Aberglaube und Volksmedizin im Lande der Bibel. Hamburg: L. Friederichsen & CO., 1914.
Superstition and Folk Medicine in Palestine (the Land of the Bible) Superstition and Folk Medicine in Palestine (the Land of the Bible)
44Träumt mau von Gold oder etwas Gelbem, so soll das ein Zeichen nahenderKrankheit oder des Todes sein. Gelb und schwarz ist verhaßt, da sie auf denTod hindeuten.Wer da träumt, ein Toter hätte ihm etwas gegeben, der erkrankt oder stirbt,oder ein Glied seiner Familie.Das Krächzen der Eulen und das klagende Geheul der Hunde in der Näheeines Hauses, wo ein Kranker liegt, gilt als ungünstiges Vorzeichen, welches aufeinen Todesfall hindeutet. Selbst wenn niemand im Hause ist, werden dieseTierlaute gefürchtet. 1 Deshalb hört man den Fellachen 2 bei solchen Gelegenheitenfolgendes sagen:isthuttiftummik hadschar = Steck einen Stein in deinen Mund,illi ghäijb minna liadar' — Der Abwesende von uns (d. h. unserer Familie)zurückgekommen.liutti fitummik dschabschi = Steck einen groben (ungehaltenen Stein) indeinen Mund.illi ghäijb minna fil-uarschi = Der Abwesende von uns ist auf dem Bauplatz.hutti fitummik sarära — Steck einen Kieselstein (kl. Stein) in deinen Mund.illi ghäijb minna fil-hära — Der Abwesende von uns ist auf der Gasse.Sie glauben, daß diese unheilbringenden Tiere die Formel verstehen unddadurch verscheucht werden.Es sei noch kurz erwähnt, daß die Verwandten des Kranken sich in vielenFällen zu einem Zukunftsdeuter oder „Sandmann“ (der mit Hilfe des Sandesder Menschen Schicksal Voraussagen kann s. o.) begeben, um sich über den Ausgangder Krankheit zu erkundigen. Sie erhalten in solchen Fällen gewöhnlicheine zweideutige Antwort. Eine in vielen Büchern aufgeführte Tabelle, welchedie „Lebens- und Todestabelle“ 3 genannt wird, ist folgende:Todestabelle Lebenstabelle 4loh el-mamät loh el-haiät6 5 412 11 1018 17 1624 23 2230 29 283 2 19 8 715 14 1321 20 1927 26 25Man rechne den numerischen Wert des Namens vom Kranken, denjenigendes Namens von seiner Mutter, addiere die beiden und zähle die Zahl 20, dennumerischen Wert des Namens des ersten Tages der Erkrankung und die Zahl der bisdorthin verflossenen Monatstage (Mondmonat) dazu! Dividiere die Summe durch 30 !Der Rest deutet daraufhin, ob der Erkrankte genesen oder sterben wird, je nachdemer in der einen oder der anderen Hälfte der obigen Tabelle zu finden ist.1Eine hocharabische Redensart bezeichnet das Krächzen der Eulen und der Raben als ein Vorzeichender nahenden Zerstörung der Orte, wo sich diese Tiere befanden.2Von Betdschäla.34arab. „löhu ’l-haiat ua löhu ’l-mamät“.Kiitöbu ’s-sirri ’r-rabbäni etc. p. 12, ed-durru ’l-manzum ficilmi 'l-aufdki uan-nudschum p. 19.
,)V. Der Behandelnde.Krankheiten behandeln kann fast jeder hier zu Lande.Mancher, der weder lesen noch schreiben kann, rühmt sieh seiner Heilkraft.Diese Kraft ist erblich. So heißt es, daß die Bewohner von „Nübä“ Schiüch(pl. von schecli) sind, und alle Krankheiten heilen können. Der Glaube ist allgemeinverbreitet, daß die Heilkunst erblich ist : uirit et-tibb ab c an dschidd = erhat die Heilkunde vom Vater (und dieser) vom Großvater geerbt.Folgende Geschichte möge als Beispiel dienen: In Artas (s. v. Bethlehem) besitzt eine Familiedie Kunst, durch Massage zu heilen. Jeder Kranke, der von ihnen massiert wird, kann sicher aufGenesung rechnen, da sie in der Familie aijädi imrije — heilbringende Hände haben. Ihre Großmuttersoll sich einmal beim Holzhauen im Walde verspätet haben. Auf dem Kückwege begegneteihr eine arme, merkwürdige, verkümmerte und häßliche alte Frau. Von Mitleid ergriffen,lud sie dieselbe ein, mit nach Hause zu kommen und „ihr die Ehre zu geben, ihr Gast zu sein “. 1Sie nahm diese freundliche Einladung an und wurde von ihrer Wirtin auch überaus entgegenkommendbedient. Als Dank für diese Freundlichkeit gab die Alte, welche eine Hexe war, ihrerWirtin „heilbringende Hände“, d. h. jeder, der von ihr behandelt werden wird, wird genesen. Erst2nachher erfuhr die Frau, wen sie sich eingeladen hatte .Die meisten Erben einer solchen Gabe üben ihre hilfreiche Kunst unentgeltlichaus „um Gottes Willen“ (minschän allah 3 ),verdient bekommen haben.da sie diese Kraft auch un-Die Klasse der Behandelnden läßt sich in zwei Gruppen einteilen. Einmalin solche, die dem religiösen Stand angehören und ihre Kraft aus der Religionschöpfen. Bei den Mohammedanern ist dies der Scheck 4 ,daruisch,moghrabi (Marokkaner), bei den Christen der Priester. Zum anderen in«solche, die ihre Heilkraft ihrem Alter oder ihrer Erfahrung verdanken, wie alteWeiber ('adschäijz pl. v. ' adscliüz ),Barbiere (halldk „Kn o chenbrüche-Zusammensetzer“ (imdschabbir) Schlangenbezwiuger (häui5) undHebammen (däiät pl. v. däije ),oder auch Leute, die die betreffende Krankheitschon einmal durchgemacht haben.Die Arbeit der ersterenKlasse besteht im Austreiben von bösen Geistern,sie betätigen sich in der Hilfe gegen Zauber und in der Bekämpfung der üblenWirkungen des „bösen Blickes“ und der „bösen Seele“. Es liegt auf der Hand,daß ihr medizinischer Arbeitszweig die Religion nötig macht. Ihre Mittel sindreligiöse: sie leiern Gebete oder sonst nützliche Sprüche daher, sie betreiben1Arab. Redensart, „scharrifna“ (oder tfaddal u scharrifna).2Erzählt von Frl. L. Baldensberger.3Andere Ausdrücke sind: la uidschih allah — f. d. Gesicht Gottes; sadaka ‘ an nafsi — eine4wohltätige Gabe in meinem Namen (fr. Übers.).Scheck ist der Älteste eines Dorfes in politischer und in religiöser Hinsicht. Hier hat das Wortdiezweite Bedeutung.5Der Schlangenbezwinger verrichtet seltener medizinische Hilfe.
- Seite 12 und 13: VIauch bei Canaan steht, und manche
- Seite 14 und 15: VIIIgläubigen nur äußerst selten
- Seite 16 und 17: Inhaltsverzeichnis.GeleitwortV u. V
- Seite 18 und 19: “;Ausspracheund Umschrift der ara
- Seite 20 und 21: 2Es ist ersichtlich, daß die Bauer
- Seite 22 und 23: 4etwas recht haben, da sein Wasser
- Seite 24 und 25: 6Diese mysteriösen Kräfte gelten
- Seite 26 und 27: 1!8zugraben. Unterwegs erschien ihm
- Seite 28 und 29: :10dieser chan von bösartigen Darn
- Seite 30 und 31: :12um eineSie müssen sich beim Lei
- Seite 32 und 33: ;14Ein junger Mann von Ratlün füh
- Seite 34 und 35: :“16Klassen oder Stämme zerfalle
- Seite 36 und 37: 18und auch sonst in der antiken Wel
- Seite 38 und 39: 20der guten Geister sind, läßt un
- Seite 40 und 41: 22einer unsichtbaren Kraft festgeha
- Seite 42 und 43: 24Diese unsichtbaren und unheilbrin
- Seite 44 und 45: 26ihrer Gewalt. Deshalb wird er von
- Seite 46 und 47: ,bei:282. Der „böse Blick“.In
- Seite 48 und 49: ;30sie immunisierende Kraft besäß
- Seite 50 und 51: 32daß der „Getroffene“ plötzl
- Seite 52 und 53: 34Zur Erläuterung des Obigen soll
- Seite 54 und 55: 360. Andere Krankheitsursachen.Es s
- Seite 56 und 57: 38a) Soll eine Frau eine religiöse
- Seite 58 und 59: dIII. Diagnose.Vergebens würde man
- Seite 60 und 61: IV.Prognose.Durch langjährige Beob
- Seite 64 und 65: “46das Räuchern und das Schreibe
- Seite 66 und 67: :!48hast ja nur eine leichte Erkäl
- Seite 68 und 69: 50dannen. Er murmeltBeschwör ungen
- Seite 70 und 71: 52sie selber nicht mehr Eigentümer
- Seite 72 und 73: 54er sich auf den Weg machen wollte
- Seite 74 und 75: .56Warum der Wolf diese Wunderkraft
- Seite 76 und 77: 58eines Auges eine bewahrende Macht
- Seite 78 und 79: 60Der Bauer hält den ersten Blick
- Seite 80 und 81: :c) „Schab be“, Alaun wird fast
- Seite 82 und 83: ,):64Zu diesen mindergewerteten und
- Seite 84 und 85: Katze erschreckt wurde, sofort urin
- Seite 86 und 87: 68ist das Grab eines Christen, der
- Seite 88 und 89: ““)VII.Die GelübdeGelübde (ni
- Seite 90 und 91: ““72in einem „ ueli“, oder
- Seite 92 und 93: “74 —Die christlichen Fellachen
- Seite 94 und 95: 76Tiere wurden ins Meer geworfen mi
- Seite 96 und 97: ;Eine Gebärende schützt man gegen
- Seite 98 und 99: sobräern und den Völkern des Alte
- Seite 100 und 101: Es erzählte dem Verfasser ein Glau
- Seite 102 und 103: 84nimmt im jetzigen Amulettenglaube
- Seite 104 und 105: ):86wenn hier eine Schwellung vorha
- Seite 106 und 107: l88Ein Stückchen Holz vom „wahre
- Seite 108 und 109: “90„böse Auge“ gebrauchen di
- Seite 110 und 111: ;92Von Medina oder Umgegend sollen
,
)
V. Der Behandelnde.
Krankheiten behandeln kann fast jeder hier zu Lande.
Mancher, der weder lesen noch schreiben kann, rühmt sieh seiner Heilkraft.
Diese Kraft ist erblich. So heißt es, daß die Bewohner von „Nübä“ Schiüch
(pl. von schecli) sind, und alle Krankheiten heilen können. Der Glaube ist allgemein
verbreitet, daß die Heilkunst erblich ist : uirit et-tibb ab c an dschidd = er
hat die Heilkunde vom Vater (und dieser) vom Großvater geerbt.
Folgende Geschichte möge als Beispiel dienen: In Artas (s. v. Bethlehem) besitzt eine Familie
die Kunst, durch Massage zu heilen. Jeder Kranke, der von ihnen massiert wird, kann sicher auf
Genesung rechnen, da sie in der Familie aijädi imrije — heilbringende Hände haben. Ihre Großmutter
soll sich einmal beim Holzhauen im Walde verspätet haben. Auf dem Kückwege begegnete
ihr eine arme, merkwürdige, verkümmerte und häßliche alte Frau. Von Mitleid ergriffen,
lud sie dieselbe ein, mit nach Hause zu kommen und „ihr die Ehre zu geben, ihr Gast zu sein “. 1
Sie nahm diese freundliche Einladung an und wurde von ihrer Wirtin auch überaus entgegenkommend
bedient. Als Dank für diese Freundlichkeit gab die Alte, welche eine Hexe war, ihrer
Wirtin „heilbringende Hände“, d. h. jeder, der von ihr behandelt werden wird, wird genesen. Erst
2
nachher erfuhr die Frau, wen sie sich eingeladen hatte .
Die meisten Erben einer solchen Gabe üben ihre hilfreiche Kunst unentgeltlich
aus „um Gottes Willen“ (minschän allah 3 ),
verdient bekommen haben.
da sie diese Kraft auch un-
Die Klasse der Behandelnden läßt sich in zwei Gruppen einteilen. Einmal
in solche, die dem religiösen Stand angehören und ihre Kraft aus der Religion
schöpfen. Bei den Mohammedanern ist dies der Scheck 4 ,
daruisch,
moghrabi (Marokkaner), bei den Christen der Priester. Zum anderen in
«solche, die ihre Heilkraft ihrem Alter oder ihrer Erfahrung verdanken, wie alte
Weiber ('adschäijz pl. v. ' adscliüz ),
Barbiere (halldk „Kn o chenbrüche-
Zusammensetzer“ (imdschabbir) Schlangenbezwiuger (häui
5
) und
Hebammen (däiät pl. v. däije ),
oder auch Leute, die die betreffende Krankheit
schon einmal durchgemacht haben.
Die Arbeit der ersterenKlasse besteht im Austreiben von bösen Geistern,
sie betätigen sich in der Hilfe gegen Zauber und in der Bekämpfung der üblen
Wirkungen des „bösen Blickes“ und der „bösen Seele“. Es liegt auf der Hand,
daß ihr medizinischer Arbeitszweig die Religion nötig macht. Ihre Mittel sind
religiöse: sie leiern Gebete oder sonst nützliche Sprüche daher, sie betreiben
1
Arab. Redensart, „scharrifna“ (oder tfaddal u scharrifna).
2
Erzählt von Frl. L. Baldensberger.
3
Andere Ausdrücke sind: la uidschih allah — f. d. Gesicht Gottes; sadaka ‘ an nafsi — eine
4
wohltätige Gabe in meinem Namen (fr. Übers.).
Scheck ist der Älteste eines Dorfes in politischer und in religiöser Hinsicht. Hier hat das Wort
die
zweite Bedeutung.
5
Der Schlangenbezwinger verrichtet seltener medizinische Hilfe.