Beiträge zur Sozialen Phantasie
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vorbeigehendes Konstrukt des "imperialistischen Gesamtsystems", ihre Reduktion der<br />
kapitalistischen Gesellschaft auf die subjektiven Machenschaften einiger Schweine ist nur die<br />
Kehrseite des Wahns von der "politischen Identität". Mensch kann deshalb nicht das<br />
Konstrukt des "imperialistischen Gesamtsystems" in Grund und Boden kritisieren und dabei<br />
das Gesabbel von der "politischen Identität" ungeschoren davonkommen lassen.<br />
3,2 Die Sabotage des Revolutionsbegriffs<br />
Daraus folgt nun auch, daß der/die Autonome keineswegs dieses selbstbewußte "Ich" ist, das<br />
sich in freier Entscheidung gegen die Zwänge "des Systems" auflehnt. Auch das<br />
rebellierendes Individuum ist Produkt der Verhältnisse, gegen die es sich auflehnt. Deswegen<br />
ist es auch durchaus legitim, in einer autonomen Selbstkritik mit dem Begriff des<br />
Sozialcharakters zu argumentieren. Nur in der Reflexion darauf, wie mensch selbst durch "das<br />
System" geprägt wird, liegt die Möglichkeit der Befreiung von dieser äußeren<br />
Determinierung. Hinter den vehementen Abwehrreaktionen gegen derartiges<br />
"Psychologisieren" steckt in letzter Instanz jedoch die Furcht des bürgerlichen Individuums,<br />
sich eingesehen zu müssen, daß es selbst gar nicht dieses freie, selbstbewußte Ich ist, das es<br />
gern wäre. Das, was im Akt der Revolution erst herzustellen wäre, die Möglichkeit freier,<br />
autonomer Entscheidung, soll dem autonomen Selbstverständnis nach immer schon gegeben<br />
sein. Damit wird die Notwendigkeit der Revolution selbst hintertrieben. Denn wenn die<br />
Möglichkeit freier Entscheidung immer schon gegeben ist, bleibt es völlig unerfindlich,<br />
warum die allermeisten Menschen in dieser Gesellschaft für ihre Unfreiheit und<br />
Unmündigkeit sich entscheiden - bzw. wenn sie das tun, was für ein Argument es überhaupt<br />
noch gäbe, gegen diese Entscheidung Einspruch zu erheben.<br />
3,3 Der Staatsbegriff<br />
Die Relevanz dieser etwas scholastische Argumentation wird sofort deutlich, wenn die<br />
Konsequenzen dieser Vorstellung für den Staatsbegriff der Autonomen untersucht werden. Da<br />
es schlechterdings unvorstellbar ist, daß sich freie Individuen für ihre eigene Unfreiheit<br />
entscheiden könnten, muß eine äußere Zwangsgewalt her, die jede freie Lebensäußerung<br />
unterdrückt. Der Staat erscheint dem/r Durchschnittsautonomen als reines<br />
Repressionsinstrument, der eigentliche Gegner, mit dem mensch es aufzunehmen hat. Das<br />
Funktionieren der kapitalistischen Ökonomie wird nur mehr als durch staatliche Gewalt<br />
aufrecht erhalten gedacht. Staat und Kapital verschwimmen zu einem undifferenzierbaren<br />
repressiven Gesamtkomplex, dem "Schweinesystem" eben, an dem es nichts mehr zu<br />
begreifen, aber alles anzugreifen gilt.