Gsungen&Gspielt 02/2020
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STELLT´S ENK VOR
LEBENDIGES KULTURERBE
FEDERKIELSTICKEREI
2019 hat die österreichische UNESCO-Kommission die Federkielstickerei
in das Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes aufgenommen, das charakterisiert
wird als „lebendig und an Menschen gebunden, die es ausüben
und kreativ weiterentwickeln“. Es sind nicht zuletzt die Vereine, Volkstanzund
Volksmusikgruppen, die zum Fortbestand des Federkielstickens beitragen.
Text: Miriam Bacher
Aus der Tradition gewachsen
Die Tradition des Federkielstickens,
die sich über etwa 230 Jahre bis ca.
1790 zurückverfolgen lässt, besteht
in Oberösterreich, Salzburg, Tirol, der
Obersteiermark, Bayern und Südtirol.
Hier hat das Kunsthandwerk vor allem
im Sarntal Fuß gefasst, wo es 2020
noch vier Betriebe verzeichnet neben
je einem weiteren in Meran, Brixen,
Rasen und Prags.
Das bekannteste Produkt aus den
Werkstätten der Federkielsticker ist
Sarner Fatsch, Federkielfäden und Nähross. Sarntal, 1951. SVM,
Fotoarchiv Erika Groth-Schmachtenberger, Inv.-Nr. 003343.
der Bauchgurt, aber auch Frauengürtel,
Trachtenschuhe, Glockenriemen und
Gebrauchsgegenstände wie Zaumzeug
oder Jagdzubehör wurden verziert. In
den vergangenen Jahrzehnten wurde
das Sortiment an Trachtenaccessoires
ausgebaut und an einen erweiterten
Kundenkreis angepasst: Großer Beliebtheit
erfreuen sich die bestickten
Geldtaschen. Darüber hinaus macht
die Restaurierung historischer Stücke
einen Teil der Arbeiten aus.
Stich für Stich
Eine überschaubare Ausstattung genügt
dem Federkielsticker und der Federkielstickerin,
um aus Pfauenfedern
Federkielstickerin bei der Arbeit,
Sarnthein, 1966. SVM, Fotoarchiv Erika
Groth-Schmachtenberger, Inv.-Nr. 003429.
und Leder ein Kunstwerk zu schaffen.
Zu den wichtigsten Vorbereitungsarbeiten
gehört das Spalten der Federkiele
und das Übertragen des Musters
auf das Leder. Der eigentliche Stickvorgang
beginnt, sobald das Leder in
das Nähross geklemmt wird: mit der
Ahle ein Loch stechen und den Federkielfaden
mit der Hand durchziehen.
In dieser Reihenfolge geht es weiter,
Millimeter für Millimeter, Stich für
Stich.
Die Mannsgurten
Die handgefertigten Unikate waren
kostspielig, weshalb sie sich zum
Statussymbol kaufkräftiger Kunden
entwickelten. Im Lauf der Zeit sind
sie fester Bestandteil vieler Männertrachten
geworden und es haben sich
verschiedene Formen herausgebildet,
in Südtirol z. B.:
• Die Sarner Fatsch ist gekennzeichnet
von strengen, einfachen
Formen, aber sehr feiner Federkielstickerei.
Sie weist mehrreihige
Bordüren und Prägungen in den
unbestickten Flächen auf, wird am
Rücken mit einer Messingschnalle
verschlossen und in Kombination
mit ledernen, bestickten Hosenträgern,
der Krax, getragen.
• Die Eisacktaler Marktfatschen
sind Lederschläuche, in denen
Geld und Wertsachen verwahrt
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G‘SUNGEN & G‘SPIELT | 45. JAHRGANG | HEFT 02 | JUNI 2020