Gsungen&Gspielt 02/2020

tirolervolksmusikverein
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INT´RESSANTERWEISTIROLER VOLKSLIEDARCHIV –VEREIN TIROLER VOLKSLIEDWERKNoten über Noten, 70.000 Belege zum Thema Volksmusik, Regale voll mit Büchern, CDs, Kassetten, Schallplattenund vieles mehr gibt es im Tiroler Volksliedarchiv zu entdecken. Seit 2007 ist die seit 1905 bestehende Einrichtungbei den Tiroler Landesmuseen angesiedelt und Archivleiterin Dr. Sonja Ortner und Mitarbeiterin Mag. Gerti Heintschelstehen Interessierten gerne mit Rat und Tat zur Seite. G’sungen & G’spielt hat den beiden Damen vor einigerZeit einen Besuch abgestattet und jede Menge Wissenswertes über ihre Arbeit in Erfahrung bringen können.Text: Peter Margreiter | Fotos: Tiroler VolksliedarchivPeter Margreiter: Liebe Sonja Ortner,welche Art von Dienstleistungen stellt ihrVolksmusikinteressierten zur Verfügung?Sonja Ortner:Im Volksliedarchiv kann man zum Beispielnach bestimmten Liedern suchen,egal, ob es sich um konkrete Titel odergenerell eine Gattung wie Alm- oderWeihnachtslieder handelt. Auch Instrumentalnotenin den unterschiedlichstenBesetzungen gibt es bei uns. Wir könnendazu Tonaufnahmen, Noten oder Textezur Verfügung stellen und auch per Postoder Mail zusenden. Außerdem veröffentlichenwir selbst regelmäßig Notenhefteund CDs, in der Regel mit Material ausunseren (Feld-)Forschungen.PM: Liebe Gerti Heintschel, wer sinddenn eure Kundschaften, wer kommt zueuch ins Volksliedarchiv und nimmt euerService in Anspruch?Gerti Heintschel: Das ist ganz unterschiedlich.Da kommt derjenige, dernicht mehr weiß, wie die nächste Stropheeines Liedes geht, oder jemand, derein Musikstück sucht für seinen nächstenAuftritt, ebenso wie ein Musikschullehrer,der Stoff für seine Schüler benötigt.Unser Archiv nutzen auch Studenten, dieeine wissenschaftliche Arbeit schreibenund Literatur oder alte Quellen einsehenmöchten. Das Publikum reicht von Jungbis Alt, von demjenigen, der einfach nurgern singt oder etwas anhören möchte, biszu dem, der über Musik schreibt.PM: Sonja Ortner, wie umfangreich isteure Sammlung? Ist einiges an Notenmaterialüber die Jahrzehnte, Jahrhunderte,wenn man so sagen darf, erhalten gebliebenoder ist auch einiges verloren gegangen?SO: Die Tiroler Sammlungen galten alsdie reichhaltigsten aller Kronländer derHabsburgermonarchie. Ein Großteil davonist noch vorhanden und liegt bei unsim Archiv. Natürlich ist während desZweiten Weltkriegs einiges verloren gegangen,etwa im Zuge von "Rettungsaktionen"der Bestände.„Kurios ist die Tatsache,dass Liedaufzeichnungen,die im Paulinum in Schwazuntergebracht waren, alsKlopapier verwendetwurden.“Die Räumlichkeiten des Volksliedarchives im Tiroler Landesmuseum(Foto: Tiroler Volksliedarchiv/Tiroler Landesmuseen)Teile der Sammlung verbrannte mannach dem Krieg am Landhausplatz alsNazi-Kulturgut, da Volksmusik und-lied vom nationalsozialistischen Regimevereinnahmt und instrumentalisiertwurden.PM: Das heißt, es ist wissenschaftlichbewiesen, dass bei uns in Tirol immerschon viel gesungen worden ist?SO: Ja, so kann man das interpretieren.Aus Quellen des frühen 20. Jahrhundertsgeht immer wieder hervor, wie großartighierzulande gesammelt wurde; und ichmuss sagen, wir haben natürlich auchganz engagierte Mitarbeiter in Tirol gehabt,wie zum Beispiel Leopold Pirkl. Erwar Angestellter der Schwazer Tabakfa-16G‘SUNGEN & G‘SPIELT | 45. JAHRGANG | HEFT 02 | JUNI 2020

INT´RESSANTERWEISbrik und hat in seiner Freizeit leidenschaftlichgern Volkslieder aufgezeichnet.Man muss sich vorstellen, er hatzwischen 1906 und 1913 über 6.000 Liederzusammengetragen – und die meistenmit Melodie! Wir sind gerade dabei,eine Auswahl aus dieser Sammlung herauszugeben.Die knapp 30 Lieder, dieman dann hoffentlich wieder vermehrtLiederKostBar – Aus Tirol um 1900(Sammlung Leopold Pirkl), erhältlich in allenShops der Tiroler Landesmuseen und beimTiroler Volksliedarchiv (Foto: Tiroler Volksliedarchiv/TirolerLandesmuseen)Im Volksliedarchiv wird Gedrucktes aller Art gesammelt, bis zurück ins frühe 19. Jahrhundert: vonLiederbüchern, -heften und -blättern bis zu Abbildungen von (National-)Sängergruppen und Eintrittskartenzu deren Konzerten. (Foto: Tiroler Volksliedarchiv/Tiroler Landesmuseen)hören wird, wurden dafür in moderneNotenschrift übertragen.PM: Liebe Sonja, du hast den Begriff„Feldforschung“ erwähnt. Was kannman sich darunter vorstellen?SO: Das bedeutet, dass wir Sänger undMusikanten zu Hause aufsuchen, zumBeispiel, wenn uns ein Tipp gegebenwird, dass jemand viele Lieder kenntoder Stücke aus der Überlieferung spielt.Der Sinn von dem Ganzen ist, dass manLied- und Musiziergut auf diese Weiseerhält und gleichzeitig die regionaleVolkskultur – die Seele einer Landschaft– dokumentiert.PM: Das heißt, ihr wärt auch um Hinweisefroh, wenn jemand eine Gruppeoder einen Sänger, eine Sängerin kennt,die/der Lieder singt, die man so nichtmehr hört?SO: Ja, richtig. Wir gehen jedem Hinweisnach und sind natürlich auch froh,G‘SUNGEN & G‘SPIELT | 45. JAHRGANG | HEFT 02 | JUNI 2020 17

INT´RESSANTERWEIS

TIROLER VOLKSLIEDARCHIV –

VEREIN TIROLER VOLKSLIEDWERK

Noten über Noten, 70.000 Belege zum Thema Volksmusik, Regale voll mit Büchern, CDs, Kassetten, Schallplatten

und vieles mehr gibt es im Tiroler Volksliedarchiv zu entdecken. Seit 2007 ist die seit 1905 bestehende Einrichtung

bei den Tiroler Landesmuseen angesiedelt und Archivleiterin Dr. Sonja Ortner und Mitarbeiterin Mag. Gerti Heintschel

stehen Interessierten gerne mit Rat und Tat zur Seite. G’sungen & G’spielt hat den beiden Damen vor einiger

Zeit einen Besuch abgestattet und jede Menge Wissenswertes über ihre Arbeit in Erfahrung bringen können.

Text: Peter Margreiter | Fotos: Tiroler Volksliedarchiv

Peter Margreiter: Liebe Sonja Ortner,

welche Art von Dienstleistungen stellt ihr

Volksmusikinteressierten zur Verfügung?

Sonja Ortner:

Im Volksliedarchiv kann man zum Beispiel

nach bestimmten Liedern suchen,

egal, ob es sich um konkrete Titel oder

generell eine Gattung wie Alm- oder

Weihnachtslieder handelt. Auch Instrumentalnoten

in den unterschiedlichsten

Besetzungen gibt es bei uns. Wir können

dazu Tonaufnahmen, Noten oder Texte

zur Verfügung stellen und auch per Post

oder Mail zusenden. Außerdem veröffentlichen

wir selbst regelmäßig Notenhefte

und CDs, in der Regel mit Material aus

unseren (Feld-)Forschungen.

PM: Liebe Gerti Heintschel, wer sind

denn eure Kundschaften, wer kommt zu

euch ins Volksliedarchiv und nimmt euer

Service in Anspruch?

Gerti Heintschel: Das ist ganz unterschiedlich.

Da kommt derjenige, der

nicht mehr weiß, wie die nächste Strophe

eines Liedes geht, oder jemand, der

ein Musikstück sucht für seinen nächsten

Auftritt, ebenso wie ein Musikschullehrer,

der Stoff für seine Schüler benötigt.

Unser Archiv nutzen auch Studenten, die

eine wissenschaftliche Arbeit schreiben

und Literatur oder alte Quellen einsehen

möchten. Das Publikum reicht von Jung

bis Alt, von demjenigen, der einfach nur

gern singt oder etwas anhören möchte, bis

zu dem, der über Musik schreibt.

PM: Sonja Ortner, wie umfangreich ist

eure Sammlung? Ist einiges an Notenmaterial

über die Jahrzehnte, Jahrhunderte,

wenn man so sagen darf, erhalten geblieben

oder ist auch einiges verloren gegangen?

SO: Die Tiroler Sammlungen galten als

die reichhaltigsten aller Kronländer der

Habsburgermonarchie. Ein Großteil davon

ist noch vorhanden und liegt bei uns

im Archiv. Natürlich ist während des

Zweiten Weltkriegs einiges verloren gegangen,

etwa im Zuge von "Rettungsaktionen"

der Bestände.

„Kurios ist die Tatsache,

dass Liedaufzeichnungen,

die im Paulinum in Schwaz

untergebracht waren, als

Klopapier verwendet

wurden.“

Die Räumlichkeiten des Volksliedarchives im Tiroler Landesmuseum

(Foto: Tiroler Volksliedarchiv/Tiroler Landesmuseen)

Teile der Sammlung verbrannte man

nach dem Krieg am Landhausplatz als

Nazi-Kulturgut, da Volksmusik und

-lied vom nationalsozialistischen Regime

vereinnahmt und instrumentalisiert

wurden.

PM: Das heißt, es ist wissenschaftlich

bewiesen, dass bei uns in Tirol immer

schon viel gesungen worden ist?

SO: Ja, so kann man das interpretieren.

Aus Quellen des frühen 20. Jahrhunderts

geht immer wieder hervor, wie großartig

hierzulande gesammelt wurde; und ich

muss sagen, wir haben natürlich auch

ganz engagierte Mitarbeiter in Tirol gehabt,

wie zum Beispiel Leopold Pirkl. Er

war Angestellter der Schwazer Tabakfa-

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