Beiträge zur Sozialen Phantasie
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zunehmend unabhängig von sozialen Prozessen reflektiert. Gleichzeitig wird die<br />
Wahrnehmung immer stärker auf den schmalen Bereich einer formalen Logik und deren<br />
sinnlichen Vermittlung reduziert. Die Kids, die heute einen Großteil ihrer Sozialisation über<br />
Video erleben, der mittlere Angestellte, dessen Lebensbereich vom PC und KabelTV geprägt<br />
werden und der vor allem die visuelle Inszenierung der Realität auf dem Bildschirm für<br />
realistischer als die Realität selber hält, sind eher charakteristisch als die Ausnahme.<br />
Diese Veränderung des Massencharakters hat enorme Schwierigkeiten für die revolutionäre<br />
Perspektive <strong>zur</strong> Folge. Es stellt sich die Frage, wie eine Mobilisierung von Menschen möglich<br />
sein soll, die fast nicht mehr in der Lage sind, sich als solidarische Subjekte zu verhalten und<br />
die die Welt nur noch als Konsumerlebnis in Form von Videoclips, vermittelt durch Medien<br />
und herrschende Ideologie, wahrnehmen können.<br />
Die Entwicklung der Linksradikalen muß stark in diesem Kontext gesehen werden. Bestand<br />
Ende der 60er, Anfang der 70er noch eine reale Möglichkeit, die Krise des Systems<br />
zuzuspitzen, war dies bis Mitte der 70er erstmal zu Ende. Auf dem Höhepunkt (oder vielmehr,<br />
als dieser bereits überschritten war) der 68er Bewegung wurde versucht, die strategische<br />
Perspektive der Revolte als Organisationsfrage zu begreifen. Spätestens Mitte der 70er erwies<br />
sich dies als grandioser Fehlschlag. Der Versuch, mit Hilfe der Mottenkiste in Form<br />
archaischer Parteigründungsrituale und verstaubter ML-Konzepte die Revolution<br />
herbeizukonstruieren, scheiterte gänzlich. Knackpunkt bei dieser Entwicklung war dabei die<br />
Erfahrung von 77, die Niederlage und zeitweise Zerschlagung der bewaffneten Fraktion. Die<br />
Unterwerfungsrituale der reformistischen Linken vor den Vernichtungsplänen des<br />
bürgerlichen Staates im Ausnahmezustand leiteten anschließend den Über- bzw. Niedergang<br />
der Linken zu NSB, GRÜNEN, TAZ und ähnlichem mehr ein.<br />
Ausschlaggebend für den Umbruch in den 70er war aber vor allen Dingen der Verlust der<br />
zentralen Kategorie, wie sie bis dahin am Arbeitsbegriff wenigstens noch diskutiert wurde,<br />
sowie die Auflösung eines eindeutigen Konzepts und Subjekts innerhalb des Projektes der<br />
sozialen Revolution. Die letztendlich hilflosen Versuche, diese Entwicklung mit den<br />
Ladenhütern der Revolutionstheorien doch noch aufzuhalten, mußten folglich auch scheitern.<br />
In diesem Zusammenhang ist die Entstehung der Spontis, in der Weiterführung der<br />
subversiven Teile der 68er (und später die Autonomen) zumindest mal die Negation des<br />
Falschen, die Antwort also auf das Versagen der traditionellen Konzepte linksradikaler<br />
Politik, die den Menschen wieder nur zum Objekt eines allmächtigen Allgemeinen, in diesem<br />
Fall der Partei degenerieren ließen.<br />
Der Zusammenbruch des linksradikalen Weltbildes, die darauf einsetzende Degenerierung<br />
eines großen Teils der Linken <strong>zur</strong> Therapiebewegung und Reduzierung eines linken, ehemals<br />
revolutionären Selbstverständnisses <strong>zur</strong> Frage der Lebensphilosophie und des persönlichen<br />
Geschmacks läßt sich aber nicht allein mit dem Versagen der orthodoxen Konzepte erklären.<br />
Vielmehr muß dies im Zusammenhang gesehen werden mit den oben angedeuteten<br />
Veränderungen auf der ökonomischen, sozialen und psychischen Ebene. Das schließt die<br />
Unfähigkeit, diese noch zu reflektieren, mit ein.<br />
Die undogmatischen Teile der sozialrevolutionären Linken waren zu diesem Zeitpunkt<br />
entsprechend orientierungslos. Im Rahmen des Zerfallsprozesses der Linken und der<br />
Hinwendung zu den Neuen <strong>Sozialen</strong> Bewegungen bot sich erstmal nicht viel anderes an, als<br />
ein informeller Zusammenschluß zum Zwecke der Denunziation und der Sabotage am<br />
System. Die undogmatischen Linksradikalen in der BRD bestanden (und bestehen) zu Anfang<br />
der 80er ohne nennenswerte Form der Organisation. Verbindendes Moment war eher eine