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Aberglaube und Volksmedizin im Lande der Bibel. Hamburg: L. Friederichsen & CO., 1914.

Superstition and Folk Medicine in Palestine (the Land of the Bible)

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Zur Erläuterung des Obigen soll folgendes Beispiel dienen. A ist sanguinisch.

Er ist heiter und froh. Erkrankt er, so ist es eine Blutwallung; die Leber ist

das meist angegriffene Organ, wenn auch nur zeitweise. Der Sanguiniker erkrankt

gewöhnlich im Frühling.

Solche Medikamente, deren Eigenschaften im Gegensatz

zu seinem Temperament, welches feucht und heiß ist, stehen, helfen am besten,

d. h. Arzeneien mit den vorwiegenden Merkmalen Trockenheit und Kälte.

Sucht ein kranker Fellach einen erstklassigen Scheck auf, so plappert dieser

ihm diese oder eine ähnliche verzwickte Theorie vor. Manchem, selbst dem

gebildeten Palästinenser ist diese Theorie in der gegebenen tabellarischen Aufstellung

unbekannt; doch kann man aus verschiedenen Gebräuchen schließen,

daß sie einmal sehr verbreitet und bekannt war.

Man glaubt, daß der menschliche Körper aus Organen besteht, welche

verschiedenen Grundstoffen sowohl fester, flüssiger als auch gasförmiger Natur

angehören. Diese Grundstoffe: Blut, Luft (

ariä/i = Winde genannt), Lymphe

(balgham= Schleim) durchspülen fortwährend den Körper. Jede dieser Substanzen

hat ihre eigenen Kanäle, in welchen sie zirkuliert.

Zwar werden diese Ausdrücke nur vereinzelt in den Krankengeschichten

angewandt; auch wird der Patient sie nicht verstehen, wenn man ihn daraufhin

ausfragen würde. Deshalb ist man zunächst geneigt die aufgestellten Systematisierungen

zu verwerfen. Doch wenn man die Regeln, medizinischen Einteilungen

und Ausdrücke des Fellachen aufmerksam betrachtet, vergleicht und analysiert

und die Arten der üblichen Behandlung näher ins Auge faßt, muß man sie

gelten lassen.

„Nazle“ ist ein Unwohlsein, welches meistens von der Witterung verursacht

wird; die schlimmsten Fälle davon sind diejenigen, welche von der Kälte herrühren.

Deshalb heißt es auch „nazlet bard“ . Ein

allgemeines Sprichwort lehrt;

el-bard asl kull c illi = die Kälte ist die Ursache jedes Übels. Diese Auffassung

scheinen auch die alten Araber geteilt zu haben. Nach Abu Hureira soll der Prophet

gesagt haben: „aslu kulli da in al-bard 11 .' Jede nazle — Niederschlag

2

erzeugt

immer eine Entzündung, die je nach dem betroffenen Organ sich verschieden

äußert: beim Auge tritt sie als Röte und Eiter auf, in der Nase als Schnupfen,

im Kopf mit heftigen Schmerzen, auf der Brust als Katarrh und in den Gedärmen

als Abweichen. Das Wort „nazle“ bedeutet ferner, daß das Übel von

einer hohen Stelle nach einer niedern kommt. Das will sagen, daß die Substanzen,

die in dieser Krankheit abgesondert werden, immer von oben nach

unten hinausbefördert werden. Der Schleim des Schnupfens wird von der Stirnhöhle

aus, der Auswurf beim Husten von der Lunge aus, das Abweichen bei

Diarrhöe vom Magen aus abwärts geschafft und anderes in ähnlicher Weise.

Jedes Organ kann von dieser Krankheit angegriffen werden; am meisten leiden

aber solche, die mit Schleimhäuten bedeckt sind. Die schlimmsten Krankheiten

solcher Art kommen gewöhnlich in den 40 Tagen nach Weihnachten, der

„ mirb c anije “ vor. Deshalb betet der Bauer: ja rabbi nadschina min nazlät elmirb

c anije = Behüt uns Gott, vor dem Übel der mirbcanije. 3

1

„Die Ursache jeder Krankheit ist die Kälte“.

2

von „nazila“ heruntergehen.

3

Z. D. P. V. 1913, Oktober.

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