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Aberglaube und Volksmedizin im Lande der Bibel. Hamburg: L. Friederichsen & CO., 1914.

Superstition and Folk Medicine in Palestine (the Land of the Bible)

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14

Ein junger Mann von Ratlün führte eines Tages einige Maultiere und Esel zur Weide. Er

verspätete sich in den einsamen Feldern, die weit ah von Menschenwohnungen lagen. Ein

schmuckes, junges Mädchen kam auf ihn zu, setzte sich zu ihm und begann eine ungezwungene

Unterhaltung. Er entschloß sich, die Jungfrau zu heiraten. Da führte sie ihn zu ihrer Wohnung.

Sie kamen an eine glatte Felsenwand, die weder Riß noch Türe zeigte. Sie murmelte einige Sätze

vor sich hin, die ihr Begleiter nicht verstehen konnte. Der Fels tat sich auf, und beide traten

hinein. Auf ihren Befehl schloß sich die Felswand hinter ihnen wieder zu. Sie gelangten in eine

prachtvolle unterirdische Stadt, in der eine Unzahl von merkwürdigen Lebewesen wimmelte:

Zwerge und Riesen. Nach dreimonatlichem Zusammenleben mit ihrem Geliebten gab sie seinen

Bitten nach und ließ ihn wieder in die freie Welt ziehen. Seine Freunde und Bekannten wunderten

sich darüber, wie sich sein Charakter verändert hatte. Er erzählte nämlich fortwährend von seiner

Schönen. Ein mohgrabi (Maghrebiner-Marokkaner), der zur Zeit durchs Land zog, schrieb ihm einen

Talisman, der den Geplagten von der Gewalt der dsclünnije befreite, und alle seine Eindrücke von

dem Erlebnis mit ihr auslöschte.

Die Dämonen sollen solche Kleider tragen, über denen der Name Gottes

bei der Herstellung nicht ausgesprochen wurde. Dieser Glaube herrschte bereits

in den Anfangszeiten des Islam. 1 Eine Dame von Jerusalem mit guter, europäischer

Schulbildung behauptete, daß die dschinn ihre Kleider nachts „leihen“ 2 .

Sie bemerkte nämlich, daß sie untragbar wurden, obgleich sie dieselben nie

mehr als 1— 2 mal benutzt hatte. Sie ließ ihren Kleiderschrank durch einen

Priester ausräuchern und seitdem geschah niemals mehr dergleichen.

Oft bedürfen die dschinn der menschlichen Hilfe. In diesem Fall

erscheinen sie dem Menschen in Menschengestalt und bitten sie um Hilfe, indem

sie gute Belohnung in Aussicht stellen.

Eine Hebamme wird nachts aufgeweckt, sie möge schnell zu einer Gebärenden kommen.

Sie folgt dem Ruf und wird zu ihrer Verwunderung in ein einsam liegendes Tal geführt. Sie fürchtet

sich und wagt nicht zu fragen, wohin man sie geleitet. Endlich kommen sie an eine Höhle. „Versuch

dein Glück, o Menschenkind!“, sagen ihr die dschinn ,

„ist das Neugeborene ein Mädchen, so

wirst du mit allerlei Gaben beschenkt, ist es aber ein Junge, so mußt du leiden!“ Die betrogene

Hebamme zittert, geht aber dennoch an ihre Arbeit und hilft der Gebärenden. Es dauert nicht

lange, da kommt ein Mädchen zur Welt. Nach wohlgetaner Arbeit kehrt die Hebamme noch nachts

1

Dairatu ’l-maarif VI, 557 1 : Schafi c i und JBeihaki erzählen, daß ein Mann von den Ansdr

durch den dschinn entführt wurde. Nach einer Reihe von Jahren erschien er wieder in Medina.

Hier erzählte er dem ' Omar ihn el-Chattdb, daß er nach seiner Entführung so lange

bei den ungläubigen dschinn bleiben mußte, bis sie durch die Gläubigen besiegt wurden, die ihn

dann befreiten. Erstere sollen nach seinen Angaben nur dasjenige essen, was ohne Nennung des

Namens Gottes zubereitet wurde. Vgl. auch L. Einsler, Mosaik 3 etc.

2

Die dschdn (= dschinn) fertigen sich keine eigenen Kleider an, sie „entlehnen“ („ bijst’iru u )

diejenigen der Menschen. Folgende Geschichte zeigt, wie sich das Volk dies vorstellt: Nachdem

ein Hirte abends seine Herde in einer Höhle sicher untergebracht hatte, saß er mutterseelenallein

im Halbdunkel, um sein kümmerliches Abendbrot, laban (Sauermilch) und Brot, zu verzehren

da erschien vor der Höhlenöffnung ein dscÄmw-Hochzeitszug. Die Geister tanzten um ihn

;

sie

schwangen sich in Reigen. Er hörte zeitweise seinen Namen rufen. Er gab aber keinen Laut

von sich. Nun bemerkte er, daß die Braut und verschiedene andere Frauen mit Gewändern

seiner Bekannten und nahen Verwandten bekleidet waren. Ja das Brautkleid erkannte er als das

Hochzeitskleid seiner Base, die vor kurzem geheiratet hatte. Nun tauchte er seine Hand in

laban und sobald eine „ dschinnije “ mit einem ihm verdächtigen Kleid in seine Nähe kam, berührte

er es mit seiner Hand. Nächsten Morgen erzählte er seine schaurigen Erlebnisse den

Dorfleuten. Man schenkte seinen Aussagen keinen Glauben, bis der Abdruck seiner Hand auf

allen von ihm aufgezählten Kleidungsstücken gefunden worden war. Freundinnen gaben nun den

guten Rat, abends viele Nadeln in die Gewänder zu stecken, um so die dschinn zu verscheuchen.

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