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Beiträge zur Sozialen Phantasie

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nicht gemeint. Es kam zum Bruch zwischen Negri auf der einen und Hartmann und Roth auf<br />

der anderen Seite. In seinem Buch "Leben als Sabotage" rechnet Hartmann schonungslos mit<br />

den Alternativen ab und 'legt sich darüber Rechnung ab, wie sehr er sich in der<br />

Alternativbewegung getäuscht hat: "Noch nie habe ich so intensiv miterlebt, daß Geschichte<br />

eine ganz andere Bedeutung haben kann, als wie sie sich in ihren Trägern verbal artikuliert. (<br />

... ) Aber der Sinn dessen, was man tut und was man denkt, läßt sich selten aus den bewußten<br />

Intentionen erschließen." (S.111) Wie wahr.<br />

Umso mehr überrascht es, daß die philosophischen Neuansätze von Negri und Hartmann sich<br />

wie ein Ei dem anderen gleichen. Es ist der Übergang vom autonomen Bedürfnisfetischismus<br />

<strong>zur</strong> autonomen Lebensphilosophie, wie Hartmann sie in "Leben als Sabotage" und Negri in<br />

zwei Aufsätzen aus dem bereits erwähnten Band "Macchina Tempo" formulieren:<br />

"Archäologie und. Projekt. Vom Massenarbeiter zum gesellschaftlichen Arbeiter" und "Praxis<br />

und Paradigma" - beide 1981 geschrieben.<br />

VI. Die autonome Lebensphilosophie I: Negri<br />

Zunächst zu Negri. Wie der Titel eines der genannten Aufsätze sagt, spricht Negri auch jetzt<br />

noch von gesellschaftlichem Arbeiter. Das darf jedoch nicht darüberhinwegtäuschen, daß<br />

Negri fast unmerklich die Bedeutung dieses Begriffes verschieb.<br />

In den70er Jahren bezog er sich noch auf den sozialen Krieg, der. die jungen Proletarier<br />

zusammen mit den Hausfrauen vorwiegend in der Zirkulationssphäre organisierten. Es sind<br />

dies die verschiedenen Formen, sich den gesellschaftlichen Reichtum ohne Umweg über den<br />

Geldbeutel direkt anzueignen, wobei der proletarische Masseneinkauf an hervorragender<br />

Stelle stand. Nach der Niederlage dieser Bewegung, die als 77er Bewegung bekannt ist -<br />

nachdem tausende autonomer Aktivisten einbetoniert worden waren, blickte nicht nur Negri<br />

immer sehrsüchtiger nach Deutschland. "Ich' habe den Eindruck, daß die bundesdeutsche 68er<br />

Bewegung im Vergleich zu dem, was die 68er Studenten- und Arbeiterbewegung in Italien<br />

war, von einem wesentliche höheren Niveau ausging”. (Dall'operaio massa ... 97) Jahrelang<br />

war man hierzulande der entgegengesetzten Ansicht - und auf einmal scheint sich alles<br />

umzudrehen. Als nach dem Deutschen Herbst '77, in dem die hiesige Linke sich mit<br />

staatstreuen Glaubensbekenntnissen und Distanzierungserklärungen vor. der RAF nur so<br />

überschlug, als nach dem Deutschen Herbst die Linken all das realisierten, was es an ‘68 zu<br />

kritisieren gibt und schleunigst <strong>zur</strong> grünen Parteigründung sich aufmachten, da kündigte sich<br />

eine gewaltige Revision der eigenen Geschichtsschreibung an - mit dem Resultat, daß heute<br />

allgemein anerkannt ist, was linke Grüne sich gerne einbilden, nämlich daß sie die legitimen<br />

Alleinerben von '68 seien. Und angesichts ihrer quantitativen Erfolge wurde auch das grüne<br />

Modell Deutschland zum Exportschlager. Heutzutage schielt man in der italienischen<br />

Diskussion mehr oder weniger neidisch auf die BRD und Negri brachte das in einem<br />

Interview mit "Le Monde" (3.7.1984, S.3) auf den Punkt: "Im Gefängnis haben wir unsere<br />

eigene Selbstkritik, bestimmte Praktiken ideologisch unterstützt zu haben, gemacht. Illegale<br />

Fabrikbesetzungen, Diebstähle, Aneignungen: wir waren vielleicht zu extremistisch, und das<br />

hat uns daran gehindert, eine wirkliche Alternativbewegung zu schaffen, wie das die Grünen<br />

in Deutschland gemacht haben, die sich in Europa am besten über die Runden brachten. Wir

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