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Aberglaube und Volksmedizin im Lande der Bibel. Hamburg: L. Friederichsen & CO., 1914.

Superstition and Folk Medicine in Palestine (the Land of the Bible)

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Ein türkisches Bad alten Stils hat immer etwas Mysteriöses, und gerade

dieser Umstand erhält den Glauben an die Geister aufrecht. Folgende Geschichte

zeigt, wie die Bäder zuweilen auch von guten Geistern bewohnt sein können.

Ein reicher und gerechter Fürst, der drei Töchter hatte, führte, getragen von der Liebe

seiner treuen Untertanen, ein friedliches Regiment. Da geschah es, daß er von einem Feind

besiegt, abgesetzt und alles Besitzes beraubt, aus seinem Palast verjagt wurde. In diesem armseligen

Zustand verheiratete er seine jüngste Tochter, nicht wie die beiden älteren an reiche Kaufleute,

sondern an einen armen, aber ehrlichen und fleißigen Straßenkehrer. Dieser führte sie in

seine schmutzige, feuchte und dunkle Wohnung heim. Sie wurde blaß, schwach und zuletzt krank.

Gute Freunde rieten ihr, in einem Bad zu übernachten, um für die bevorstehende Geburt Blut

und Kräfte zu gewinnen. Die Hitze des Bades werde ihr schon alle bösen Keime zusammen mit

dem Schweiß austreiben und ihr neue Kraft geben. Der Badebesitzer erbarmte sich der armen

Schwachen und ließ sie unentgeltlich im Bade übernachten. Plötzlich überiielen sie nachts die

Wehen. Sie beweinte ihre Hilflosigkeit und wünschte sich in diesem Augenblick eine gute Seele.

Da wurde es auf einmal hell und siehe, sieben schöne Jungfrauen kamen heraus aus der Wand,

wo keine Tür und kein Fenster war. Sie redeten sie freundlich an, trösteten sie und halfen ihr.

Sie badeten den Neugeboruen und kleideten ihn an. Nach wohlgetaner Arbeit reichten sie ihr

noch ein Paketchen und verabschiedeten sich mit den Worten: „Gott vergißt den ehrlichen Armen

nicht, gebe dieses deinem Manne!“ Darauf verschwanden sie. Morgens als sie heimging, gab sie

das Paketchen ihrem Manne, der eine Masse Gold darin fand. Er dankte Gott, baute sich ein

nettes Häuschen und lebte friedlich mit seiner Frau und seinem Kind. 1

Keine Frau, sei sie Christin, Mohammedanerin oder Jüdin, unterläßt es,

auf die verschiedenste Weise Gott, einen Heiligen oder etwas Heiliges (Kreuz)

wiederholt anzurufen, wenn sie ins Bad eintritt. Dies wiederholt sich beim Betreten

der Baderäume selbst. Es sind dabei keine besonderen Formeln, sondern

nur die auch sonst gebrauchten üblich. Auf diese Weise glauben sie die bösen

Geister zu verscheuchen und unschädlich zu machen.

Fast alle Zisternen gelten als bewohnt. Der Grund dazu mag wohl derselbe

sein, der schon früher bei den Quellen erwähnt wurde. Er liegt in der

vermeintlichen Verbindung mit der Unterwelt. Brunnen wurden im Altertum als

eine

2

Wohnstätte von Geistern angesehen . Der Brunnen Baihüt und das Tal

Barahüt in welchen er sich befand (in Hadramaut = Arabien), sind die von Gott

,

am meisten gehaßten Orte, da der Brunnen die Geister der Ungläubigen in sich

berge. Das Wasser ist schmutzig, schwarz und riecht sehr übel. Wer in der

Nähe schläft oder vorbeigeht, soll das Gejammer der Masse der Geister, die von

dem König Duma regiert werden 3 ,

hören.

Die Bewohner der Brunnen erscheinen abends und nachts in mancherlei

Gestalten und Formen. Einige Brunnen sind zugleich von guten und bösen

Geistern bewohnt; so erscheint z. B. an Bir L Ona (in Bet-dschala) gewöhnlich die

heilige Jungfrau; aber zu Zeiten will man einen abscheulich aussehenden Schwarzen

bemerkt haben.

Folgende Geschichte zeigt, wie tief der Glaube an das Bewohntsein der Brunnen unter dem

Volke herrscht. Die Tochter von Muhammad Rasäs ,

welcher im Damaskustorviertel (Jerusalem)

wohnt, ging abends an die Zisterne, die in einer dunklen Kammer des untersten Stockwerks liegt,

um Wasser zu schöpfen. Kaum hatte sie den Eimer hinuntergelassen, da fühlte sie, wie dieser von

1

Erzählt von Zuhra el-Muakkit, der Tochter von Kurbahä c Abdu.

2

Smith, 1. c.

3

Dairatu ’l-ma'ärif V, 377.

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