Aberglaube und Volksmedizin im Lande der Bibel. Hamburg: L. Friederichsen & CO., 1914.
Superstition and Folk Medicine in Palestine (the Land of the Bible)
Superstition and Folk Medicine in Palestine (the Land of the Bible)
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
)
81
dankend an, tat wie er ihr befohlen hatte, und erzählte ihm des Morgens, daß sie ruhig geschlafen
hätte, da der quälende Geist die ganze Nacht durch in der Gestalt eines wilden Pferdes
die Tiirschwelle vergeblich zu überschreiten versucht hätte. Er schrieb ihr aus dem Buch zwei
Talismane ab und gab ihr den „guten Rat“, das eine unter ihr Kopfkissen zu legen, das andere
unter der Türschwelle zir vergraben. Durch Befolgung seines Rates befreite sie sich von ihrer
Verfolgerin.
Besitzt einer einmal eines dieser gesundmachenden Kleinodien, so hält er
es in Ehren und bewahrt dasselbe, solange er es nicht braucht, an einem sicheren
Ort. Viele gehen von einer Generation auf die andere über; ihr Wert und Ansehen
gewinnen dadurch bedeutend. Das mysteriöse Erbstück wird äußerst heilig
gehalten, darf nicht verloren gehen und auch nicht verkauft werden. So ist es
außerordentlich erschwert, in den Besitz von Amuletten zu kommen. Dazu
fürchten die Eigentümer, die bösen Geister, welche durch einen Talisman bisher
im Hintergrund gehalten wurden, würden mit doppelter Wut zum Angriff auf sie
vorgehen, sobald der Talisman verkauft ist.
Hat ein Schutzmittel die Probe öfters mit gutem Erfolg bestanden „imdscharrab
“ oder stammt es von Mekka, Medina oder einem anderen heiligen Ort,
so ist es besonders wertvoll. Hat ein Kranker ein Amulett nötig, das er wegen
seiner Armut sich nicht kaufen kann, so leiht er es sich von einem Kachbar
oder Bekannten. Letzterer leiht es ohne Pfand nicht aus. Viele begnügen sich
nicht mit dem Pfand allein, sondern erheben noch eine kleine Summe als Gebrauchsgebühr.
2. Ursprung der Amulette.
Als Schutzmittel gegen Krankheiten werden gebraucht: sowohl unbeschriebene
Gegenstände, als auch mit Formeln beschriebene Gegenstände, die teils „Talisman“
(talsam teils „ hidschäb “ (pl. hidschäbät oder hudschub
,
was deckt, schützt)
genannt werden. Letztere sollen an anderem Orte näher behandelt werden. Die
unbeschriebenen, auch „hirz“ (pl. (i)hrüze) genannt, sind dem Tier-, Pflanzen- n‘*n
und Erdreich entnommen und werden oft ohne weitere Bearbeitung verwendet,
andere „hirz“ werden auch für diesen Zweck besonders fabriziert.
Man muß sich wirklich über dieses Vielerlei von Schutz- und Heilmitteln
wundern. Es ist schließlich unmöglich, bei jedem Amulett zu erfahren, warum
es im betreffenden Fall gebraucht wird und worauf sich der Glaube an seine
Wirkungskraft gründet. Selten findet man einen, der die Ursache weiß, warum
gerade das von ihm getragene Amulett wirksam sein soll. Man antwortet:
imdscharrab = es ist erprobt
;
il-kull bijhimlüh = alle tragen es
;
esch-schech
atdni jäh = der schech hat es mir gegeben und ähnliches. Selbst wenn man
die schiüch und die allwissenden alten Frauen frägt, erhält man entweder eine
ausweichende Antwort, oder man wird mit sagenhaften Geschichten abgespeist,
bei denen ein durchgehendes, festes System nicht ersichtlich ist. Die Laienmedizinbücher,
die ich gesehen habe, geben auch niemals einen Grund für die
Wirksamkeit von diesem oder jenem Amulett an. Es werden nur Geschichten
als Beweis für die Wirkung derselben angeführt. So dient diesem Zwecke
folgende Geschichte, welche Seite 13, 14 und 15 von durratu ’l-ghauuds ua kanzu
’l-ichtisäs ji marifat el-chauäss (Scheck ^Izz ed-din c Ali Idmir ed-Dschaldaki
x
sich findet.
1
Handschriftliches Original in der Bibliothek el-Chäldije, Jerusalem.
6 Canaan, Aberglaube.