Aberglaube und Volksmedizin im Lande der Bibel. Hamburg: L. Friederichsen & CO., 1914.

Superstition and Folk Medicine in Palestine (the Land of the Bible) Superstition and Folk Medicine in Palestine (the Land of the Bible)

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54er sich auf den Weg machen wollte, hatte ein Hund das Fleisch aufgefressen. Der Junge, tiefbetrübt, ging weiter, bis ihn ein alter Mann nach seinem Leid fragte. Dieser riet ihm dafür einStück Fleisch des neben ihm liegenden toten Esels herauszuschneiden. Glückstrahlend ging er zuseinem Herrn und legte den Einkauf an die Wiege des Kindes. Kurz danach kam die Mutterhinein und hörte eine Stimme, die sagte: „Du bist errettet“. Sie sucht und findet niemand. Nachdemsie dies Vorkommnis ihrem Mann erzählte, suchten sie nach der Ursache und fragten auchzufällig den Diener, woher er das Fleisch gekauft habe. Zuerst weigert er sich, die Geschichte zuerzählen, kann sie aber doch nicht für sich behalten. Das Kind blieb auch wirklich am Lebenund die dankbaren Eltern beschenkten den Diener reichlich.Um die Karine vom Hause fernzuhalten, bedient man sich einer Kaktussorte,die an die Tür des Schlafzimmers gehängt wird.Schutzmittel gegen andere böse Geister.Kinder werden mit den verschiedensten Amuletten geschützt wie Melonen-,Zitronat- und Gerstenkörnern von einer besonderen Sorte. Letzterewerden gebraucht, weil sie die Hauptnahrung der Propheten gewesen sein sollen,daher der Name „ scliir nahaue “ = Gerste der Propheten. 1 Einereiche Auswahlvon Amuletten bietet die Tierwelt wie: Klauen von Löwen (s. u. und Fig. 7, o)Stachelschweinkielen (Fig. 7,p), die Zange eines Hirschkäfers (fälschlichkam en-naml Ameisenhorn genannt) (Fig. 7, e),das Gehäuse einerSchildkröte (Fig. 8) 2 der Zahn (Fig., 7, f, 3g, h, i) und das Fell eines Wolfes.In Wirklichkeit sind letztere aber gewöhnlich Teile des Fuchses. Über Wolfund Fuchs sei noch näheres bemerkt.Der Palästinenser glaubt, daß ein Reich zwischen Mensch und Tier besteht,gerade wie sich eines zwischen Mensch und Gott einschiebt. Das Reichzwischen Mensch und Tier ist viel kleiner und umfaßt solche Geschöpfe, dieeinst Mensch waren, aber wegen ihrer Sünden in Tiere verwandelt worden sind.In ihrem jetzigen Zustand verstehen sie alles Gesprochene, können sich abernicht verständigen. Zu diesem Zwischenreich gehören die Schildkröte, dasStachelschwein der Affe und die Schlange. Die Verwandlungsgeschichte derdrei ersteren soll noch erwähnt werden.Die Tochter Mukammeds Fätme, so erzählt sich der Fellach (südl. von Bethlehem), solleines Tages ihrer Nachbarin, die einen fellachischen Backofen — tabun 4 — besaß, gebeten haben,sie möchte ihr erlauben, Brot zu backen. Diese antwortete: „Leider ist er gerade jetzt nicht geheizt.“In Wirklichkeit war er aber gerade recht zum Gebrauch. Sie wurde deshalb von Gottzur Strafe in eine Schildkröte verwandelt. Zur steten Erinnerung an ihr Vergehen trägt sieden Backofen als ihr Gehäuse ;die Flecken desselben stellen die Steine (radf genannt) vor, welche1Mohammed soll einer Frau, die sich schämte, einen Armen zu heiraten, gesagt haben: „bdrakallah fil-fakir—• bdrakallah fl-kamih chalt esch-sch'ir“ „Gott segne den Armen — Gottsegne das Gemisch von Weizen und Gerste“.2Kleinere Exemplare werden Kindern an den Hals gehängt, größere befestigt man an der Wiege.3Der Zahn wird an die Mütze gehängt oder an einer Kette befestigt. Das Fell wird als Unterlageim Bett gebraucht oder man hängt es ans Kopfende der Wiege.4Der tab&n „ist eine Lehmschüssel von '/ 2m Durchmesser, deren Boden mit kleinen geschwärztenKieselsteinen belegt ist und die ein ebenfalls aus Lehm geformter Deckel mit Handgriff beschließt.“Auf die zugedeckte Schüssel schüttet man „eine gute Portion getrockneten Kuhmist“und zündet es an (L. Bauer, Volksleben im Lande der Bibel, S. 120).

im tabün gebraucht werden. Sie hatte durch ihr Verhalten das allererste Nachbarverbot verletzt:Verweigere deinem Nachbarn nichts, was zur Bereitung des Brotes nötig ist.Von einem Menschen, der in einen Affen verwandelt wurde, weiß man folgende Geschichteerzählen: Eine Mutter hatte ihren kleinen Sohn mit zum tabün genommen. Er beschmutzte sich,worauf ihn die Mutter mit einem frischgebackenen Laib Brot reinigte. Zu ihrem großen Entsetzenverwandelte sich ihr einziger Liebling in einen Affen. Das war die Strafe dafür, daß sie dasBrot, „das Leben des Menschen“, durch ihre Tat entheiligt hatte.Das Stachelschwein soll vor Zeiten ein Mensch gewesen sein, der in einem kleinenDörfchen lebte. Er war geizig und listig. Als er einmal den Schuhmacher des Dorfes, einenarmen, aber sehr schlichten und fleißigen Handwerker, besuchte, steckte er beim Gehen die Ahledes Schusters ein. Vergebens suchte der Schuhmacher sein Handwerkszeug. Da er durch diesenVerlust seinem täglichen Erwerb nicht nachgehen konnte, wünschte er, daß dem Diebe das Werkzeugzur ewigen Plage werde. Die Stacheltracht des Stachelschweines ist die Erfüllung diesesWunsches, ein bleibendes Denkmal für den begangenen Frevel, den Diebstahl der Schusterahle.zuFig. 7.Amulette vom Tierreich,a und k Rehhörner ; f, g , h, i „ sinn ed-dib “ ( Wolfszähne ) mitund ohne Anhängsel ; m, l „ dscliözet ed-dib “ (Wolfs-Keldkopf,Fig. 8. Gehäuse einer Schildkröte,an die Wiege einesKindes zu hängen.in Wirklichkeit ein Wirbel); e „ kam en-naml“ (Hirschhornkäfer);n Wolfs-Unterkiefer; o Lüwen-Klaue ; p Stachelschweinstachel;q„ lisän el-hadschar" ; r Schlangen- Wirbelknochen;d, t „ kam el-liattit; s Igels-Kiefer (?)gegen d böseGeister.D er Wolf oder Teile desselben, seine Zähne, das Fell, Knochen derWirbelsäule, der Unterkiefer (Fig. 7,n) spielten und spielen noch heute eine großeRolle in der Volksmedizin. Nicht nur ein einzelner Teil desselben, sondern auchzu Zeiten das ganze Tier wird (als Schutzamulett) angewandt. Eine Frau erzähltemir, sie hätte neben der Wiege ihres Kindes immer einen ausgestopftenWolf stehen gehabt. Eine andere kaufte einen ein paar Wochen alten Wolf undhielt ihn immer, wo die Wiege ihres Einzigen sich befand. Beide versichertenmir, daß dies das alleinige Mittel gewesen sei, welches die Kinder am Lebenerhalten habe.

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er sich auf den Weg machen wollte, hatte ein Hund das Fleisch aufgefressen. Der Junge, tief

betrübt, ging weiter, bis ihn ein alter Mann nach seinem Leid fragte. Dieser riet ihm dafür ein

Stück Fleisch des neben ihm liegenden toten Esels herauszuschneiden. Glückstrahlend ging er zu

seinem Herrn und legte den Einkauf an die Wiege des Kindes. Kurz danach kam die Mutter

hinein und hörte eine Stimme, die sagte: „Du bist errettet“. Sie sucht und findet niemand. Nachdem

sie dies Vorkommnis ihrem Mann erzählte, suchten sie nach der Ursache und fragten auch

zufällig den Diener, woher er das Fleisch gekauft habe. Zuerst weigert er sich, die Geschichte zu

erzählen, kann sie aber doch nicht für sich behalten. Das Kind blieb auch wirklich am Leben

und die dankbaren Eltern beschenkten den Diener reichlich.

Um die Karine vom Hause fernzuhalten, bedient man sich einer Kaktussorte,

die an die Tür des Schlafzimmers gehängt wird.

Schutzmittel gegen andere böse Geister.

Kinder werden mit den verschiedensten Amuletten geschützt wie Melonen-,

Zitronat- und Gerstenkörnern von einer besonderen Sorte. Letztere

werden gebraucht, weil sie die Hauptnahrung der Propheten gewesen sein sollen,

daher der Name „ scliir nahaue “ = Gerste der Propheten. 1 Eine

reiche Auswahl

von Amuletten bietet die Tierwelt wie: Klauen von Löwen (s. u. und Fig. 7, o)

Stachelschweinkielen (Fig. 7,p), die Zange eines Hirschkäfers (fälschlich

kam en-naml Ameisenhorn genannt) (Fig. 7, e)

,

das Gehäuse einer

Schildkröte (Fig. 8) 2 der Zahn (Fig.

, 7, f, 3

g, h, i) und das Fell eines Wolfes.

In Wirklichkeit sind letztere aber gewöhnlich Teile des Fuchses. Über Wolf

und Fuchs sei noch näheres bemerkt.

Der Palästinenser glaubt, daß ein Reich zwischen Mensch und Tier besteht,

gerade wie sich eines zwischen Mensch und Gott einschiebt. Das Reich

zwischen Mensch und Tier ist viel kleiner und umfaßt solche Geschöpfe, die

einst Mensch waren, aber wegen ihrer Sünden in Tiere verwandelt worden sind.

In ihrem jetzigen Zustand verstehen sie alles Gesprochene, können sich aber

nicht verständigen. Zu diesem Zwischenreich gehören die Schildkröte, das

Stachelschwein der Affe und die Schlange. Die Verwandlungsgeschichte der

drei ersteren soll noch erwähnt werden.

Die Tochter Mukammeds Fätme, so erzählt sich der Fellach (südl. von Bethlehem), soll

eines Tages ihrer Nachbarin, die einen fellachischen Backofen — tabun 4 — besaß, gebeten haben,

sie möchte ihr erlauben, Brot zu backen. Diese antwortete: „Leider ist er gerade jetzt nicht geheizt.“

In Wirklichkeit war er aber gerade recht zum Gebrauch. Sie wurde deshalb von Gott

zur Strafe in eine Schildkröte verwandelt. Zur steten Erinnerung an ihr Vergehen trägt sie

den Backofen als ihr Gehäuse ;

die Flecken desselben stellen die Steine (radf genannt) vor, welche

1

Mohammed soll einer Frau, die sich schämte, einen Armen zu heiraten, gesagt haben: „bdrak

allah fil-fakir

—• bdrak

allah fl-kamih chalt esch-sch'ir“ „Gott segne den Armen — Gott

segne das Gemisch von Weizen und Gerste“.

2

Kleinere Exemplare werden Kindern an den Hals gehängt, größere befestigt man an der Wiege.

3

Der Zahn wird an die Mütze gehängt oder an einer Kette befestigt. Das Fell wird als Unterlage

im Bett gebraucht oder man hängt es ans Kopfende der Wiege.

4

Der tab&n „ist eine Lehmschüssel von '/ 2

m Durchmesser, deren Boden mit kleinen geschwärzten

Kieselsteinen belegt ist und die ein ebenfalls aus Lehm geformter Deckel mit Handgriff beschließt.“

Auf die zugedeckte Schüssel schüttet man „eine gute Portion getrockneten Kuhmist“

und zündet es an (L. Bauer, Volksleben im Lande der Bibel, S. 120).

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