Beiträge zur Sozialen Phantasie
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nun schon seit längerem diskutiert wird (z.B. das Lupus-Papier), die verschärfte<br />
Repressionswelle der letzten Zeit, die in der Zwischenzeit an die Substanz nicht nur der<br />
radikalen Opposition geht, der Hungerstreik der GenossInnen aus der RAF, die Zunahme des<br />
braunen Gesindels, um nur einige Stichworte zu nennen. Erster Schritt um eine Perspektiven-<br />
Diskussion zu eröffnen wäre die Auseinandersetzung über das eigene Selbstverständnis. In<br />
der Zwischenzeit ist es fast schon <strong>zur</strong> Gewohnheit geworden, daß Diskussionen in einem<br />
größeren Spektrum sich entweder nur um taktische Fragen drehen (soll man sich bei der<br />
nächsten Demo nun vermummen oder nicht) oder in gegenseitigen Beschimpfungen enden.<br />
Wer kennt nicht die Plenen, wo man die Argumente genau so gut durchnummerieren könnte<br />
und mensch schon weiß was gesagt wird, bevor jemand den Mund aufmacht. D.h., die<br />
Auseinandersetzungen der-letzten Jahre wurden und werden weniger an sogenannten Inhalten<br />
(was immer das nun auch sein mag) als an moralischen Postulaten geführt (beliebtes Beispiel<br />
ist die MilitanzFrage). Die Diskussionen gehen dabei weniger darum, wann und wie und unter<br />
welchen Umständen Gewalt angewendet wird, welche taktischen und strategischen Kriterien<br />
dabei eine Rolle spielen, sondern ob mensch in Form eines Glaubensbekenntnisses<br />
dazugehört oder nicht. Einer der originellsten Höhepunkte dieser Form der<br />
Auseinandersetzung waren die Diskussionen über Antisemitismus, die sich zwischen den<br />
"pathologischen Stalinisten" und der "Staatsschutzlinken" auf dem Niveau des gegenseitigen<br />
Bewerfens mit Stinkbomben (bildlich wie symbolisch) abspielte. Kennzeichnend für diese Art<br />
der Auseinandersetzung ist die Reduzierung der Realität auf den eigenen Horizont, sei der<br />
nun idealistisch-philosphisch oder brachial praktisch. Es ist kaum mehr möglich, eine<br />
Auseinandersetzung zu führen, die die unterschiedlichen Ansätze und Wahrnehmungen der<br />
gegebenen Wirklichkeit noch zuläßt. Opportun scheint eher der Versuch, die Realität der<br />
eigenen Vorstellung anzupassen, in Glaubensbekenntnissen abzuspeichern und die deadline<br />
der Diskussion vor der eigenen Schuhspitze zu ziehen. Wohin derartige Formen der<br />
Auseinandersetzungen führen können, zeigen z.B. Ereignisse wie in Amsterdam oder auch<br />
gewisse historische Analogien. Die Sozialfaschismustheorie ist ein Gespenst, das die Linke<br />
nur allzu gut kennt.<br />
Eine Beispiel dafür waren auch im Vorfeld der IWF-Kampagne die Aussagen vieler<br />
Autonomer, der BUKO bzw. die Reformisten seien die eigentlichen Feinde etc. Ohne auch<br />
nur zu realisieren, welche Unterschiede es in dem breiten Spektrum dieser Gruppen gibt,<br />
welche politischen Positionen dort vertreten werden und ohne zwischen Basis und den<br />
Funktionären zu unterscheiden wurde eine völlige pauschale Verurteilung durchgeführt, die<br />
kaum mehr politisch sondern eher psychologisch noch zu begründen wäre. Entsprechend groß<br />
war auch das Erstaunen, als ein großer Teil der Aktionen genau von diesem Spektrum<br />
getragen wurde. Plötzlich war die Rede von einem großem politischen Erfolg, von dem<br />
breiten Zusammenkommen vieler unterschiedlicher Menschen und ähnlichem mehr.<br />
Die radikale Opposition hat bei diesem Niveau der Auseinandersetzung nicht viel zu<br />
gewinnen. Der Versuch, die Wirklichkeit einfacher zu machen als sie ist, sie auf "effiziente"<br />
Formeln zu reduzieren, wird auf lang oder kurz bei der Strafe des Untergangs zu<br />
Fehleinschätzungen der Wirklichkeit führen. Die Guerilla als pathologische Fälle zu<br />
bezeichnen, die Kritik an der Linken mittels der spärlichen Überbleibsel der kritischen<br />
Theorie als Staatsschutzpropaganda zu titulieren und ähnliche geistreiche Thesen mehr sind<br />
allgemein bekannte Beispiele. Die vorhandenen Widersprüche und gegensätzlichen<br />
Positionen sollen damit nicht zugekleistert werden - das einzige, was verlangt wird, ist eine<br />
offene Auseinandersetzung innerhalb der radikalen Linken.