Aberglaube und Volksmedizin im Lande der Bibel. Hamburg: L. Friederichsen & CO., 1914.

Superstition and Folk Medicine in Palestine (the Land of the Bible) Superstition and Folk Medicine in Palestine (the Land of the Bible)

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24Diese unsichtbaren und unheilbringenden Mächte werden durch unbedachtvollzogene Handlungen so gereizt, daß sie sich sofort rächen:Kinder, welche abends oder nachts Unfug im Friedhof treiben, z. B. andie Gräber klopfen, oder sogar Knochen zerbrechen und dabei keinen Heiligenanrufen, erkranken, da sie die hier wohnenden Geister in ihrer Ruhe stören. —Bei den Juden verwirkte jeder sein Leben, der im Friedhof übernachtete .Schüttet man Freitag abends Wasser, mit welchem man sich gewaschenhat, vor der Haustüre aus und nennt nicht dabei den Namen eines Heiligen, sowird man von den Geistern geschlagen. Nach der Tosifta Sabbath (c IV—VII)ist es eine ammonitische Sitte gewesen, schmutziges Wasser auszuschütten, umZauber zu bewirken. (Blau.)Kinder, welche Mittwochs 2 oder Freitags gebadet werden, erkranken.Es gibt Leute, welche die Kraft besitzen, die Dämonen sich dienstbar zumachen oder sie zum Schaden eines anderen Menschen aufzureizen. Dann schreibtder Zauberer eine Formel, wirft sie auf den Weg des Feindes, legt sie insein Bett oder zwischen seine Kleider, verbirgt sie in der Nähe des Hausesoder hängt sie auf einen Baum im nächsten Garten. Auch kommt es vor, daßder Talisman verbrannt und die Asche um das Haus desanderen herum zerstreutwird. Der Zauberer glaubt sicher, daß nach solchen Vornahmen der Gehaßtean seinem eigenen Körper oder in seiner Familie oder an Hab und Gut Schadenleiden muß.Die auf diese Weise Erkrankten nennt man „gebunden“ (marbütin),oder „verzaubert“ (mashürin). Die Zauberer sind deshalb, wie wir aus derganzen Geschichte aller Semiten wissen, gefürchtet. Die Hebräer duldeten keinenZauberer und keine Hexe in ihrer Mitte .3Diese Zauberer bedienen sich neben ihren Beschwörungsformeln undTalismanen auch der Magie, um ihren Feinden allerhand Schaden zuzufügenwie Krankheit, Verlust von Körperteilen, ja des Lebens. Untersucht man dieseMagie näher, so läßt sich die Ähnlich keits- und die Berührungsmagieunterscheiden.Erstere beruht darauf, daß man den Schaden, den man dem anderenzudenkt, an einem Bilde von ihm oder sonst einem ihn darstellenden oder stellvertretendenGegenstand vollzieht. Man glaubt, auf diese Weise den Feindselbst mit gleichem oder ähnlichem Unheil zu schlagen. Bei der Behandlungsolcher Krankheiten, welche vom „bösen Blick“ hergeleitet werden, durchstichtz. B. eine alte Frau mit einer Nadel ein in Wachsform modelliertes oder aufPapier gezeichnetes Auge. Diese Abbilder sollen die Augen des Feindesdarstellen. Sie sagt dabei: „Werde durchstochen, du Auge des Feindes“ (oderNeiders) (inchizki ja c en el-'aduu oder hasüd). Damit gelten ihr die Augen desFeindes für durchbohrt. Nach demselben Heilverfahren wirft man Alaun insFeuer. Die durch das Schmelzen des Minerals entstandene Figur stellt denÜbeltäter dar. Der Alaun wird darauf pulverisiert und zerstreut. Gründlichen11Simon ben Jochai Nidda 17a (nach Blau).2Nach talmudiscliem Aberglauben ist man der Gefahr der bösen Geister ausgesetzt, wenn manMittwoch oder Samstag nachts Wasser trinkt (Blau).3 2. Mos. 22, 18; 3. Mos. 20, 27; Mich. 5, 11; 4. Mos. 23, 23.

25Schaden denkt man so dem im Alaun dargestellten Feind zugefügt zuhaben. 1Die Berührungsmagie geht von der Annahme aus, daß ein unverlierbarerKontakt vorhanden sei und bestehen bleibe zwischen einem Ding und demBesitzer, dem es in irgend einer Weise eignet oder geeignet hat. So verlierenabgeschnittene Haare oder Nägel, ausgeschiedenes Blut oder Schweiß, abgelegteKleider, die innere übernatürliche Beziehung zu der Person, der sie gehörenoder gehörten, nicht. Sie bleiben im Zusammenhang mit ihrer Herkunft. 2 Aufdieser Annahme gründet sich der Gebrauch des „ater“ = Spur. Er gehört zu dieserGruppe und ist eines der gefürchtetsten ,zugleich aber doch am meisten gebrauchtenSchädigungsmittel. Kann ein Böswilliger von seinem Feind einenTropfen Blut, ein wenig Haar, ein Plazenta-Stück, etwas von seiner Kleidung,und wäre es nur einen Fetzen davon, bekommen, so kann er damit viel Unheilanrichten. Folgende Beispiele sollen dieses erläutern:Nimmt eine Menstruierende einen Fetzen — mag er noch so klein sein —von den Kleidern des Kindes, das ihrer Feindin gehört, und trägt es währendihres Unwohlseins, so erkrankt das Kind. Die üble Wirkung des Blutes (s. S.36— 39) wird durch den irgendwie zueigen gebliebenen Kleiderfetzen auf dasKind' übertragen.Verbrennt man Haare, Nägel oder ein Stück von den Kleidern von Kindernoder Jünglingen, so erkranken sie.Will man eine Frau kinderlos machen, so soll man im Blute ihrer Menstruationoder Geburt einen Wattebausch eintauchen und denselben vergrabenoder verbrennen.Nun mögen hier auch einige Beispiele erwähnt werden,welche zeigen sollen,wie die Dämonen durch äußerliche einfache Handgriffe zum Schaden eines anderenaufgereiztwerden können.Dreht während der Trauung der Feind des Bräutigams einen Schuh um,so wird der Bräutigam davon betroffen — „berührt“ — und bleibt kinderlos.Knüpft während des Trauaktes der Feind Knoten in eiuen Faden, so wirdder Bräutigam verzaubert. Um dem entgegenzuarbeiten und seine Wirkung aufzuhebenoder um die Brautleute davor zu schützen, sitzt eine nahe Verwandtehinter den beiden Brautleuten und näht ihre Kleider mit einer ungefädelten Nadelzusammen.Das Knotenbinden ist ein uralter Kniff, Zauber zu bewirken.Sehr oft wird dem Bräutigam von seinem Feinde innerhalb der KircheMehl auf den Weg gestreut. Tritt er darauf, so haben ihn die Dämonen in1Zu dieser Gruppe der Magie gehören auch die Nachahmungen von Körperteilen, die man sichgesund wünscht, wie Füße, Hände, Brüste, Augen, Kopf etc., und die von den Kranken an einHeiligenbild gehängt werden, meistens an das der Jungfrau Maria. Diese Nachahmungen sindgewöhnlich aus Silber, manchmal aber auch aus Gold.2Zu dieser Gruppe gehört mit der größten Wahrscheinlichkeit das Binden von Fetzen, die denKranken gehören, an Heiligtümer. Der hier wohnende Geist des betreffenden Heiligen kannden Kranken durch das „Berühren“ des Fetzens, der von ihm stammt, gesund machen. DieseErklärung ist wohl die der Sache am nächsten kommende. Über andere Erklärungen sieheweiter unten S. 88.

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Schaden denkt man so dem im Alaun dargestellten Feind zugefügt zu

haben. 1

Die Berührungsmagie geht von der Annahme aus, daß ein unverlierbarer

Kontakt vorhanden sei und bestehen bleibe zwischen einem Ding und dem

Besitzer, dem es in irgend einer Weise eignet oder geeignet hat. So verlieren

abgeschnittene Haare oder Nägel, ausgeschiedenes Blut oder Schweiß, abgelegte

Kleider, die innere übernatürliche Beziehung zu der Person, der sie gehören

oder gehörten, nicht. Sie bleiben im Zusammenhang mit ihrer Herkunft. 2 Auf

dieser Annahme gründet sich der Gebrauch des „ater“ = Spur. Er gehört zu dieser

Gruppe und ist eines der gefürchtetsten ,

zugleich aber doch am meisten gebrauchten

Schädigungsmittel. Kann ein Böswilliger von seinem Feind einen

Tropfen Blut, ein wenig Haar, ein Plazenta-Stück, etwas von seiner Kleidung,

und wäre es nur einen Fetzen davon, bekommen, so kann er damit viel Unheil

anrichten. Folgende Beispiele sollen dieses erläutern:

Nimmt eine Menstruierende einen Fetzen — mag er noch so klein sein —

von den Kleidern des Kindes, das ihrer Feindin gehört, und trägt es während

ihres Unwohlseins, so erkrankt das Kind. Die üble Wirkung des Blutes (s. S.

36— 39) wird durch den irgendwie zueigen gebliebenen Kleiderfetzen auf das

Kind' übertragen.

Verbrennt man Haare, Nägel oder ein Stück von den Kleidern von Kindern

oder Jünglingen, so erkranken sie.

Will man eine Frau kinderlos machen, so soll man im Blute ihrer Menstruation

oder Geburt einen Wattebausch eintauchen und denselben vergraben

oder verbrennen.

Nun mögen hier auch einige Beispiele erwähnt werden,

welche zeigen sollen,

wie die Dämonen durch äußerliche einfache Handgriffe zum Schaden eines anderen

aufgereizt

werden können.

Dreht während der Trauung der Feind des Bräutigams einen Schuh um,

so wird der Bräutigam davon betroffen — „berührt“ — und bleibt kinderlos.

Knüpft während des Trauaktes der Feind Knoten in eiuen Faden, so wird

der Bräutigam verzaubert. Um dem entgegenzuarbeiten und seine Wirkung aufzuheben

oder um die Brautleute davor zu schützen, sitzt eine nahe Verwandte

hinter den beiden Brautleuten und näht ihre Kleider mit einer ungefädelten Nadel

zusammen.

Das Knotenbinden ist ein uralter Kniff, Zauber zu bewirken.

Sehr oft wird dem Bräutigam von seinem Feinde innerhalb der Kirche

Mehl auf den Weg gestreut. Tritt er darauf, so haben ihn die Dämonen in

1

Zu dieser Gruppe der Magie gehören auch die Nachahmungen von Körperteilen, die man sich

gesund wünscht, wie Füße, Hände, Brüste, Augen, Kopf etc., und die von den Kranken an ein

Heiligenbild gehängt werden, meistens an das der Jungfrau Maria. Diese Nachahmungen sind

gewöhnlich aus Silber, manchmal aber auch aus Gold.

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Zu dieser Gruppe gehört mit der größten Wahrscheinlichkeit das Binden von Fetzen, die den

Kranken gehören, an Heiligtümer. Der hier wohnende Geist des betreffenden Heiligen kann

den Kranken durch das „Berühren“ des Fetzens, der von ihm stammt, gesund machen. Diese

Erklärung ist wohl die der Sache am nächsten kommende. Über andere Erklärungen siehe

weiter unten S. 88.

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