Beiträge zur Sozialen Phantasie
Beiträge zur Sozialen Phantasie
Beiträge zur Sozialen Phantasie
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
ausnahmsweise Dank der guten Infrastruktur nicht zu einem üblichen autonomen Chaos<br />
führte und autonome Kämpferinnen aus der Provinz sich individuell dem Polizeiapparat<br />
ausgeliefert sahen, wie während des Reagan-Besuchs 1985. Alles in allem hat der Glaube an<br />
die angedrohte Repression zu einer guten Infrastruktur geführt, in deren Rahmen die meisten<br />
Aktionen sauber geplant und trotzdem noch spontan und erfrischend abliefen.<br />
Dadurch kam es, entgegen aller Absicht, wieder zu einem großen unausgesprochenen Bündnis<br />
von Autonomen und Reformisten in der Aktion. Zwar waren die meisten Aktionen von den<br />
Autonomen organisiert, doch die Mobilisierung funktionierte als Selbstläufer, was zum Teil<br />
auch der bürgerlichen Schreckenskampagne zu verdanken war. Die sogenannte Reformer-<br />
Basis und viele Leute aus Dritte-Welt-Gruppen bevölkerten die Straße. Daß dies nach der<br />
Kampagne von den Autonomen als großer Erfolg gefeiert wurde gehört zu den<br />
Hintertreppenwitzen der autonomen Geschichte: Nie zuvor hatte mensch sich derart massiv<br />
von den Reformern versucht abzugrenzen - und nie zuvor haben sich diese weniger vom<br />
autonomen Krakeel abschrecken lassen. Trotz guter Organisation gab es natürlich auch<br />
traurige Ausnahmen, wie den Weddinger Kessel, aber die beste Organisation ist durchlässig....<br />
So gut also die Organisation war, so schlecht war es um die autonome Theorie in der<br />
Kampagne bestellt. Daß Theorie in den Tagen in Berlin selbst überhaupt keine Rolle mehr<br />
spielte, kann nicht damit gerechtfertigt werden, daß alle Kräfte von der Organisation<br />
aufgesaugt wurden. Die theoretische Vorbereitung ist schon ca. 6 Monate vor der Tagung<br />
zusammengebrochen. Ein Auslöser war die Spaltung in Männer und Frauen, die sich jedoch<br />
nur Berlin-intern nachvollziehen ließ. Die IWF-Gruppen im Bundesgebiet erhielten nur die<br />
Nachricht der Aufsplittung, nicht deren Hintergründe; geschweige denn, irgendwelche Texte.<br />
Ein anderer Grund war, daß Theorie nur dann legitim ist, wenn sie direkt in Praxis mündet.<br />
Damit wurde von vornerein eine grundsätzliche theoretische Aufarbeitung ausgeschlossen.<br />
Der Aktionismus als solcher wurde nicht in Frage gestellt, nur die Theorie, die <strong>zur</strong> schon<br />
beschlossenen Praxis führen sollte, wurde kurzfristig geschult. Für eine so theoriearme<br />
Bewegung, wie die Autonomen, sind zwei Jahre Kampagnenvorbereitung relativ gering. Nach<br />
der Lektüre von Autonomie Nr. 14 durch die meisten Gruppen, ging es nur noch darum<br />
empirisches Material über "die Schweine hier" zu erstellen, wie z.B. exakte Daten über<br />
Schering und Siemens, was mit revolutionärer Theorie nicht mehr viel zu tun hat. Doch auf<br />
dieses instrumentelle Theorieverständnis gehen wir nachher noch genauer ein.<br />
Die eigentliche Theorie wurde den institutionalisierten Reformisten überlassen, die in aller<br />
Ruhe ihren Gegenkongreß durchziehen konnten. Den militanten Reformisten genügte es, die<br />
soziale Weltrevolution auf ihre Fahnen zu schreiben, ohne im geringsten darauf einzugehen,<br />
wie wir dorthin gelangen könnten. Der Bezug <strong>zur</strong> Revolution bleibt somit moralisch und<br />
abstrakt, wie wenn linke Sozialdemokraten sich überlegen, wie die kapitalistische<br />
Weltwirtschaft humanisiert, anstatt rationalisiert werden kann. Wir können von einer<br />
perfekten Arbeitsteilung während der Kampagne sprechen , die an die friedliche Koexistenz