Beiträge zur Sozialen Phantasie
Beiträge zur Sozialen Phantasie Beiträge zur Sozialen Phantasie
Die Häuserkampfbewegung konnte sich zu Recht als revolutionär mißverstehen. Zurecht: denn ihre Militanten waren (und sind) die Einzigen, die durch ihre Praxis die Grundlagen des Systems radikal in Frage stellten; mißverstehen: eine sich kaum mehr als über ein gemeinsames Lebensgefühl definierende, ihrer Herkunft nach mittelständische "Szene" hatte selbst zu ihren Glanzzeiten kaum Aussicht auf Ausweitung über ihren soziologischen Einzugsbereich hinaus, und selbst wenn: dann würde sich schnell zeigen, daß mit "Identität" keine Revolution zu machen ist. II Längst nicht alle Militanten der Häuserkampfbewegung verstanden sich als Revolutionäre. Das Lebensgefühl der Revolte speiste sich nicht zuletzt aus dem "no future" - es ging nicht um irgendeine ferne Revolution, sondern um Leben jetzt. Soweit überhaupt von Revolution die Rede war, dann als verschärfter Randale überall, vom Weg dahin als Ausweitung der "Freiräume", von ihren Organisationsformen als verallgemeinerter Szene. Dieses Selbstverständnis der Autonomen -die Revolte, Massenmilitanz als unmittelbar revolutionäre Praxis, der subjektive Bruch (je nach Geschmack existentialistisch, moralisch oder psychologisch verstanden) mit dem System als Ausgangspunkt - geistert auch heute noch hartnäckig in den Köpfen herum. Eine solche Praxis stieß jedoch schnell an ihre Grenzen, als Ende 1981 die staatliche Repression Wirkung zeigte und gleichzeitig die Dynamik einer ständig wachsenden Massenbewegung zum Erliegen kam. Es wurde plötzlich wieder verhandelt, um den Erhalt der besetzten "Freiräume", und die offensive Abgrenzung gegenüber der Gesellschaft wich der Suche nach Schutz vor Repression durch Bündnisse (ohne welche die Massenmilitanz an den Bauzäunen wohl kaum zustande gekommen wäre). Zunächst schien es, als würde die Geschichte des Zerfalls der 68er Bewegung in Spontis, K- Gruppen und Guerilla sich wiederholen: Die Altspontis und Alternativen fuhren auf Kultur ab, die rebellierenden proletarischen Jugendlichen holte das Elend von Maloche, Sozi oder Drogen wieder ein, die "Politfreaks" recycelten den ML oder Anarchosyndikalismus wieder vom Müllhaufen der Geschichte. Aber nicht alle: trotz allem hat die autonome Szene über die Konjunktur einzelner Bewegungen hinaus eine Kontinuität militanten Widerstandes aufrechterhalten können, die den Spontaneismus der Jugendrevolte überwunden und den Rückfall in Parteigründungsrituale verweigert hat. Wir behandeln hier die Autonomen der 80er Jahre als Einheit, obwohl die verschiedenen Ansätze in der Theoriebildung weit auseinandergehen (z.B. Wildcat, AUTONOMIE, Antiimp, Feminismus). Aber erstens wird Theoriebildung bei den Autonomen meist als Luxus für kampfarme Zeiten angesehen und deshalb nur von sehr wenigen aktiv betrieben, zweitens hat theoretisch gewonnene Erkenntnis wenig Auswirkungen auf die Praxis (so daß längst erkannte Fehler immer wiederholt werden), und drittens haben die logischen und inhaltlichen
Widersprüche zwischen diesen Ansätzen den unausgesprochenen Grundkonsens, um den es hier vor allem geht, nicht antasten können. III Als absehbar war, daß kein direkter Weg von der Randale zur Revolution führt, gab es in den Jahren 1982-85 eine breite strategische Diskussion, wie einerseits das erreichte Niveau an praktischer Radikalität und Massenmiltanz gehalten und andererseits eine Ausweitung der Bewegung über die kulturellen Grenzen der Szene und die staatlich gesetzten von Besetzungen und Bauzaunkämpfen erreicht werden könnte. Die beiden Pole, um die die Diskussion kreiste, waren durch die Frage: Klassenpolitik oder Bewegungspolitik? definiert. Die VertreterInnen der Klassenpolitik gingen von der Notwendigkeit und aktuellen Möglichkeit militanter ArbeiterInnenkämpfe aus. Notwendigkeit, weil an einer Zentralität der ArbeiterInnen, deren produktive Kooperation vom Kapital auch in Zukunft nicht durch Maschinen ersetzt werden könne (Kritik am "Mythos Vollautomation"), für eine revolutionäre Perspektive festgehalten wird und weil sogenannte "Freiräume" in Wirklichkeit vom System abhängig und auch tolerierbar seien, solange die Mehrwertproduktion läuft; Möglichkeit, weil erstens die Fabrik immer mehr auf die Gesellschaft ausgedehnt werde, immer mehr Bereiche unmittelbar dem kapitalistischen Kommando unterworfen würden, so daß Kämpfe in einzelnen Sektoren unmittelbar die Mehrwertproduktion treffen und sich auf andere Sektoren der totalen Vergesellschaftung ausdehnen könnten (z.B. Frauenkämpfe, Stadtteile, Knast, Ausbildungssektor etc.), zweitens unter der Oberfläche des "sozialen Friedens" der Kampf der Klasse gegen die Arbeit nie zum Erliegen gekommen sei und nur aus seinen reformistischen Fesseln befreit werden müsse. Daraus ergab sich eine mehr oder weniger radikale Absage an "Szene-Politik" und eine Verankerung militanter Kerne in den verschiedenen Sektoren; dies aber nicht als Fortsetzung linker Kaderpolitik, um die Massen zum richtigen Bewußtsein zu missionieren, sondern als Aufhebung der "Politik in erster Person": dort, wo jedeR dazu beiträgt, das System zu reproduzieren, kollektiven Widerstand zu organisieren. Es entstanden in der - Folgezeit viele Jobber-, Stadtteil-, Erwerbslosen- und Sozigruppen mit einem "operaistischen" 3 Ansatz. Auch die 1983 gegründeten Autonomen Studis verstanden sich als Teil dieser Richtung. Die BewegungspolitikerInnen machten geltend, daß angesichts einer integrierten, bestenfalls reformistischen und im Weltmaßstab privilegierten metropolitanen Klasse von dieser jedenfalls nicht die entscheidende Initiative zu einer Revolution ausgehen könne. Auch sei der "operaistische" Ansatz systemimmanent und nicht auf die außerhalb der Verwertung Stehenden anwendbar, also dort, wo (in der trikontinentalen Subsistenz, bei den metroplitanen Leistungsverweigerern) am ehesten noch eine zum Kapital antagonistische Gesellschaftlichkeit überleben bzw. sich entfalten könne.
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Die Häuserkampfbewegung konnte sich zu Recht als revolutionär mißverstehen. Zurecht:<br />
denn ihre Militanten waren (und sind) die Einzigen, die durch ihre Praxis die Grundlagen des<br />
Systems radikal in Frage stellten; mißverstehen: eine sich kaum mehr als über ein<br />
gemeinsames Lebensgefühl definierende, ihrer Herkunft nach mittelständische "Szene" hatte<br />
selbst zu ihren Glanzzeiten kaum Aussicht auf Ausweitung über ihren soziologischen<br />
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keine Revolution zu machen ist.<br />
II<br />
Längst nicht alle Militanten der Häuserkampfbewegung verstanden sich als Revolutionäre.<br />
Das Lebensgefühl der Revolte speiste sich nicht zuletzt aus dem "no future" - es ging nicht<br />
um irgendeine ferne Revolution, sondern um Leben jetzt. Soweit überhaupt von Revolution<br />
die Rede war, dann als verschärfter Randale überall, vom Weg dahin als Ausweitung der<br />
"Freiräume", von ihren Organisationsformen als verallgemeinerter Szene. Dieses<br />
Selbstverständnis der Autonomen -die Revolte, Massenmilitanz als unmittelbar revolutionäre<br />
Praxis, der subjektive Bruch (je nach Geschmack existentialistisch, moralisch oder<br />
psychologisch verstanden) mit dem System als Ausgangspunkt - geistert auch heute noch<br />
hartnäckig in den Köpfen herum. Eine solche Praxis stieß jedoch schnell an ihre Grenzen, als<br />
Ende 1981 die staatliche Repression Wirkung zeigte und gleichzeitig die Dynamik einer<br />
ständig wachsenden Massenbewegung zum Erliegen kam. Es wurde plötzlich wieder<br />
verhandelt, um den Erhalt der besetzten "Freiräume", und die offensive Abgrenzung<br />
gegenüber der Gesellschaft wich der Suche nach Schutz vor Repression durch Bündnisse<br />
(ohne welche die Massenmilitanz an den Bauzäunen wohl kaum zustande gekommen wäre).<br />
Zunächst schien es, als würde die Geschichte des Zerfalls der 68er Bewegung in Spontis, K-<br />
Gruppen und Guerilla sich wiederholen: Die Altspontis und Alternativen fuhren auf Kultur<br />
ab, die rebellierenden proletarischen Jugendlichen holte das Elend von Maloche, Sozi oder<br />
Drogen wieder ein, die "Politfreaks" recycelten den ML oder Anarchosyndikalismus wieder<br />
vom Müllhaufen der Geschichte. Aber nicht alle: trotz allem hat die autonome Szene über die<br />
Konjunktur einzelner Bewegungen hinaus eine Kontinuität militanten Widerstandes<br />
aufrechterhalten können, die den Spontaneismus der Jugendrevolte überwunden und den<br />
Rückfall in Parteigründungsrituale verweigert hat.<br />
Wir behandeln hier die Autonomen der 80er Jahre als Einheit, obwohl die verschiedenen<br />
Ansätze in der Theoriebildung weit auseinandergehen (z.B. Wildcat, AUTONOMIE,<br />
Antiimp, Feminismus). Aber erstens wird Theoriebildung bei den Autonomen meist als Luxus<br />
für kampfarme Zeiten angesehen und deshalb nur von sehr wenigen aktiv betrieben, zweitens<br />
hat theoretisch gewonnene Erkenntnis wenig Auswirkungen auf die Praxis (so daß längst<br />
erkannte Fehler immer wiederholt werden), und drittens haben die logischen und inhaltlichen