Aberglaube und Volksmedizin im Lande der Bibel. Hamburg: L. Friederichsen & CO., 1914.
Superstition and Folk Medicine in Palestine (the Land of the Bible)
Superstition and Folk Medicine in Palestine (the Land of the Bible)
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dieser Anschauung einen Teil des Lebens, der Seele, und ist deshalb mit übernatürlicher
Kraft gefüllt. Ich habe es öfters und von Leuten der verschiedenen
Schichten gehört, daß das Blut das Leben und der Wohnsitz der Seele sei.
Dieser Glaube an die Unreinheit der Menstruierenden und der Wöchnerin
und an die Gefahr, die für andere in ihrer Umgebung besteht, hat sich unter
allen Schichten der heutigen Palästinenser erhalten. Eine, welche in solchem
Zustand ist, wird heute noch „ nidschsi “ = unreine. „ uis-cha “ = schmutzige genannt.
Zugleich aber gilt dieses „unreine Blut“ und gilt die „Unreine“ selber,
d. h. die Menstruierende oder Gebärende als die äußere Manifestation von etwas
Übernatürlichem. Beide werden daher vielfach in der Magie des jetzigen Orientalen
verwendet, wie uns noch Beispiele zeigen werden.
Die Unreine kann viel Unheil stiften, bewußt und unbewußt. Ihren üblen
Kräften sind am meisten ausgesetzt Kranke, Kinder, Menstruierende und Neugebärende.
Kranke und Kinder macht ihr schwacher Zustand empfindlich.
Menstruierende und Neugebärende sind durch Blut- (d. h. hier Seelen-) Verlust
geschwächt und dem nachteiligen Einfluß offen. Die schädigende Wirkung entfaltet
sich dann, wenn eine solche unreine Frau das Zimmer eines Kranken oder
einer Neugebärenden betritt. Die Krankheit verlängert und verschlimmert sich.
Der Betreffende wird mager und kraftloser. Eine so gedrückte Neugebärende
oder Menstruierende wird unfruchtbar werden. Auch ein sonst ganz gesundes
Kind kann durch dieses Gift ins Kränkeln hineinkommen. Der Moment der
Absonderung dieses schädigenden Mittels sowie die Wirkung dieses Übels heißt
„kabse“ = Druck {inkabas = er wurde gedrückt).
Leblose Gegenstände verderben durch die Berührung dieses Giftes. Wir
lesen in einem Laienbuch „wenn eine Menstruierende Milch berührt, gerinnt sie;
das entsteht dadurch, daß eine solche Frau, welche mit der Milch in Berührung
kommt, eine Kraft absondert, die die Milch verderben läßt. 1 „Fährt sie mit der
Hand in einen Krug mit Oliven oder eingemachten Gurken, so verfaulen sie.“
Mitten in den Weinbergen von Betünia liegt die Quelle von Chirbet nüta. Von
Zeit zu Zeit rinnt das Wasser spärlicher und es kommt vor, daß die Quelle
vei’siegt. Diesen Umstand erklären sich die Bewohner dieses Dorfes dadurch,
daß eine „Unreine“ Wasser geschöpft hat. Weshalb auch keine Frau in solchem
Zustande es wagt, der Quelle nahezukommen. Eines Tages versagte die Quelle.
Da man vergebens die Übeltäterin suchte, wurde ein Schaf unter Herleiern von
Gebeten am vertrockneten Sprudel geopfert; währenddessen wurde die Quellstelle
gründlich ausgeräumt. Und siehe, da floß das Wasser am nächsten Morgen
stärker als je zuvor. Der in dieser Quelle wohnende Heilige, esch-schech Säleh,
wird immer böse bei Verunreinigung seiner Stätte und läßt das Wasser zur
Strafe
versiegen.
Jede Frau muß am 40. Tage nach ihrer Geburt ein Reinigungsbad nehmen. 2
Aus dem Gesagten erklären sich viele Gebräuche und Sitten, die man sonst
nicht verstehen könnte.
1
Kitäb tashili ’l-manäfF etc. 167.
2
Vergl. 3. Mos. 12, 1— 5.