Aberglaube und Volksmedizin im Lande der Bibel. Hamburg: L. Friederichsen & CO., 1914.
Superstition and Folk Medicine in Palestine (the Land of the Bible)
Superstition and Folk Medicine in Palestine (the Land of the Bible)
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
38
a) Soll eine Frau eine religiöse oder medizinische Rolle spielen, so muß
sie in den „reinen“ Jahren sein, d. h. jünger als 10 und älter als 50— 60 Jahre.
Je jünger oder je älter, desto besser, z. B.
a) An Masern Erkrankende müssen den Urin eines kleinen Kindes oder
einer alten Frau trinken. (Jerus.) Ein Erschrockener soll das gleiche tun.'
ß)
In, der berühmten Kur „ el-ischbe “ (das Räucherverfahren für Syphilis)
darf der Erkrankte niemals eine Frau, die in „den Jahren der Unreinheit“ sich
befindet, sbhen und noch weniger sprechen. Die ganze Kur wird zunichte, wenn
eine solche Frau das Dach seiner Wohnung besteigt. Nur eine über 60 Jahre
alte Frau darf ihn bedienen.
y) Stellt sich der Früh- oder Hauptregen spät ein, so daß man die beste
Zeit des Säens verliert, oder das zarte Grün verdorrt, dann pflegen manche
muselmanische Fellachen Gott auf folgende Weise um Regen anzuflehen. Eine
alte Frau wird umgekehrt auf einen Esel gesetzt, in der Hand hält sie einen
Hahn. In solchem Aufzug von mehreren Dorfbewohnern begleitet, wird sie zum
Ortsältesten, dem Scheck, geführt. Auf dem Weg dorthin, während die Menge
um sie her singt, drückt sie den Hahn, solange bis er kräht. Die Begleiter
singen und bitten den Schech, sie mit Wasser zu bespritzen. Das gilt als Vorzeichen
der Güte Gottes (Sitte in 'En Kärim ).
2
Eine „reine“ Frau, die auch
wegen ihres vorgerückten Alters vor Gott den Vorzug hat, kann Gottes Güte
besser
erflehen.
b) Sehr oft benützt eine Blutende die krankmachende Kraft, die sie während
solcher Periode besitzt, um sich an jemand zu rächen; z. B.
a) Sie besucht einen Kranken und läßt es weder Verwandte noch Anwesende
merken, daß sie ihre Periode hat. Der Patient aber fängt von jenem
Moment an zu siechen. Eine anständige Frau in diesen Umständen bleibt dagegen
bei ihrem Besuch an der gewöhnlich nur halbgeöffneten Türe stehen, grüßt
und erkundigt sich über den Zustand des Kranken. Auf die Aufforderung:
„komm doch herein!“ antwortet sie ganz bescheiden „ madüra “ 3 = ich habe
die
Regel.
ß)
Hüpft eine reife Frau über die Kleider eines kleinen Kindes, so „drückt“
sie es „ btikibsu “ und es erkrankt.
y) Nimmt eine solche Frau ein noch so kleines Stück von den Kleidern
eines Kindes und trägt es, so fängt das Kind an zu siechen. Ein solches Stück
Kleid wird „atar“ (s. o. = Spur) genannt. Um die Krankheit des Kindes zu
beheben, muß eine alte Frau, die schon die Jahre „der Unreinheit“ hinter sich
hat, einen „atar“ von der vermutlichen Frau nehmen, es in Berührung mit einem
Kreuzweg bringen und es alsdann verbrennen. Sie darf während der ganzen
Prozedur niemand grüßen oder anreden. —
Andere glauben, daß dreimaliges Baden oder Waschen in Siloah -Wasser
genüge, das entstandene Übel zu unterdrücken.
1
Beide Bräuche so gut wie ausgestorben. Das Zweitgenannte habe ich in Betdschäla gesehen.
2
3
S. Z. D. P. V. 1913, Oktober.
,,'udur“, Regel, bedeutet eigentlich „Entschuldigung“. Da eine Menstruierende betreffs der Erfüllung
ihrer ehelichen Pflichten entschuldigt ist, wird Menstruation kurzweg ’udur genannt.
„Ich habe die Regel“ (ich bin entschuldigt) = ma'dura.