Aberglaube und Volksmedizin im Lande der Bibel. Hamburg: L. Friederichsen & CO., 1914.
Superstition and Folk Medicine in Palestine (the Land of the Bible) Superstition and Folk Medicine in Palestine (the Land of the Bible)
“46das Räuchern und das Schreiben von Amuletten. Sehr oft müssen die schiüchder Verrichtung ihrer Prozeduren eine Fastenzeit oder Reinigungsveranstaltungen(s. unter Behandlung) vorhergehen lassen. Viele von ihnen, die sich auf ihre Kunstetwas einbilden, benützen die Dummheit des Volkes, um Geld zu verdienen, währendsie in Wirklichkeit nichts bieten. Sollen sie einen Talisman schreiben, so schmierensie Striche, Punkte, Kreise durcheinander oder in irgendwelcher Anordnung, abergänzlich ohne Bedeutung. Schechs und Derwische benutzen alte Bücher. Einigebehaupten, sie besäßen Bücher, die mehr als 100 Jahre alt sein sollen. 1In zweiter Linie ist vor allem das alte Weib zu nennen, welches alleWeisheit für sich in Anspruch nimmt, da es schon reiche Erfahrung haben will.Die Alte hat meistens Krankheiten nicht nur vielmals gesehen und behandelt, sondernauch schon selbst durchgemacht. Sie ist auch die Verbreiterin der zahllosenMärchen unter der Jugend und des mannigfachen Aberglaubens unter den Erwachsenen.Diese Märchen und der Aberglaube werden aus einer überschwenglichenPhantasie geboren, die ganz und gar mit übernatürlichen Dingen durchwobenist. Ihre Hauptarbeit erstreckt sich auf die Behandlung von Fieber,Dysenterie und der meisten Kinderkrankheiten. Ihre Mittel bestehenim Räuchern, Waschen, Herleiern von einigen wirksamen Formeln undAbsuden einiger Pflanzen. Erkrankt eine Person, so ist sie der Arzt und verschreibtdas zutreffende Amulett; denn aus der Masse der Amulette das richtigezu finden, das ist die Kunst. Die alten Weiber erzählen voll Überzeugung davon,wie sie Heilwirkungen durch Amulette beobachtet hätten. Unterm Volk erfreuensich diese Frauen allergrößter Hochachtung wegen ihres Alters und ihrer Kunst.Die Hebamme hat außer ihren sonstigen Arbeiten bei Geburten auchKinderkrankheiten zu behandeln. Mit der Pflege der Wöchnerinnen sieht es nochmehr als primitiv aus. Viele Frauen gehen durch Unwissenheit und Unreinlichkeitihrer Hebamme zugrunde.Die „kahhäli“ = Schminkerin behandelt Augenkrankheiten; sie verordnet:Waschungen, Tropfen, Salben etc.Der Barbier ist der Chirurg der Fellachen solche, die einigermaßen ihre;Sache verstehen, werden oft mit dem Namen „ dscharräh = Chirurg genannt. Er mußAderlässen, trockene und blutige Schröpfköpfe, Blutegel verordnen und ansetzen,Wunden verbinden und ähnliche Arbeiten verrichten. Der „imdschabber 2 setztKnochenbrüche zusammen. Es ist gewöhnlich ein Hirte, der diese Kunst versteht undsie an den Knochenbrüchen von Ziegen und Schafen unzähligemal schon geübt hat.Wir sehen, wie sich hier in der Volksmedizin schon lange die Spezialisierungvollzogen hat, die der modernen wissenschaftlichen Medizin mit das Geprägegibt. An dem Aufkommen dieser Erscheinung in den hiesigen Verhältnissenist sehr stark das Publikum beteiligt, denn jeder Behandelnde beanspruchtgewöhnlich zuerst alle Gebiete für sich, doch das Volk wählt immer denjenigen,den sie im betreffenden Krankheitsfall für den geeignetesten hält. So fallen denSchechs. Derwischen und Priestern die nervösen, den alten Frauen die inneren,den Hebammen die Geburts- und Kinderkrankheiten, dem Barbier und dem„imdscliabbir “ die chirurgischen Fälle zu.1Was für den Begriff des einfachen Fellachen eine geraume Zeit ist.2Zusammensetzer von Knochenbrüchen.
VI.Prophylaxe.A. Allgemeine Maßregeln.Wie wir schon sahen, glaubt der Fellach, daß ihm in jedem Moment seinesLebens Gefahr von Seiten verderbenbringender Kräfte droht. Die Atmosphäreist voll böser Geister; viele Menschen haben entweder das „böse Auge“ oderdie „böse Seele“. Diese Furcht zwingt ihn, sich auf jede Weise vor den Einwirkungendieser unsichtbaren Mächte zu schützen. Obgleich diese unzählbarenYorbeugungsmaßregeln in den verschiedenen Teilen Palästinas verschieden sind,lassen sie sich jedoch unter zwei Gesichtspunkten zusammenfassen.Wir gewinnen die Übersicht über das vielgestaltige Gebiet, wenn wirfragen,1. nach dem, was gesagt wird, und2. nach dem, was getragen wird.1. Was gesagt wird: Von großer Wichtigkeit ist es, daß man denNamen einer Krankheit niemals allein ausspricht. Die Nennung der Krankheitreizt den bösen Geist, der sie verursacht hat. Wer dies außer Acht läßt unddem Namen der Krankheit nicht eine schützende Formel hinzufügt, den befälltder gereizte böse Geist. Gewöhnlich werden deshalb solche Sätze, deren Wirkungerprobt ist, mit dem Namen der Krankheit verbunden. Der Name Gottes,seine Eigenschaften oder die Namen der Propheten werden vielfach zu diesemZweck angezogen : mauh asämi allall zintärije = er hat Gottes Namen (zu ergänzen,erhalte uns), Dysenterie oder ja liäfiz. . . bijubzu\ dämm = Du Erhalter ... erspuckt Blut.Um üble Einwirkungen von sich fernzuhalten, behilft sich der Palästinenserauch mit dem allgemeineren Wunsche : ib c id c ankum — es möge von Euch fernbleiben.Diese Formel wird dem Namen der Krankheit unmittelbar vor odernachgesetzt. Erzählt einer über einen Brustkranken, so sagt er: ib c id c ankumma c ü es-sidrije (od. uadschad es-sidr )— er hat, es möge von Euch fernbleiben,Brustkrankheit. (Gewöhnlich für Schwindsucht gebraucht!)Wird ein kleines Kind getragen, so muß man auf der Hut sein, ihm wederdirekt noch indirekt zu schaden :deshalb wird das hauattu (i)b allah = möge Gottihn umgeben! niemals vergessen zu sagen. Andere Redensarten sind: asämi allalihauäleh = Gottes Namen umgeben ihn oder alla(h) ijhfazak = Gott behüte Dich !oder el-^adra tilifazak = die Jungfrau behüte dich! oder auch ism es-salib hauälek= Der Name des Kreuzes umgebe Dich.Ist jemand schwer krank, so hüten sie sich, ihm die Wahrheit über seinenZustand zu sagen: „Das Böse (Üble) sei ferne, was ist das für ein Gerede, du
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Prophylaxe.
A. Allgemeine Maßregeln.
Wie wir schon sahen, glaubt der Fellach, daß ihm in jedem Moment seines
Lebens Gefahr von Seiten verderbenbringender Kräfte droht. Die Atmosphäre
ist voll böser Geister; viele Menschen haben entweder das „böse Auge“ oder
die „böse Seele“. Diese Furcht zwingt ihn, sich auf jede Weise vor den Einwirkungen
dieser unsichtbaren Mächte zu schützen. Obgleich diese unzählbaren
Yorbeugungsmaßregeln in den verschiedenen Teilen Palästinas verschieden sind,
lassen sie sich jedoch unter zwei Gesichtspunkten zusammenfassen.
Wir gewinnen die Übersicht über das vielgestaltige Gebiet, wenn wir
fragen,
1. nach dem, was gesagt wird, und
2. nach dem, was getragen wird.
1. Was gesagt wird: Von großer Wichtigkeit ist es, daß man den
Namen einer Krankheit niemals allein ausspricht. Die Nennung der Krankheit
reizt den bösen Geist, der sie verursacht hat. Wer dies außer Acht läßt und
dem Namen der Krankheit nicht eine schützende Formel hinzufügt, den befällt
der gereizte böse Geist. Gewöhnlich werden deshalb solche Sätze, deren Wirkung
erprobt ist, mit dem Namen der Krankheit verbunden. Der Name Gottes,
seine Eigenschaften oder die Namen der Propheten werden vielfach zu diesem
Zweck angezogen : mauh asämi allall zintärije = er hat Gottes Namen (zu ergänzen,
erhalte uns), Dysenterie oder ja liäfiz
. . . bijubzu\ dämm = Du Erhalter ... er
spuckt Blut.
Um üble Einwirkungen von sich fernzuhalten, behilft sich der Palästinenser
auch mit dem allgemeineren Wunsche : ib c id c ankum — es möge von Euch fernbleiben.
Diese Formel wird dem Namen der Krankheit unmittelbar vor oder
nachgesetzt. Erzählt einer über einen Brustkranken, so sagt er: ib c id c ankum
ma c ü es-sidrije (od. uadschad es-sidr )
— er hat, es möge von Euch fernbleiben,
Brustkrankheit. (Gewöhnlich für Schwindsucht gebraucht!)
Wird ein kleines Kind getragen, so muß man auf der Hut sein, ihm weder
direkt noch indirekt zu schaden :
deshalb wird das hauattu (i)b allah = möge Gott
ihn umgeben! niemals vergessen zu sagen. Andere Redensarten sind: asämi allali
hauäleh = Gottes Namen umgeben ihn oder alla(h) ijhfazak = Gott behüte Dich !
oder el-^adra tilifazak = die Jungfrau behüte dich! oder auch ism es-salib hauälek
= Der Name des Kreuzes umgebe Dich.
Ist jemand schwer krank, so hüten sie sich, ihm die Wahrheit über seinen
Zustand zu sagen: „Das Böse (Üble) sei ferne, was ist das für ein Gerede, du