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Aberglaube und Volksmedizin im Lande der Bibel. Hamburg: L. Friederichsen & CO., 1914.

Superstition and Folk Medicine in Palestine (the Land of the Bible)

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daß der „Getroffene“ plötzlich tot zusammenbricht, oder daß er sich eine akute

Krankheit zuzieht. In anderen Fällen arbeitet die Wirkung viel langsamer, der

Getroffene siecht wochen-, ja monatelang dahin.

3. Die „böse Seele“.

Manche verstehen unter der „bösen Seele“ dasselbe wie unter dem „bösen

Blick“. Ich glaube, daß diese Gleichsetzung darauf beruht, daß eben die Wirkung

der „bösen Seele“ derjenigen des „bösen Auges“ sehr ähnlich ist. Aber

der Sprachgebrauch nafs = Seele, manfüs = er ist beseelt, nafsu c ätli = seine Seele

ist böse, schlecht, nafsu film = seine Seele ist darin etc., und der Umstand, daß

die Behandlungsweise bei beiden verschieden ist, weisen nur zu deutlich auf

eine ursprüngliche, wesentliche Verschiedenheit hin.

Man nimmt an, daß der menschlichen Seele eine Kraft innewohnt, von der

sie etwas in unsichtbarer Form auf andere überführen kann. Ist der Mensch

schlecht, neidisch, niederträchtig, hinterlistig etc., so schadet diese abgesonderte

Seelenkraft demjenigen, den sie treffen will. Das berührt sich mit der vom

Altertum auf uns gekommenen Anschauung, nach welcher in jedem Menschen

ein böser und ein guter Geist wohnen soll. Wenn der böse Geist die Oberhand

gewinnt, so wird der Mensch schlecht und er, d. h. dieser böse Geist, der

ihn beherrscht, wird anderen zum Schaden. Die „Absonderung“ dieser Seelenkraft

vollzieht sich im Hauche des Menschen

;

deshalb wird oft nafas

— Hauch,

intafas = er wurde „behaucht“ gebraucht. Besonders dann kann die böse Seele

en-nafs er-radije Schaden wirken, wenn sie etwas, das ihren Gefallen gefunden

hat, für sich wünscht. Hier liegt nun gerade das, was für die „böse Seele“ im

Unterschied vom „bösen Auge“ eigenartig, charakteristisch ist. Während eine

Mutter durch den Blick unwillkürlich ihrem Kind Schaden bringen kann, wenn

sie etwa seine Schönheit bewundert, schadet die Seele nur (selbst wenn sie böse

ist) mit bewußtem Willen — willkürlich und vorsätzlich. Zunächst tritt das so

in Erscheinung, daß sie ihre Eigenen nicht unglücklich macht. Ein weiterer Unterschied

ist der, daß die „böse Seele“ nur direkt wirkt, während der „böse Blick“

auch undirekt — abwesenden Personen schaden kann. Der Glaube an das

„böse Auge“ ist weit mehr verbreitet als der an die „böse Seele“.

Die Seelenkraft hat ebenso wie der „böse Blick“ einen Einfluß auch auf

Tiere, Pflanzen und Mineralien.

Die Krankheiten, die durch die „böse Seele“ verursacht werden können,

sind gewöhnlich allgemeine wie Fieber, Schwäche etc.

B. Äußere Einflüsse.

Die Hauptursachen jeder Krankheit sind die schon besprochenen, übernatürlichen

Kräfte der Dämonen und Geister, das „böse Auge“ und die „böse

Seele“. Jedes Unwohlsein wird in irgendeiner Weise auf eine dieser geheimnisvollen

Mächte zurückgeführt. Doch glaubt man, daß diese Kräfte sehr oft auch

indirekt wirken — d. h. durch eine zweite Ursache. In solchen Fällen tritt diese

zweite Ursache in den Vordergrund, während die erste verborgen und unerkannt

bleibt und nur von einem Fachmann, einem „Schech“ oder einer „alten Frau“

bestimmt werden kann.

Die Anschauungen der jetzigen Palästinenser über diese

in zweiter Linie stehenden Ursachen beruhen teilweise auf den Lehren der

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