Aberglaube und Volksmedizin im Lande der Bibel. Hamburg: L. Friederichsen & CO., 1914.
Superstition and Folk Medicine in Palestine (the Land of the Bible)
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0. Andere Krankheitsursachen.
Es sollen hier noch solche Krankheitsursachen beschrieben werden, die
sich in den bisherigen Gang der Darstellung nicht unterbringen ließen, Krankheitsursachen,
von denen jede eine Klasse für sich bildet. Sie sind darum nicht
weniger bekannt und verbreitet im Volk. Wir finden den Glauben an sie in
allen Schichten in gleicher Weise heim Muselmann wie Christen und Juden, bei
ungebildeten Bauern, gerade so wie bei gebildeten Städtern. Bei allen müssen
viele Geschichten Beweis und Begründung für die Richtigkeit ihrer Anschauungen
liefern.
Hierher gehören
1. Angeborene Mißbildungen. Werden einer Schwangeren ihre
Wünsche nicht erfüllt, so prägt sich sicher das Gewünschte oder etwas davon
dem Körper des Neugebornen auf. Die alten Weiber haben immer vieles von
solchen unerfüllten „Wunschzeichen“ 1 zu erzählen. Sie haben die Form von
Äpfeln, Birnen, Maulbeeren, erinnern an eine Ziegenhaut, an Schlangenteile,
Fische und andere Dinge und verunstalten den Menschen, insbesondere, wenn
sie im Gesicht, an Stirne und Hals, oder an den Händen des Kindes zu sehen
sind. Diese Zeichen sollen immer an derjenigen Stelle erscheinen, auf welche
die Frau ihre Hand beim Ausspruch ihrer Wünsche gelegt hatte. Um solche
häßliche Zeichen (Muttermale) von ihren Nachkommen fernzuhalten, sind die
Väter bemüht, ihren schwangeren Frauen alle Wünsche, und mögen sie noch so
kostspielig sein, zu erfüllen.
2. Einige Leiden sollen mit dem Kinde geboren werden und dann spätestens
während der ersten Monate erscheinen. Die Hauptkrankheit dieser Gruppe ist
die dufdaa = Frosch. Darunter verstehen die klugen Frauen ein kleines Geschwür,
eine Art Entzündung oder Geschwulst unter der Zunge, an dem abnormal
verlängerten Septum der Zunge, oder um die Venen, welche an der unteren
Seite der Zunge sich befinden.
3. Die Menstruierende. Das Weib im Zustande der Menstruation,
sowie die Wöchnerin wurden von allen alten Völkern (3 Mose 15, 19 ff.,
3 Mose 12, 1 ff.), also auch von den alten Arabern, als unrein und gefährlich angesehen.
Die Erklärung dazu ist darin zu suchen, daß man bei der Geburt
und bei allem was mit der Fortpflanzung der Rasse in Zusammenhang steht,
eine übernatürliche, aber auch gefährliche Kraft mit im Spiele glaubte. Jede
Frau in diesem Zustande ist von bösen, tötlichen Dämonen umgeben, deshalb
bringt jedes unvorsichtige Berühren in Gefahr und kann die Betreffenden sogar
das Leben kosten. Diese Theorie stellt einen Eckstein dar in dem Aberglauben
aller
Semiten.
Eine andere Erklärung ist folgende : das Blut wurde von altersher und wird
von den jetzigen Palästinensern noch immer als das Medium angesehen, in dem
sich die lebende Seele des Menschen aufhält. 2 Ja einige Palästinenser identifizieren
„Blut“ mit „Leben“ und „Leben“ mit „Seele“. Das Blut enthält nach
1
„schahue“ genannt.
2
Vergl. 3. Mose 17: 11, 14; 1. Mos. 9:4; 5. Mos. 12, 23. Deshalb war es auch den Hebräern
verboten, Blut zu essen. 3. Mose 3: 17; 7: 23, 26; 5. Mos. 12, 16; 1. Mos. 9, 4; 3. Mos. 17, 10;
19, 26; 1. Sam. 14, 33 u. 34; Apostg. 15, 20 u. 29.