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Beiträge zur Sozialen Phantasie

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kennnen. Auch die Autonomen haben inzwischen ihre Fundis und Realos (deutlich seit den<br />

Reaktionen auf die Kreuzberger Revolte am 1.Mai 1987 und die Freiburger "Pfingstrandale"<br />

am 7.6.1987).<br />

Die "autonomen Fundis" schlagen sich auf die Seite der Identität, die um jeden Preis<br />

aktionistisch "materialisiert" werden muß. Wenn den Schweinen draußen schon nicht<br />

beizukommen ist, dann wird der Sieg über das Schwein in einem selbst bzw. den eigenen<br />

Reihen umso dringlicher. Deshalb die plötzliche Konjunktur auf absolut grausligem Niveau<br />

geführter Sexismus- und Verräterdiskussionen in der Szene (deren Notwendigkeit damit nicht<br />

abgestritten werden soll), die zunehmende Fraktionierung in sich befehdende Cliquen<br />

("Antisemiten" versus "Staatsschutzlinke"), deren einzige Funktion nicht Klärung der Sache<br />

ist, sondern Erzeugung von "Identität". Wo sich der autonome Fundamentalismus nach außen<br />

wendet, so in Form von martialischer Verbalradikalität und hohler militanter Kraftmeierei<br />

(Stammheimdemo 1987). Zur Höchstform lief er bei der Freiburger "Pfingstrandale" auf: der<br />

filmreifen Simulation einer spontanen Revolte ("die militante Aktion selbst war Bestimmung"<br />

in: Zusammen Kämpfen extra, Juni 1987).<br />

Die "autonomen Realos« bewähren sich illusionslos in den Abwehrkämpfen, in den sozialen<br />

Sektoren und den verschiedenen Kampagnen, da die Existenz auch der Autonomen gewisser<br />

materieller Voraussetzungen bedarf. Zwar wird bis jetzt jedenfalls noch nicht eine "Dialektik<br />

von Reform und Revolution" konstruiert, Interessenpolitik nicht mit revolutionärer Praxis<br />

verwechselt; doch solange letzteres nicht geht, begnügt mensch sich mit ersterer, da diese<br />

doch wenigstens Kampfbedingungen sichern kann und überhaupt Propaganda für die eigenen<br />

Ziele und Rekrutierung neuer Leute ermöglicht. Sie unterscheiden sich von ihren<br />

Bündnispartnern nur dadurch, daß sie Gewalt in die Wahl ihrer Mittel einund den<br />

Parlamentarismus ausschließen; auf diese Weise sind sie von den Reformisten als Einheizer<br />

instrumentalisierbar, während jene die Inhalte bestimmen. Nur weil ein militanter<br />

Reformismus in der BRD - im Unterschied zu anderen Ländern - keine Tradition hat, können<br />

die Autonomen in dieser Arbeitsteilung noch einen Revolutionsmythos beleihen und den<br />

Bürgerschreck spielen. Die revolutionäre ,Leidenschaft hat keinen Ort mehr, sie verhält sich<br />

<strong>zur</strong> eigenen Praxis wie Religion zum Alltag. Dieser erfordert eine enorme, von NSTs 4 kaum<br />

aufzubringende Sublimationsleistung; bürokratische Sklerose wie bei den K-Gruppen oder<br />

Umschlagen in Reformismus sind ständige Gefahren für diese Position.<br />

Fundis und Realos, das ist das Vertrackte daran, haben gegeneinander immer recht, trotzdem<br />

haben beide unrecht. Die Aufhebung dieses Widerspruches geschieht durch die Aufhebung<br />

derjenigen Verhältnisse, die diesen Gegensatz hervorbringen: durch die Revolution, die aber,<br />

will die Klasse nicht, weder durch heroische Kraftakte noch durch geschickte Manipulation<br />

von Interessenpolitik künstlich "organisiert" werden kann.<br />

Noch allerdings ist die Trennung in autonome Fundis und Realos nicht vollzogen; noch oder<br />

schon wieder wird versucht, eine Vermittlung zu konstruieren. Sie heißt nicht<br />

"systemüberwindende Reformpolitik" wie bei den GRÜNEN. Der Hafenstraßen-Mythos hat

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