Cimbernland Jubiläumsausgabe 1969-2019
Cimbernland Jubiläumsausgabe zum 50-jährigen Gründungsjubiläum des Bayerischen Cimbern-Kuratoriums Cimbernland Jubiläumsausgabe zum 50-jährigen Gründungsjubiläum des Bayerischen Cimbern-Kuratoriums
AUS DEN SPRACHINSELNAbb. 4:, H. Tyroller, L.M. Eichinger und A. Rowleymit Studenten auf Exkursion in Florutz 1985.im Herbst1978 in Sant’Orsola im Fersental,wo endlich alle einschlägig Interessierten –Historiker, Ethnologen und Linguisten – zusammengeführtwurden (Publikation Pellegrini/Gretter1989).Grammatik und Wörterbuch erschienen ineiner Zeit, als ich in Bayreuth bereits andereProjekte verfolgte. Robert Hinderling hattebei der „Deutschen Forschungsgemeinschaft“erfolgreich ein Sprachminderheitenprojekteingereicht – da sollte ich die NordsprachpolitischenAspekte der TrentinerSprachminderheiten mit untersuchen (Rowley1996) – und wir begannen uns intensivfür die Mundarten Nordostbayerns zu interessieren.So kam es, dass ich zwar immerwieder privat das Fersental besuchte, oftmit Familie, und alte Kontakte pflegte, aberkaum mehr darüber publizierte.Nur einmal, im Jahr 1985, boten LudwigEichinger und ich an der UniversitätBayreuth gemeinsam ein Proseminar„Sprachminderheiten in Mitteleuropa“ mitExkursion ins Fersental an. Erst eine Exkursiondes Münchner „Vereins der FreundeSüdtiroler Museen und Sammlungen“ imJahr 1994 führte mich länger wieder hin.Der Museumsverein hatte mir die Reiseleitungangetragen, und seitdem habe ichauch Gruppen des „Bayerischen Cimbern-Kuratoriums“ und Studenten der MünchnerLudwig-Maximilians-Universität ins Talgeführt. Bei dieser ersten Fahrt lernte ichdie Mannschaft des neuen „KulturinstitutBersntol“ (damals noch zusammen mitLusern) kennen und insbesondere denwissenschaftlichen Fachreferenten LeoToller. Das Kulturinstitut war durch einGesetz aus dem Jahr 1987 entstandenund wurde allmählich mit Leben gefüllt.Das war der Anfang meiner zweiten produktivenPhase bei der Beschäftigung mitdem Fersentalerischen. Aus diesem erstenTreffen entstand der Plan, zusammen dashandschriftliche Fersentaler Wörterbuchvon Don Giacomo Hofer zu veröffentlichen(Hofer 2004). Und der Minderheitenreferentder Region Trentino-Südtirol dottoreDavide Zaffi beantragte in dieser Zeit beider Europäischen Union ein Projekt zurKodifizierung des Fersentalerischen unddes Lusernischen.Inzwischen galt ich für die Kulturbürokratieals Experte. Ich war nicht mehr derarme Student, sondern etablierter Dialektologeund außerplanmäßiger Professorin München. Mein Freund Hans Tyroller,der damals oft in der NachbarsprachinselLusern weilte, vermittelte den Kontakt,und dottore Zaffi bat mich, das FersentalerTeilprojekt zu leiten. Tyroller übernahmdas Luserner Projekt . Wir begannen 1997mit der Arbeit. Hier waren die sehr gutenBeziehungen zum Kulturinstitut wirklichvon großer Bedeutung. Wir richteten amKulturinstitut eine Arbeitsgruppe mit Teilnehmernaus allen Fersentaler Gemeindenein und begannen mit der Arbeit, eineNormgrammatik zu entwerfen. Die Teilnehmer,meist junge Frauen ohne inguistischeVorbildung, hatten großes Interesseund hohe Motivation. Sie wünschten ihrerMuttersprache mehr öffentlichen Raumund waren von der Notwendigkeit einerNormierung überzeugt.Ich verbrachte meine Wochenenden in Tal,und mein Arbeitgeber die Bayerische Akade-56
AUS DEN SPRACHINSELNmie der Wissenschaften ordnete mich sogarvier Wochen für das Projekt an das Kulturinstitutin Palai ab. Während dieser Zeit konnteich zusammen mit Erich Seidelmann eineDialektaufnahme in Eichleit machen, dessenVariante ich nicht so gut kannte wie die deranderen Sprachinseldörfer Florutz und Palai.Mein Beitrag zum Normierungsprojekt wardie Koordination der Arbeitsgruppe und diezielgerichtete Zusammenschau unserer Ergebnisse,die 2003 als Grammatik „Liachtas de sproch“ (Rowley 2003) veröffentlichtwurde. Präskriptiv ist nur der Orthographieteil,ansonsten bemühten wir uns deskriptivum eine aktuelle Bestandsaufnahme. Wissenschaftlichbegleitet wurden wir von denProfessoren Willi Mayerthaler (Klagenfurt)und Guntram Plangg (Innsbruck), denenHans Tyroller und ich in einer Reihe vonZusammenkünften unsere Fortschritte vorgestellthaben. Ich habe bereits über unsereLösung und über Probleme, ja Widerständebei der Durchsetzung berichtet (Rowley2012), aber da war ich schon nur mehr alsBeobachter am Rande beteiligt. Aus der damaligenArbeitsgruppe sind übrigens einigehochmotivierte und entschiedene Verfechterdes Fersentalerischen hervorgegangen.Die Arbeit an der Normierung riss michaus der sehr angenehmen Rolle des teilnehmendenBeobachters. Jetzt wurde ichselbst zu einem sprachpolitisch Agierenden– eine Rolle, die mir nicht so behagte. DieRechtschreibfestlegung rief ja Widerständehervor. Glücklicherweise wusste ich dieArbeitsgruppe und die Beschäftigten desKulturinstituts auf meiner Seite. Ohne dieUnterstützung des Kulturinstituts hätten wires nie geschafft.Im Verlaufe der Arbeiten an der Normgrammatikist eine große lexikalische Datenbankentstanden, deren Online-Publikationbegonnen wurde, bis dann die Arbeitenaus orthographiepolitischen Gründen einstweileneingestellt wurden. Man findet aufder Homepage des Kulturinstituts einenAusschnitt dieser Sammlung. Das ist einSchatz, aus dem das Kulturinstitut meinerMeinung nach noch viel machen könnte.In meiner Bayreuther Zeit gehörte ichzu den Gründungsmitgliedern der JohannAndreas Schmeller Gesellschaft e.V. undlernte, die Arbeiten dieses Gründers unseresFaches Dialektologie sehr zu schätzen.Dass Schmeller die zimbrischen Sprachinselnerforscht hat, ist bekannt, wenigeraber sein Beitrag zum Fersentalerischen.Um alle Quellen für den Wortschatz desFersentals zu erschließen, habe ich unteranderem auch unveröffentlichte Unterlagenaus dem Nachlass Johann Andreas Schmellersgesichtet und seine Notizen über dasFersentalerische aus dem Jahr 1833 ediert(Rowley 2010).In den 1980er Jahren richtete das Kulturinstitutauch einen wissenschaftlichenBeirat ein, zu dessen Mitglied ich ernanntwurde. Es ging hier zusammen mit BirgitAlber von der Universität Verona oft umÜberzeugungsarbeit für die neue Rechtschreibung.Nach ein paar Jahren hat manerfreulicherweise auch in Italien Fachkollegengefunden, die diese Rolle übernahmen– etwa Federica Ricci Garotti und ErmenegildoBidese aus Trient, Giuliana Sellan undBirgit Alber aus Verona. So kann ich michwieder mehr auf die mir liegende Rolle desteilnehmenden Beobachters zurückziehen.Was hat sich in diesen 40 Jahren im Fersental geändert?Rein äußerlich bietet das Tal jetzt ein modernesBild. Ich durfte noch letzte Reste derherkömmlichen Lebensweise mit erleben.Traditionelle Wohnküchen, haus genannt,mit Lüftung durch die Türöffnung, mit offenemHerd, über dem die luganenghe, dieWürste, zum Räuchern hingen, waren inden 1970er Jahren schon selten. An kaltenWintertagen war der Explorator nach der Befragungin so einem Raum genauso geräu-57
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AUS DEN SPRACHINSELN
Abb. 4:, H. Tyroller, L.M. Eichinger und A. Rowley
mit Studenten auf Exkursion in Florutz 1985.
im Herbst1978 in Sant’Orsola im Fersental,
wo endlich alle einschlägig Interessierten –
Historiker, Ethnologen und Linguisten – zusammengeführt
wurden (Publikation Pellegrini/Gretter
1989).
Grammatik und Wörterbuch erschienen in
einer Zeit, als ich in Bayreuth bereits andere
Projekte verfolgte. Robert Hinderling hatte
bei der „Deutschen Forschungsgemeinschaft“
erfolgreich ein Sprachminderheitenprojekt
eingereicht – da sollte ich die Nordsprachpolitischen
Aspekte der Trentiner
Sprachminderheiten mit untersuchen (Rowley
1996) – und wir begannen uns intensiv
für die Mundarten Nordostbayerns zu interessieren.
So kam es, dass ich zwar immer
wieder privat das Fersental besuchte, oft
mit Familie, und alte Kontakte pflegte, aber
kaum mehr darüber publizierte.
Nur einmal, im Jahr 1985, boten Ludwig
Eichinger und ich an der Universität
Bayreuth gemeinsam ein Proseminar
„Sprachminderheiten in Mitteleuropa“ mit
Exkursion ins Fersental an. Erst eine Exkursion
des Münchner „Vereins der Freunde
Südtiroler Museen und Sammlungen“ im
Jahr 1994 führte mich länger wieder hin.
Der Museumsverein hatte mir die Reiseleitung
angetragen, und seitdem habe ich
auch Gruppen des „Bayerischen Cimbern-
Kuratoriums“ und Studenten der Münchner
Ludwig-Maximilians-Universität ins Tal
geführt. Bei dieser ersten Fahrt lernte ich
die Mannschaft des neuen „Kulturinstitut
Bersntol“ (damals noch zusammen mit
Lusern) kennen und insbesondere den
wissenschaftlichen Fachreferenten Leo
Toller. Das Kulturinstitut war durch ein
Gesetz aus dem Jahr 1987 entstanden
und wurde allmählich mit Leben gefüllt.
Das war der Anfang meiner zweiten produktiven
Phase bei der Beschäftigung mit
dem Fersentalerischen. Aus diesem ersten
Treffen entstand der Plan, zusammen das
handschriftliche Fersentaler Wörterbuch
von Don Giacomo Hofer zu veröffentlichen
(Hofer 2004). Und der Minderheitenreferent
der Region Trentino-Südtirol dottore
Davide Zaffi beantragte in dieser Zeit bei
der Europäischen Union ein Projekt zur
Kodifizierung des Fersentalerischen und
des Lusernischen.
Inzwischen galt ich für die Kulturbürokratie
als Experte. Ich war nicht mehr der
arme Student, sondern etablierter Dialektologe
und außerplanmäßiger Professor
in München. Mein Freund Hans Tyroller,
der damals oft in der Nachbarsprachinsel
Lusern weilte, vermittelte den Kontakt,
und dottore Zaffi bat mich, das Fersentaler
Teilprojekt zu leiten. Tyroller übernahm
das Luserner Projekt . Wir begannen 1997
mit der Arbeit. Hier waren die sehr guten
Beziehungen zum Kulturinstitut wirklich
von großer Bedeutung. Wir richteten am
Kulturinstitut eine Arbeitsgruppe mit Teilnehmern
aus allen Fersentaler Gemeinden
ein und begannen mit der Arbeit, eine
Normgrammatik zu entwerfen. Die Teilnehmer,
meist junge Frauen ohne inguistische
Vorbildung, hatten großes Interesse
und hohe Motivation. Sie wünschten ihrer
Muttersprache mehr öffentlichen Raum
und waren von der Notwendigkeit einer
Normierung überzeugt.
Ich verbrachte meine Wochenenden in Tal,
und mein Arbeitgeber die Bayerische Akade-
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