. Munter wirft er dann "den nicht institutionalisierten Teil des iranischen Chiliasmus, die indonesischen Moslemrebellen, die philippinische Christenbewegung gegen die Landreform" usw. zusammen.

Kampagne wieder unerwartet zu Ehren und dort besonders Detlef Hartmanns Artikel<br />

Völkermord gegen soziale Revolution. Das US-imperialistische System von Bretton Woods<br />

als Vollstrecker der nationalsozialistsichen Neuen Ordnung. Der diesem Artikel zugrunde<br />

liegende Kapitalbegriff scheint uns das Fundament für des diffusen autonomen<br />

Internationalismus zu sein. Hartmann geht von einer einheitlichen Kapitalstrategie seit dem<br />

NS-Faschismus aus. Daran ist natürlich ein Quentchen Wahrheit: Die Weltwirtschaft ist eine<br />

kapitalistische, und in einer solchen setzt sich das Wertgesetz immer durch. Doch diese<br />

Einsicht ist völlig banal. Um es mit Marx zu sagen: Nicht daß das Wertgesetz sich durchsetzt<br />

ist interessant, sondern wie es sich durchsetzt. Und da gibt es schon einige entscheidende<br />

Differenzen zwischen dem Nationalsozialismus und dem US-Imperialismus. Doch für<br />

Hartmann ist alles das selbe. Dazu kommt noch, daß der Weltmarkt subjektiviert wird: Alles<br />

ist eine bewußte Planung der Schweine, nicht etwa ein sich mehr oder minder gut selbst<br />

regulierendes System.<br />

Unter diesen Voraussetzungen drängt sich die Folgerung auf, daß alle Kämpfe dadurch<br />

vereinheitlicht werden, indem sie sich gegen ein und dieselben Kapitalstrategen wenden. Ein<br />

Kapitalsubjekt steht einem Klassensubjekt in untervermitteltem Antagonismus gegenüber.<br />

Das Kapitalverhältnis wird als personifizierte Macht begriffen, die aus dem Nichts kommt<br />

und - so gewinnt mensch den Eindruck - aus reiner Bosheit alle anderen Formen der<br />

Produktion und Reproduktion zerstören will.<br />

Damit ist es in der Theorie möglich, alle Kämpfe im Trikont, egal unter welchen Vorzeichen,<br />

mit welchen Beteiligten und Zielen auch immer, als einheitliche Front gegen das das<br />

kapitalistische Schweinesystem aufzubauen. Alle diese Kämpfe sieht Hartmann als Teil eines<br />

sozialrevolutionären Prozesses, der Ende der 60er Jahre weltweit einsetzte. Dieser<br />

sozialrevolutionäre Charakter der Kämpfe wird nur an einem Kriterium festgemacht: am<br />

sogenannten Nicht-Wert, an der Subsistenz. Diese Subsistenz, die all das darstellt, was noch<br />

nicht in das Kapitalverhältnis eingegliedert ist, ist der Quell, aus dem alle Revolten gegen die<br />

mörderische Rationalität des Kapitals entspringen. Der revolutionäre Prozeß wendet sich<br />

gegen die Zerstörung der Subsistenz, des Nicht-Werts, ist also Verteidigung alles dessen, was<br />

außerhalb des Kapitalverhältnisses passiert.<br />

Dem Hartmannschen Kapital-Subjekt steht die 'Klassenhomogenität eines Weltproletariats der<br />

Armen' gegenüber. Nicht von Interesse sind die unterschiedlichen, einander oft<br />

widersprechenden Einzelinteressen der Klassensegmente, die durch verschiedene historische<br />

und politische Entwicklungen der einzelnen Länder, durch unterschiedliche<br />

Vergesellschaftungsniveaus, soziale Schichtung, kulturelle und religöse Traditionen und<br />

ähnliches bedingt sind. Hartmann zwängt die Subjekte nicht in eine vorgefertigte Theorie, wie<br />

es die Stalinisten tun, sondern biedert sich dem rückständigsten Bewußtsein der Massen an,<br />

wenn sie nur militant dafür eintreten. Munter wirft er dann "den nicht institutionalisierten Teil<br />

des iranischen Chiliasmus, die indonesischen Moslemrebellen, die philippinische<br />

Christenbewegung gegen die Landreform" usw. zusammen.

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