Beiträge zur Sozialen Phantasie
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KANN DENN BÜNDNIS SÜNDE SEIN...<br />
I<br />
Politik, ja "Bündnispolitik', war am Anfang 1 nicht vorgesehen. Im Gegenteil, die Revolte der<br />
Jahre 1980/81, deren militante ProtagonistInnen ihren Namen "Autonome" aus Italien<br />
importiert hatten, stand' ja gerade für die Ablehnung des Dialogs, der Politik, der Trennungen<br />
der Lebensbereiche, kurz- aller Vermittlungen, die eine kapitalistische Gesellschaft in Form<br />
von Markt und Politik zwischen Bedürfnisse des Einzelnen und deren gesellschaftliche<br />
Befriedigung setzt. Den ideologischen Überbau lieferten allerdings nicht, die italienischen<br />
Autonomen, sondern die deutschen Spontis, also nicht die AnalytikerInnen der<br />
fortgeschrittensten, sondern die Ideologen der rückständigsten Teile der Kämpfe in den<br />
westeuropäischen Metropolen 2 . Diese hatten es vor allem mit der Kultivierung der<br />
"Betroffenheit", was als Erfolgsrezept der Anti-AKW- und Öko-Bewegung der 70er Jahre<br />
galt, und der "Politik in erster Person", d.h. der Ablehnung alles "Abstrakten", "Aufgesetzten"<br />
wie des Bezuges des eigenen Kampfes auf die Klasse oder die Unterdrückten im Trikont oder<br />
überhaupt irgendeine Realität außerhalb des vom eigenen "Bock" Erreichbaren.<br />
Für die Revolte war solcher Überbau aber zunächst nicht nur überflüssig. Als Überbau stand<br />
er auch dem Bedürfnis nach einer von allen Abstraktionen freien Unmittelbarkeit direkt<br />
entgegen, weswegen die restlichen Alt-Spontis, die 1977 nicht dem Staat zu Kreuze<br />
gekrochen waren, von den Kids respektlos "Hirnwixer" genannt wurden.<br />
Revolution bedeutet unter anderem auch: die Aufhebung der Schizophrenie bürgerlichen<br />
Daseins, wie sie Karl Marx beschrieben hatte, der Existenzweise des Bürgers als egoistischer<br />
Bourgeois mit all seinem materiellen Lebensprozeß, Bedürfnissen, Tätigkeiten etc. einerseits,<br />
als altruistischer Citoyen, der nichts als das Allgemeinwohl im Sinne hat, andererseits. Auch<br />
wenn die noch zu Marxens Zeiten bestehende Trennung zwischen den nur durch den Wert<br />
vermittelten Bereichen Markt und Staat, Privatheit und Öffentlichkeit etc., die diesem<br />
Widerspruch entsprach, einer weitgehenden Gleichschaltung aller Lebensbereiche vor dem<br />
kapitalistischen Kommando gewichen ist, so ist der Widerspruch selbst nicht verschwunden.<br />
Wurde die beschriebene Schizophrenie schon damals von nicht wenigen als Qual empfunden,<br />
die das Ich zu zerreißen drohte, so erst recht heute, wo die inzwischen unzähligen<br />
unzusammenhängenden Einzelelemente der Arbeits- und Konsumatome kaum mehr von<br />
einem <strong>zur</strong> Reiz-Reflex-Schaltzentrale geschrumpften Überrest eines Ich zusammengehalten<br />
werden können. Angesichts dieser von den Individuen als schlimmer noch als materielle Not<br />
erfahrenen Zerstörung von Subjektivität und nichtkapitalisierter Gesellschaftlichkeit ist das<br />
Verlangen nach Subjektivität, Sinn, Identität und Kollektivität, welches sich in der Rebellion<br />
äußerte, nur verständlich. Da sich die Häuserkampfbewegung sich mit einer gerade in der<br />
BRD befriedeten Arbeiterklasse (den "Normalos" ) konfrontiert sah und die nationalen<br />
Befreiungsbewegungen im Trikont als Identifikationsobjekte seit 1968 im Kurs gesunken<br />
waren, schienen die eigene "Identität" und "Kollektivität" das Einzige zu sein, auf was sich<br />
die Hoffnung auf eine grundlegende Umwälzung der Verhältnisse noch stützen konnte.