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Cimbernland Jubiläumsausgabe 1969-2019

Cimbernland Jubiläumsausgabe zum 50-jährigen Gründungsjubiläum des Bayerischen Cimbern-Kuratoriums

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AUS DEN SPRACHINSELN

mie der Wissenschaften ordnete mich sogar

vier Wochen für das Projekt an das Kulturinstitut

in Palai ab. Während dieser Zeit konnte

ich zusammen mit Erich Seidelmann eine

Dialektaufnahme in Eichleit machen, dessen

Variante ich nicht so gut kannte wie die der

anderen Sprachinseldörfer Florutz und Palai.

Mein Beitrag zum Normierungsprojekt war

die Koordination der Arbeitsgruppe und die

zielgerichtete Zusammenschau unserer Ergebnisse,

die 2003 als Grammatik „Liacht

as de sproch“ (Rowley 2003) veröffentlicht

wurde. Präskriptiv ist nur der Orthographieteil,

ansonsten bemühten wir uns deskriptiv

um eine aktuelle Bestandsaufnahme. Wissenschaftlich

begleitet wurden wir von den

Professoren Willi Mayerthaler (Klagenfurt)

und Guntram Plangg (Innsbruck), denen

Hans Tyroller und ich in einer Reihe von

Zusammenkünften unsere Fortschritte vorgestellt

haben. Ich habe bereits über unsere

Lösung und über Probleme, ja Widerstände

bei der Durchsetzung berichtet (Rowley

2012), aber da war ich schon nur mehr als

Beobachter am Rande beteiligt. Aus der damaligen

Arbeitsgruppe sind übrigens einige

hochmotivierte und entschiedene Verfechter

des Fersentalerischen hervorgegangen.

Die Arbeit an der Normierung riss mich

aus der sehr angenehmen Rolle des teilnehmenden

Beobachters. Jetzt wurde ich

selbst zu einem sprachpolitisch Agierenden

– eine Rolle, die mir nicht so behagte. Die

Rechtschreibfestlegung rief ja Widerstände

hervor. Glücklicherweise wusste ich die

Arbeitsgruppe und die Beschäftigten des

Kulturinstituts auf meiner Seite. Ohne die

Unterstützung des Kulturinstituts hätten wir

es nie geschafft.

Im Verlaufe der Arbeiten an der Normgrammatik

ist eine große lexikalische Datenbank

entstanden, deren Online-Publikation

begonnen wurde, bis dann die Arbeiten

aus orthographiepolitischen Gründen einstweilen

eingestellt wurden. Man findet auf

der Homepage des Kulturinstituts einen

Ausschnitt dieser Sammlung. Das ist ein

Schatz, aus dem das Kulturinstitut meiner

Meinung nach noch viel machen könnte.

In meiner Bayreuther Zeit gehörte ich

zu den Gründungsmitgliedern der Johann

Andreas Schmeller Gesellschaft e.V. und

lernte, die Arbeiten dieses Gründers unseres

Faches Dialektologie sehr zu schätzen.

Dass Schmeller die zimbrischen Sprachinseln

erforscht hat, ist bekannt, weniger

aber sein Beitrag zum Fersentalerischen.

Um alle Quellen für den Wortschatz des

Fersentals zu erschließen, habe ich unter

anderem auch unveröffentlichte Unterlagen

aus dem Nachlass Johann Andreas Schmellers

gesichtet und seine Notizen über das

Fersentalerische aus dem Jahr 1833 ediert

(Rowley 2010).

In den 1980er Jahren richtete das Kulturinstitut

auch einen wissenschaftlichen

Beirat ein, zu dessen Mitglied ich ernannt

wurde. Es ging hier zusammen mit Birgit

Alber von der Universität Verona oft um

Überzeugungsarbeit für die neue Rechtschreibung.

Nach ein paar Jahren hat man

erfreulicherweise auch in Italien Fachkollegen

gefunden, die diese Rolle übernahmen

– etwa Federica Ricci Garotti und Ermenegildo

Bidese aus Trient, Giuliana Sellan und

Birgit Alber aus Verona. So kann ich mich

wieder mehr auf die mir liegende Rolle des

teilnehmenden Beobachters zurückziehen.

Was hat sich in diesen 40 Jahren im Fersental geändert?

Rein äußerlich bietet das Tal jetzt ein modernes

Bild. Ich durfte noch letzte Reste der

herkömmlichen Lebensweise mit erleben.

Traditionelle Wohnküchen, haus genannt,

mit Lüftung durch die Türöffnung, mit offenem

Herd, über dem die luganenghe, die

Würste, zum Räuchern hingen, waren in

den 1970er Jahren schon selten. An kalten

Wintertagen war der Explorator nach der Befragung

in so einem Raum genauso geräu-

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