Beiträge zur Sozialen Phantasie
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männlichen Körpers und zerstören damit, was sie angeblich bezwecken: Liebe und Genuß in<br />
wechselseitiger Anerkennung.<br />
Wenn also Autonomie eine Bestimmung revolutionärer Praxis ist, dann gibt es keinerlei<br />
Garantie a priori für ihre Möglichkeit. Es läßt sich keine Ursache dafür angeben, warum<br />
Autonomie möglich sein soll - es sei denn, eine Aufzählung historisch vergangener Beispiele,<br />
was aber wiederum gar nichts beweist: denn wenn zwar Autonomie auch einmal möglich<br />
gewesen ist, so sagt das nichts darüber aus, ob sie in Zukunft wieder möglich sein wird. Jede<br />
Begründung der Autonomie zerstört sie. Sowohl das Denken in Ursache-Wirkungs-Ketten als<br />
auch ontologische Grundlegungen lösen die revolutionäre Spontaneität in die Notwendigkeit<br />
auf, die gerade zerstört werden soll - sie führen sie in den kapitalistischen Zwangscharakter<br />
gesellschaftlicher Reproduktion (Agnoli) <strong>zur</strong>ück.<br />
Das macht: Autonomie ist ein zerbrechlich Ding - oder vielmehr: Autonomie ist gar kein<br />
Ding, sondern eine bestimmte Verkehrsform von Individuen, die sich zum Zweck der<br />
Zerstörung jeglicher Herrschaftsverhältnisse assoziieren. Diese Verkehrsform ist nicht<br />
theoriefähig. Theorien lassen sich nur über solche Gegenstände ausarbeiten, die an sich selbst<br />
Existenz haben -, die als solche existieren. Autonomie ist kein solcher Gegenstand.<br />
Autonomie hat keine Existenz an sich. Sie ist nur insofern als die Menschen revolutionär tätig<br />
werden. Sobald sie damit aufhören, verschwindet auch Autonomie. Es ist klar, daß man über<br />
etwas, das es nicht gibt, keine positiven Aussagen machen kann. Man könnte nur. meinen,<br />
Autonomie sei also nur dann nicht, theoriefähig, wenn die Menschen nicht revolutionär<br />
handeln. Und man könnte gemäß den Regeln der formalen Logik im Umkehrschluß folgern:<br />
wenn die Menschen revolutionär handeln, gibt es Autonomie und wenn es sie gibt, dann ist<br />
sie auch theoriefähig.<br />
Mitnichten. Denn auch wenn Autonomie existiert, existiert sie eben nicht an sich, sondern nur<br />
als Modalität revolutionärer Praxis. Eine einfache Überlegung zeigt, welch außerordentliche<br />
praktische Bedeutung das hat. Nehmen wir also einen Augenblick an, es gäbe eine<br />
revolutionär Bewegung, deren Verkehrsform wesentlich durch Autonomie bestimmt ist.<br />
Worüber wird in solchen Situationen diskutiert? Nicht über die eigene Handlungsmodalität,<br />
sondern über das, was zu tun ist, über Strategie und Taktik, Mittel und Ziele usw. Die<br />
Aufmerksamkeit richtet sich auf den Gegenstand der Praxis, d.h. aufs Kapitalverhältnis, das<br />
zu zerstören ist. Der Bogenschütze konzentriert sich auf das Ziel, das er treffen will und nicht<br />
auf den Akt des Zielens. Dieser Akt existiert nur, wenn das Ziel anvisiert wird. Sobald die<br />
Aufmerksamkeit aber selbst Gegenstand der Aufmerksamkeit wird, wird das Ziel verfehlt.<br />
Die Aufmerksamkeit existiert nur solange wie man nicht auf sie aufmerksam wird. Eine<br />
Bewegung, die ihre eigenen Handlungsmodalitäten zum Gegenstand des Handelns macht,<br />
verkommt <strong>zur</strong> gruppentherapeutischen Mammutsitzung. Die Diskussionen werden dann<br />
abstrakt im schlechten Sinne, d.h. bodenlos leer. Ewig kreisen sie in ihrer sich selbst<br />
transparenten Immanenz und verfehlen daher systematisch die Wirklichkeit. Das<br />
Ghettosyndrom stellt sich ein. Ein Paradebeispiel für derartige Diskussionen ist die<br />
sogenannte Gewaltfrage. Hinterm weißen Rauschen der monoton wiedergekäuten<br />
Redefloskeln verschwindet die Melodie der herrschenden Verhältnisse, die doch gespielt<br />
werden soll, um sie zum Tanzen zu bringen. Gewalt, ein Mittel unter anderen und so<br />
alltäglich wie diese Gesellschaft, wird auf einmal zum Stein des Anstoßes, an dem die