Aberglaube und Volksmedizin im Lande der Bibel. Hamburg: L. Friederichsen & CO., 1914.
Superstition and Folk Medicine in Palestine (the Land of the Bible)
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reiz erstaunt, und erkundigte sieh, wer sie sei. Herr, es ist Eure Magd Murdschäne ,
antworteten
ihm seine Dienerinnen. „Solch eine Schönheit ist mehr wert, als meine Köchin zu sein“, sagte
der König, „nehmt sie gleich ins Bad, wascht sie, legt ihr die teuersten Kleider an und führt sie
in mein Schloß !“ Sie handelten nach seinem Befehl und Murdschäne gewann allmählich immer
mehr an Ansehen. Der König liebte sie über alle Maßen, so daß er seine anderen Schönheiten
vernachlässigte. Diese beneideten das Glück der Murdschäne und fragten sich: „Weshalb bevorzugt
der Chalife dieses schwarze, häßliche Mädchen, während er uns drei Schönheiten so vernachlässigt?“
Murdschäne aber wurde sehr krank. Harun er-Kaschid ließ sie von den berühmtesten
Ärzten behandeln, aber Murdschäne starb. Der Chalife trauerte sehr um sie und
befahl, daß man sie wasche. Beim Waschen fand die Wäscherin den Talisman in den Haaren
der Toten. Sie nahm ihn ihr ab und legte ihn sich an. Nach Beendigung ihrer Arbeit rief sie
ihren Herrn, damit er von seiner Geliebten Abschied nehme. Er war jedoch sehr erstaunt, die
Waschfrau so reizend und liebevoll zu finden, während ihm Murdschäne so unaussprechlich häßlich,
gemein und abstoßend vorkam, daß er an ihrer einstigen Schönheit zweifelte. Er verheiratete
sich mit der Waschfrau, welche ihm auch mehrere Kinder sclrnnkte. Als auch ihre Todesstunde
herannahte, rief sie den Schech Nur ed-din el-lsfahäni, übergab ihm den Talisman und erzählte
ihm seine Geschichte und die Wunder, die das unscheinbare Ding vollbracht hätte. Der fromme
Schech ließ ihn vervielfältigen und schenkte jedem Bedürftigen einen solchen. Seitdem übt er
seine gute Wirkung unter den Menschen aus.
Die Christen tragen das sogenannte „Buch des Heiligen Gambrinus“, welches
gegen allerlei Krankheiten, die vom „bösen Auge“, der „bösen Seele“, den
bösen Geistern verursacht werden und gegen Zauberei, Unglück, Teufelslist
und anderes mehr schützen soll. Außer den bis jetzt erwähnten gedruckten
Talismanen gibt es auch eine Unmenge, welche die verschiedenen Schechs
schreiben. Auch ihnen wird eine schützende Wirkung beigelegt. Die Art und
Weise, wie Talismane geschrieben werden und was sich sonst über sie sagen
läßt, wird in einem späteren Kapitel seinen Platz linden.
B. Spezielle Prophylaxe.
1. Schutzmittel gegen die Einwirkung böser Geister.
Bei den Schutzmitteln, die gegen die bösen Geister und ihre Einwirkungen
gebraucht werden, lassen sich zwei Gruppen unterscheiden. Die eine Gruppe
setzt sich aus den hierher gehörigen Gebeten und frommen Verrichtungen zusammen,
die andere umfaßt die gegen die bösen Geister erprobten Mittel.
a) Gebete und fromme Verrichtungen. Wie wir gesehen haben,
glaubten und glauben alle Völker des Orients bis auf den heutigen Tag an die
Existenz eines Zwischenreiches — an die Geisterwelt. Die Beschreibung, die
I. Roberts von den Hindus gibt, paßt genau auf den Palästinenser und ich gebe
sie hier wieder: „Das Heidenvolk hat mit einer so großen Anzahl Dämonen . . .
und Heiligen zu tun, daß es in beständiger Furcht vor der Macht derselben
schwebt. Es gibt in seinem Land keinen Weiler, der nicht wenigstens einen
Baum, eine Quelle, eine Höhle, eine geheime Stätte besäße, welche als Sitz
böser Geister gelten Nur die dringendste Notwendigkeit bewegt ihn, seine
. . .
Wohnung nach Sonnenuntergang zu verlassen“. (Diese Angst bestand wohl
früher bei den Fellachen Palästinas, ist aber jetzt nicht mehr so ausgesprochen
vorhanden.) „Muß er ausgehen, so schreitet er äußerst vorsichtig von
4 Canaan, Aberglaube.