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information & bildung<br />
In unseren Wohnzimmern:<br />
Die digitale Invasion<br />
SEIT EINEM JAHR IST NICHTS MEHR, WIE ES WAR. DIE WELTWEITE PANDEMIE HAT<br />
KOMMUNIKATION UND BILDUNG EINEN NEUEN NAMEN GEGEBEN: DIGITAL TIME!<br />
DI Roswitha Wurm<br />
Dipl. Lerndidaktikerin<br />
Lese- und Rechtschreibtrainerin,<br />
Kinderbuchautorin<br />
Interaktive Lesungen<br />
an Schulen buchbar unter:<br />
www.lesenmitkindern.at<br />
Zu Beginn des Lockdowns empfanden<br />
wir alle die medialen Anforderungen<br />
als Zumutung. Mit der Zeit<br />
gewöhnten wir uns an den allgegenwärtigen<br />
Einsatz von Smartphone, Tablet<br />
und Laptop. Mitunter sind wir sogar begeistert,<br />
was man damit alles machen kann:<br />
die Schule und den Gitarrenlehrer an den<br />
Esstisch einladen, die weit entfernt lebenden<br />
Verwandten kurzfristig und ohne die ganze<br />
Wohnung auf Hochglanz zu bringen zu<br />
einem digitalen Kaffeeklatsch ins Wohnzimmer<br />
holen.<br />
SCHULE GOES DIGITAL<br />
Digitaler Heimunterricht zeigt die Grenzen<br />
des Lernens in Eigenregie auf. Gute SchülerInnen<br />
tun sich damit nicht schwer und<br />
schätzen die scheinbare Freiheit, die sie<br />
damit genießen. Je schwerer ein Kind jedoch<br />
lernt, desto mehr benötigt es Anleitung,<br />
Strukturierung, Unterstützung und auch Aufmunterung<br />
durch eine Lehrerin oder einen<br />
Lehrer. Der bekannte Hirnforscher<br />
Dr. Manfred Spitzer erklärt: „Aus sehr vielen<br />
Studien weiß man schon lange, dass digitale<br />
Medien die Kluft zwischen starken und<br />
schwachen Schülern nicht verkleinern, wie<br />
oft behauptet wird, sondern vergrößern. Die<br />
Kluft zwischen den guten und schwachen<br />
Schülern nimmt daher gerade jetzt in der<br />
Coronakrise stark zu.“ Dieses Phänomen<br />
erklärt der Wissenschaftler mit der Tatsache,<br />
dass Krisenzeiten extrem gute und extrem<br />
schlechte menschliche Verhaltensweisen<br />
hervorbrächten. Dies hänge davon ab, was<br />
im Menschen bereits vorhanden wäre,<br />
denn „hervorbringen“ bedeute „ans<br />
Tageslicht bringen“ und nicht „neu<br />
schaffen“.<br />
FÖRDERPÄDAGOGIK IM TEST<br />
Als Legasthenie- und Dyskalkulietrainerin<br />
habe ich die Erfahrung gemacht: Ein<br />
gutes Sprach-, Lese- und Rechtschreibtraining<br />
funktioniert zwar bis zu einem<br />
gewissen Maße online, jedoch kann es<br />
niemals ein Training vor Ort ersetzen,<br />
in dem mit „angreifbaren“ Lernmaterialien<br />
gearbeitet werden kann. Die<br />
meisten Betroffenen bevorzugen „Learning<br />
by doing“: Wörter werden nicht<br />
nur einfach gelesen und aufgeschrieben,<br />
sondern müssen im wahrsten Sinn<br />
des Wortes mit Holzbuchstaben, Knete,<br />
Sandwanne und anderen Hilfsmitteln<br />
begriffen werden. Dies funktioniert<br />
über online Schulunterricht nicht. Kinder<br />
mit Lerndifferenzierungen sollten<br />
auch in der Zeit des Heimunterrichtes<br />
fachliche Hilfe bekommen, um negative<br />
Langzeitfolgen zu vermeiden.<br />
DAUERGAST SMARTPHONE<br />
Steter Smartphonegebrauch in Familien<br />
bewirkt, dass weniger kommuniziert<br />
wird: sowohl tatsächlich als auch non<br />
verbal. Dadurch bekommen Kinder<br />
nicht genügend Beachtung, Aufmerksamkeit<br />
und Augenkontakt von ihren<br />
Bezugspersonen. Vergessen wir nie:<br />
Kinder sind wie ein Spiegel, auch der<br />
4 | <strong>MÄRZ</strong> <strong>2021</strong>