Aberglaube und Volksmedizin im Lande der Bibel. Hamburg: L. Friederichsen & CO., 1914.
Superstition and Folk Medicine in Palestine (the Land of the Bible)
Superstition and Folk Medicine in Palestine (the Land of the Bible)
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sie immunisierende Kraft besäßen. Werden sie von Skorpionen gestochen, so
bleiben sie vollständig gesund, während die Tiere immer daran zu Grunde
1
gehen. Mohammed und einige seiner Hausgenossen sollen an die Wirkung
des „bösen Auges“ geglaubt haben. Er befahl, zwei Sorten von Schlangen zu
töten, da sie durch ihre Blicke Schwangere verzaubern und ihre Frucht abtreiben
könnten. Genau so verhält es sich mit dem Gift des „bösen Blickes“. 2 Der
Prophet sagte :
„Das „böse Auge“ kann den Mann ins Grab bringen und des
Kamels Schicksal beschleunigen.“ Deshalb gebot er, sich gegen die Wirkung
desselben zu schützen. Nach Ibrahim el-Azrak (Tasldl el-manäfi c , p. 182) hat er
c
Aische obige Forderung ans Herz gelegt.
Fellachen und Städter behaupten, „zwei drittel der Gräber umschließen
Opfer des ,bösen Blickes 1 .“ 3
Die Hebräer des talmudischen Zeitalters und
vortalmudischen Zeitalters sowie die jetzigen Juden hatten und haben noch
dieselbe Überzeugung. „Rab (der in Babylon wohnte) und Chijja der Ältere
meinen, von 100 Menschen sterben 99 an dem ,Auge‘ und nur einer durch den
Himmel.“ 4
Das „böse Auge“ übt Unheil nicht nur an Menschen aus, sondern es trifft
auch Tiere. Pflanzen läßt es verwelken und verdorren, ja sogar Mineralien
brechen, oder lösen sich unter seiner Gewalt in ihre Bestandteile auf.
Das so oft angeführte Beispiel des Kameles, das von einem, dessen „Auge
trifft“, „berufen“ wurde und sofort fällt (L. Einsler, Z. D. P. V. & Mosaik S. 25),
finden wir in etwas variierter Form in mehreren Büchern. Bei ed-Derabi S. 84
lesen
wir:
Es soll einer erzählt haben : Ich fand in den Schriften eines alten Gelehrten, daß in
Bachrasän ein Laie sich aufgehalten habe, der die Kraft gehabt hätte zu berufen. Während dieser
eines Tages in Gesellschaft mehrerer Leute saß, ging eine Kamelskarawane vorbei. Da fragte er
die Gesellschaft: „Von welchem Kamele soll ich euch Fleisch zum Essen geben?“ Sie erwählten
das Schönste. Es genügte ein Blick, und das Kamel stolperte und fiel um. Der Kamelfiihrer, ein
sehr kluger Mann, der die Ursache sofort erkannte, sprach: „Derjenige, der mein Kamel „gebunden“
hat, soll den Zauber sofort auflösen und soll sagen: Im Namen Gottes, des Großen und Allmächtigen,
was Gott will, soll geschehen In deinem Namen, du Allmächtiger, sende ich die
üble Wirkung des , bösen Blickes 1 demjenigen zurück, aus welchem sie ausstrahlte, seiner Leber,
seiner Niere, seinen besten Freunden. Du böser Blick, kannst du zaudern zu gehorchen?“ Und
wahrhaftig, das Kamel stand auf und war gesund wie zuvor.
Im Folgenden soll nur die Wirkung des „bösen Blickes“ auf den
Menschen näher betrachtet werden. Gewöhnlich schadet das „Auge“ nur
dann, wenn der Mensch den Gegenstand neidisch oder feindlich betrachtet. Dabei
ist es nicht immer nötig, daß das Opfer gegenwärtig ist. Jedoch erhöht
sich die böse Wirkung des „Auges“, wenn sich der Getroffene im nächsten
Bereiche desselben befindet. Sie äußert sich aber am stärksten, wenn der
Neider sich verstellt und seinen Neid in eine freundschaftliche, vertrauliche
Äußerung der Bewunderung kleidet, die einem „hauchenden Seufzer“ (
schalika
genannt) gleicht. Wenn jemand ein kräftiges Kind auf den Armen trägt, so drückt
1
Tashilu H-manafi c fit-f.ibbi u al-hikmat
2
1. c.
p. 66.
3 tulten el-(i)kbur min el-'en.
4 Blau, „Das altjüdische Zauberwesen“ 153.