Beiträge zur Sozialen Phantasie
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diffuse Mischung aus Subkultur, Theorieverschnitten und besagter Denunziation des Systems.<br />
Politik wurde und wird in "erster Person" gemacht und die eigene Subjektivität kurzerhand<br />
<strong>zur</strong> "revolutionären" erklärt. Diese Identifikation zwischen den eigenen Bedürfnissen und den<br />
politischen Forderungen war die eine Seite der Medaille - ein Rückschritt was,Organisierung,<br />
Verbindlichkeit und politische Schlagkraft angeht, ein Fortschritt aber gegenüber der<br />
Dogmatik der 70er. Auf dem Höhepunkt des Häuserkampfes 80/81 wurde der Versuch, die<br />
Revolte spontan zu organisieren und die eigenen Bedürfnisse zu integrieren, ansatzweise<br />
erfolgreich durchgeführt. Nachdem die Bewegung sich nicht mehr ausbreitete und politischmilitärisch<br />
zerbrochen wurde, griffen allerdings auch die Autonomen vermehrt ins survivalpackage<br />
für bewegungslose Zeiten. Heraus kam bei den verbliebenen Grüppchen ein mehr<br />
oder weniger starker Drang zum Griff nach den verschiedenen Sonderangeboten im<br />
Supermarkt der Revolutionstheorien. Von maoistischen Massenbewegungskonzepten über<br />
Leninistische Stellvertreterpolitik bis hin zu stalinistischen Tendenzen, das alles natürlich<br />
gemischt mit autonomem Männlichkeitswahn und "Fighter"-Allüren. Das Ganze wurde<br />
zusammengeklebt mit der aufkommenden Ideologie des "Bruchs mit dem System", dem<br />
Versuch, "Freiräume" durchzusetzen und dem zwanghaften Drang, sich in den Ghettos von<br />
der gesellschaftlichen Realität abzuschotten. Charakteristisch dabei ist auch die<br />
idealistische Denkweise, die eigentlich von ihrer Tradition her schon seit 150 Jahren überholt<br />
ist. Die illusionäre Annahme, der "gute Wille", "die gerächte Moral" und andere, z.B. nicht<br />
fremdbestimmte Formen des Zusammmenlebens würden schon ausreichen für die<br />
Umwälzung der Verhältnisse, ist idealistisches Gedankengut auf dem Stand von 1830. Die<br />
Verbindung politischer "Inhalte" mit subkulturellenElementen, die permanente Beteuerung<br />
der Subversivität der eigenen Identität deutet dabei eher auf die Ursprünge der Bewegung als<br />
auf eine mögliche Perspektive hin. Die ausschlaggebende Erfahrung der Entfremdung in der<br />
Warenwelt, die besonders in der Pubertät und Adoleszenz wahrgenommen wird, schlägt bei<br />
einigen Kids um in eine Kulturkritik, bei einem noch kleineren Teil führt sie <strong>zur</strong> Entwicklung<br />
einer politischen Reflexion ihres Selbstverständnisses. Die Tatsache, daß dieser "Luxus" überhaupt<br />
stattfindet und nicht frühzeitig beim doppelten Korn, RTLplus oder der Magisterarbeit<br />
endet, läßt sich wohl am ehesten aus der sozialen Herkunft des größten Teils erklären.<br />
Die sozialrevolutionäre Bewegung steht somit vor einem Dilemma: auf der einen Seite haben<br />
die traditionellen Konzepte versagt, der zunehmend totalitär werdende<br />
Vergesellschaftungsprozeß läßt fast ausschließlich Sozialcharaktere entstehen, die unfähig<br />
sind, die gesellschaftliche Realität noch ansatzweise zu erkennen, bzw. ihren verdinglichten<br />
Charakter noch zu durchschauen und ihn kollektiv aufzuheben. Es ist von daher kein Wunder,<br />
das die sozialrevolutionäre Bewegung heute auf einem derartig miesen und kläglichen Level<br />
vor sich hinwurstelt. Es ist somit weniger "Schuld" der Individuen, sondern Produkt des<br />
sozialen Verhängnisses. Aber, wie heißt's doch so treffend: "Je unmöglicher der<br />
Kommunismus wird, desto verzweifelter gilt es für ihn einzutreten". Oder: hier kann keiner<br />
was dafür, aber alle sind verantwortlich. Um richtig verstanden zu werden, es geht nicht um<br />
irgendwelche Schuldzuweisungen oder um Harmonisierung. Es geht darum, die Gründe für<br />
das bisherige Scheitern ausfindig zu machen, sie zu kritisieren und sie zu bewältigen. Der<br />
Zustand muß verändert werden, wenn er nicht in schlechter Weise sprich in einer Form der<br />
Barbarei - aufgehoben werden soll.<br />
II. Was tun, wenn's klemmt?<br />
Nach einigen Jahren der Stagnation scheint sich im Lande wieder was zu verändern. Die<br />
radikale Linke in der BRD muß sich aufgrund verschiedener Ereignisse wieder neu<br />
hinterfragen. Die Prozesse um die Startbahn-Bewegung, die Kritik an den Autonomen, die