Cimbernland Jubiläumsausgabe 1969-2019
Cimbernland Jubiläumsausgabe zum 50-jährigen Gründungsjubiläum des Bayerischen Cimbern-Kuratoriums
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AUS DEN SPRACHINSELN
Neben dieser amtlichen Einmischung hat sich das Fernsehen seit 1970 im Tal ausgebreitet;
italienische, österreichische und (auf Kabel) deutsche Programme werden angeschaut,
es kommt eine wöchentliche Nachrichtensendung auf Fersentalerisch.
Ein völlig neuer Faktor, der sich nach einer Studie von Federica Cognola (2011) auf
den Spracherhalt der Kinder negativ auswirkt, ist der Kindergarten. Den gab es in den
Siebzigern schlicht nicht.
Aus wirtschaftlicher Sicht fällt auf, dass es im Fersental immer noch verhältnismäßig
viele Landwirte gibt, einige natürlich im Nebenerwerb. Statt Getreide werden jetzt Erdbeeren
und ähnliche Früchte angebaut. Zwar sind manche Wiesen dem Jungwald gewichen,
aber Wiesen und Weiden gibt es noch genug. Schon in den 1970er Jahren pendelten
manche in die Arbeit nach Pergine oder Trient; das hat sich auch nicht geändert. Zugenommen
hat die Zahl der Touristen, aber es sind meist Tagesausflügler.
Gestatten Sie mir zum Schluss ein paar Bemerkungen zur Sprache: In der Grammatik
fallen mir nur wenige Veränderungen auf. Vor allem hat sich als Regularisierung die Suffigierung
der Modalverben und Präteritopräsentia in der 3. Person Singular fast überall
durchgesetzt.
Man sagt nicht mehr „er boas“, „er muas“, „er khonn“ (‘er weiß’, ‘er muss’, ‘er kann’),
sondern „er boast“, „muast“, „er konnt“. Im Wortschatz war mehr Bewegung. Mit der
neuen Baukultur geraten Wörter wie hal für die ‘Feuerkette über dem offenen Herd’ in
Vergessenheit; die moderne Bauweise und ihre Einrichtungsgegenstände werden italienisch
in trentinischer Ausprägung benannt. Waren Übernahmen aus der italienischen
Schriftsprache in den 1970er Jahren noch eher selten, begegnen sie mir jetzt auf Schritt
und auf Tritt. Um dieser Tendenz im Amtsverkehr zu begegnen, hat das Kulturinstitut
eine Übersetzungsliste von Amtstermini erarbeitet, die oft in Anlehnung an ein in Südtirol
verwendetes Verzeichnis deutsch angehaucht sind. Für solche Wörter habe ich den –
hoffentlich anerkennenden – Namen leonogismi gehört, weil ein Institutsmitarbeiter mit
Vornamen Leo maßgeblich an der Ausarbeitung beteiligt war.
Zum Schluss bleibt mir das große Vergnügen, mich bei allen Fersentalern, und insbesondere
beim Kulturisntitut Bersntol und Leo Toller, für diese langjährige Beziehung zu
bedanken.
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