Beiträge zur Sozialen Phantasie

Beiträge zur Sozialen Phantasie Beiträge zur Sozialen Phantasie

23.12.2012 Aufrufe

Verschiedene praktische Schlußfolgerungen wurden daraus gezogen: Die AUTONOMIE (Neue Folge), deren Position gewissermaßen "zwischen" Klassen- und Bewegungspolitik steht, plädierte für eine Verbindung von metropolitaner Leistungsverweigerung und trikontinentaler Subsistenz, die in den Metropolen vorerst nur durch eine moralisch bestimmte Sabotagepraxis in der Tradition der Maschinenstürmer antizipiert werden könne. Der "Antiimperialismus", der verschiedene Übergänge zu den "Hardcore-Autonomen" aufweist, propagiert einen militanten Aktionismus gegen jedwede Verkörperung des "Gesamtsystems": Einrichtungen und Charaktermasken desselben, das "Schwein in uns selbst", echte und vermeintliche Verräter und "Staatsschutzlinke". Er ist eine einzigartige Synthese widersprüchlicher Elemente: Vom Stalinismus übernimmt er Terminologie und Methode; vom Protestantismus den Rigorismus einer Gesinnungsethik, der der rechte Glaube alles, die tatsächliche Wirkung einer Handlung nichts bedeutet; vom therapeutischen Okkultismus den narzistischen Kult von Identität und Gemeinschaft, die Organisationsformen und das Weltbild. Hierbei steht bei den "richtigen" Antiimps der Stalinismus eher im Vordergrund, bei dem angrenzenden Spektrum der Autonomen eher der Identitätskult. Diese strategische Debatte ist inzwischen (leider) weitgehend verstummt. Statt zu einer Klärung kam es zu verschiedenen Versuchen, die unterschiedlichen Ansätze zu "verbinden". Die Praxis hat sich wieder einmal auf schlechte Weise in der Mitte getroffen: die Erfolge in den Klassensektoren blieben bescheiden, selten überschritten die Kämpfe dort die Grenzen gewerkschaftlicher Interessenpolitik (mit militantem Flügel), soweit es überhaupt möglich war, sich hierauf in revolutionärer Absicht zu beziehen (unsere Schwierigkeiten mit den Studiprotesten). Die Jobberund Stadtteilgruppen bestehen größtenteils aus den dort präsenten Scene-Leuten, die der Zwang zu Maloche und Mietwohnung wieder eingeholt hatte. Teils wurde die Szene einfach zur Klasse erklärt, teils versucht, die Kluft durch Selbstmarginalisierung ("Generalstreik ein Leben lang") zu überbrücken. Ob mensch es wollte oder nicht, immer wieder wird mensch auf die Szene und die sich ablösenden Kampagnen und "neue soziale Bewegungen" verwiesen; letztere sorgen immer wieder für militante Höhepunkte und neuen Zulauf, der die Abgänge an Frustrierten und Verheizten ersetzt. Kurz bevor..die einzelnen Cliquen der zerfallenden, Außenstehnde immer mehr abschreckenden Szene vollends übereinander herfallen, was zu befürchten die Entwicklung der letzten Jahre nicht nur in Freiburg genug Anlaß bietet, gibt es wieder eine neue Kampagne, an der sich alle zusammenraufen; zuletzt war es der Hungerstreik.

IV Gerade das letzte Beispiel ist bezeichnend dafür, daß die tatsächliche Politik der Autonomen wenig mit ihren eigenen strategischen Vorstellungen zu tun hat, sondern größtenteils taktisch bestimmt ist. Gemacht wird, wenn im Moment schon kein offensiver Durchbruch möglich ist, was den Erhalt des status quo verspricht: Abwehr der Repression, Anlässe für militante Aktionen, Rekrutierung neuer Leute. Gewaltige Anstrengungen werden unternommen, um diesem traurigen Tatbestand den ideologischen Überbau als revolutionäre Praxis zu verpassen. Ansonsten wird das Herangehen an diverse Kampagnen sehr pragmatisch gehandhabt, wobei drei verschiedene Arten des Umgangs mit politischen Bündnissen und Bewegungen sich unterscheiden lassen: 1. “In die neuen sozialen Bewegungen reingehen und sie radikalisieren” Der Anlaß ist eigentlich zweitrangig, die Leute, mit denen mensch es dort zu tun hat, eigentlich auch: Die Autonomen interessierte an der Friedensbewegung, der Anti-AKW- Bewegung oder an der Startbahn weniger die Verhinderung eines konkreten Projekts als die Gelegenheit zur Entwicklung von Massenmilitanz. Die Autonomen waren a n fast allen Schauplätzen dieser Kämpfe dabei, zuweilen gelang auch eine Verbreiterung der Militanz weit über das eigene Spektrum hinaus und eine beachtliche Kontinuität des Widerstandes (Startbahn). Doch sie waren jedesmal mit ihrem Latein am Ende, sobald sich die Militanz an den Bauzäunen nicht mehr fortsetzen ließ, sei es weil die Auseinandersetzung um das jeweilige Schweineprojekt entschieden war, sei es weil die Eskalation die Grenze der Massenmilitanz zur militärischen Auseinandersetzung erreicht hatte (Wackersdorf Pfingsten 1986) oder weil der Repressionsdruck zu groß wurde. Dann wandten sich die Autonomen schnell ab, um auf die nächste Bewegung zu warten. Die "Bürgers" interessierten, gerade weil mensch sich über deren Radikalität keine Illusionen machte, nur als Schutz und Kulisse für die eigenen Aktionen: dann wurden sie in den Himmel gelobt, unterschieden sie sich doch so wohltuend von den Dumpf-Normalos aus der eigenen Stadt. Umso größer dann die Enttäuschung, wenn sie sich unter dem Druck von Belagerungszustand und Repression, der sie nach der Abreise der Autonomen traf, oder auch einfach, wer weiß, weil sich "Bewahrung der Heimat" nicht nur gegen die WAA, sondern auch gegen die umstürzlerischen Pläne der Autonomen richtet, wieder dem bürgerlichreformistischen Lager zuwandten; diesem wurde die Wiederherstellung der Hegemonie durch den Rückzug der Autonomen 1987 noch zusätzlich erleichtert. Das, was die Autonomen aus ihren eigenen Analysen über die Bedeutung der WAA wußten, war offenbar doch nicht so wichtig. Da die Aussichten, die inhaltliche Ausrichtung solcher Bewegungen zu bestimmen, schon wegen deren sozialer Zusammensetzung (Dominanz der Mittelschichten) bekanntermaßen

IV<br />

Gerade das letzte Beispiel ist bezeichnend dafür, daß die tatsächliche Politik der Autonomen<br />

wenig mit ihren eigenen strategischen Vorstellungen zu tun hat, sondern größtenteils taktisch<br />

bestimmt ist. Gemacht wird, wenn im Moment schon kein offensiver Durchbruch möglich ist,<br />

was den Erhalt des status quo verspricht: Abwehr der Repression, Anlässe für militante<br />

Aktionen, Rekrutierung neuer Leute. Gewaltige Anstrengungen werden unternommen, um<br />

diesem traurigen Tatbestand den ideologischen Überbau als revolutionäre Praxis zu<br />

verpassen. Ansonsten wird das Herangehen an diverse Kampagnen sehr pragmatisch<br />

gehandhabt, wobei drei verschiedene Arten des Umgangs mit politischen Bündnissen und<br />

Bewegungen sich unterscheiden lassen:<br />

1. “In die neuen sozialen Bewegungen reingehen und sie radikalisieren”<br />

Der Anlaß ist eigentlich zweitrangig, die Leute, mit denen mensch es dort zu tun hat,<br />

eigentlich auch: Die Autonomen interessierte an der Friedensbewegung, der Anti-AKW-<br />

Bewegung oder an der Startbahn weniger die Verhinderung eines konkreten Projekts als die<br />

Gelegenheit <strong>zur</strong> Entwicklung von Massenmilitanz. Die Autonomen waren a n fast allen<br />

Schauplätzen dieser Kämpfe dabei, zuweilen gelang auch eine Verbreiterung der Militanz<br />

weit über das eigene Spektrum hinaus und eine beachtliche Kontinuität des Widerstandes<br />

(Startbahn). Doch sie waren jedesmal mit ihrem Latein am Ende, sobald sich die Militanz an<br />

den Bauzäunen nicht mehr fortsetzen ließ, sei es weil die Auseinandersetzung um das<br />

jeweilige Schweineprojekt entschieden war, sei es weil die Eskalation die Grenze der<br />

Massenmilitanz <strong>zur</strong> militärischen Auseinandersetzung erreicht hatte (Wackersdorf Pfingsten<br />

1986) oder weil der Repressionsdruck zu groß wurde. Dann wandten sich die Autonomen<br />

schnell ab, um auf die nächste Bewegung zu warten.<br />

Die "Bürgers" interessierten, gerade weil mensch sich über deren Radikalität keine Illusionen<br />

machte, nur als Schutz und Kulisse für die eigenen Aktionen: dann wurden sie in den Himmel<br />

gelobt, unterschieden sie sich doch so wohltuend von den Dumpf-Normalos aus der eigenen<br />

Stadt. Umso größer dann die Enttäuschung, wenn sie sich unter dem Druck von<br />

Belagerungszustand und Repression, der sie nach der Abreise der Autonomen traf, oder auch<br />

einfach, wer weiß, weil sich "Bewahrung der Heimat" nicht nur gegen die WAA, sondern<br />

auch gegen die umstürzlerischen Pläne der Autonomen richtet, wieder dem bürgerlichreformistischen<br />

Lager zuwandten; diesem wurde die Wiederherstellung der Hegemonie durch<br />

den Rückzug der Autonomen 1987 noch zusätzlich erleichtert. Das, was die Autonomen aus<br />

ihren eigenen Analysen über die Bedeutung der WAA wußten, war offenbar doch nicht so<br />

wichtig.<br />

Da die Aussichten, die inhaltliche Ausrichtung solcher Bewegungen zu bestimmen, schon<br />

wegen deren sozialer Zusammensetzung (Dominanz der Mittelschichten) bekanntermaßen

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