Aberglaube und Volksmedizin im Lande der Bibel. Hamburg: L. Friederichsen & CO., 1914.

Superstition and Folk Medicine in Palestine (the Land of the Bible) Superstition and Folk Medicine in Palestine (the Land of the Bible)

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6Diese mysteriösen Kräfte gelten als die Ursachen der meisten Krankheitenund Schicksalsschläge. Sie bilden noch im heutigen Palästina den Grundstockalles Aberglaubens. Mit ihnen vorzüglich arbeitet die Sage und die im Volklebendige Erzählung. Sie sind verwoben in das tägliche Gespräch, in unendlichviele Redensarten. Wir begegnen ihnen in Wunsch und Verwünschung.Von diesen „übernatürlichen Kräften“ kommen für uns hier in Betracht:1. die Dämonen,2. der „böse Blick“, und3. die „böse Seele“.1. Die Dämonen.Der jetzige Bewohner Palästinas teilt die Schar der Geister, wie dies vonjeher geschah, in „gute“ und „böse“ ein. Daß „der gute Geist“ und der „böseGeist“ als Gottheiten des Lichtes und der Finsternis der Ober- undUnterwelt heute noch wie einst vorgestellt werden', kann leicht als „Völkeridee“begriffen werden. Die primitiveren Religionen hießen diese „Geister“kurzweg „Götter“: aber mit fortschreitender Entwicklung der verschiedenenReligionen wurden die „Geister“, die „Dämonen“ als eine besondere Gruppeangesehen. Ja, die entwickeltste Religion des Altertums leitete den Götzendienstaus dämonischem Einfluß her. „Das Alte und Neue Testament identifiziert dieheidnischen Götter mit Dämonen. 2 Die Juden nannten den Obersten derDämonen mit dem Namen eines Gottes „Beelzebub“. 3Laut Tradition soll der Prophet Mohammed gesagt haben: „Jedem Menschenist ein Engel und ein „Dämon“ beigegeben, die ihn begleiten sollen.“ DieAraber vor und nach Mohammed teilten und teilen bis auf den heutigen Tagdie Geister in „dsehinn rnu'minün “ (gläubige Dämonen) und „ dschinn käfirün “(ungläubige Dschinnen). Die beiden bekämpfen sich fortwährend. Der Siegerraubt — wie es Sitte bei den Beduinen war und noch immer ist — alles, wasder andere besitzt.4Nach mohammedanischer Überlieferung soll Mohammed dieHochländer den gläubigen dschinn und die Tiefländer den ungläubigen als Bereichangewiesen haben. Letztere sind in Arabien die Brutstätten des Fiebers. 3Auch die Hebräer teilten die Masse der Geister in dienstbereite undverderbenbringende.wir,Treten wir nun näher an die palästinensische Dämonologie heran, so findendaß1Diese Gegenüberstellung von gut und böse, Tag und Nacht, weiß und schwarz findet manbei den einfachsten Fellachen in ihrem Aberglauben vertreten, z. B. der Platz ’en (Quelle) Fauunr(in der Fortsetzung des Tales von 'En Fdra) gilt als von einem c abd (die Originalbedeutung istKnecht, aber es wird auch fiir Neger angewandt) und einem hurr (Freier, Herr, der auch immerals Weißer gedacht ist) bewacht. Sie liegen miteinander im steten Kampf. Siegt der Weiße, soläßt er das Wasser sprudeln, unterliegt er aber, so bringt der Schwarze die Quelle zum Yer-Asiegen. — cEn ecl-dschoz (in der Nähe von Ramallah, nördlich von Jerusalem) wird von einemweißen und einem schwarzen Schaf „bewohnt“.2Deut. 32, 17; Psalm 96, 5; 106, 37; Jes. 13, 21; 34, 14; 65, 11: Act. 16, 16; I. Cor. 10, 20.3 Scholz, Götzendienst.4Ddiratu ’l-ma'arif (arab. Encycl. von el-Bustdni) VI : 554, 555— 558.5Smith, „Lectures on the Religions of the Semites“, 135.

7a) die guten, heiligen, himmlischen (al-arudh es-samäuije oderal-aruäh el-^alauije) oder göttlichen (al-arudh er-ralimänije) Geister die DienerGottes sind, welche seine Befehle ausführen und Gottes Wünsche erfüllen. Siesind insbesondere dazu da, um den Menschen, das bevorzugte LieblingsgeschöptGottes, zu beschützen. 1 In der Bibel und im Koran werden sie „Engel“ und„Gottes Diener“ genannt. Die wichtigsten unter diesen Engeln sind sieben. Sieregieren die sieben Tage der Woche und die sieben Planeten. 2 Folgende Tabellefügt zum Wochentage und den zugehörigen Planeten je den Namen des entsprechenden„guten Geistes“:Sonntag, Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag, Freitag, Samstag.Sonne, Mond, Mars, Mercur, Jupiter, Venus, Saturn.3Rökäijl, Dschubräijl, Samsamäijl, Michäijl, Sarafdijl,cAnäijl , Kasfäijl .Außer diesen sieben Hauptengeln gibt es noch eine große Schar von gutenGeistern. So heißt ein Hauptengel, der in der Liste nicht genannt ist,cuzräijl(der zu den vier „Preisengeln“ [s. u. S. 106, 108] gehört). Er ist Gottes Todesboteund deckt sich mit dem Todesengel der Bibel. 4Jedem Menschen ist ein guter Engel beigegeben, der ihn fortwährend begleitet,um ihn vor den bösen Dämonen zu schützen. Überstellt ein Menschmehrere Krankheiten ohne Nachteil, so heißt es : maläkustark.kaui = sein Engel istb) Die bösen Geister (Luk. 7, 21; 1. Sam. 18, 10) werden auch inder Bibel unsaubere Geister genannt (Luk. 6, 18; Mark. 1, 26; 3, 30; 7, 25;9, 25) und Teufel (Math. 9, 33; Luk. 4, 33; 8, 27 etc.). Sie stellen vonjeher den Menschen überall nach und verursachen, wie es auch die Babylonier,Ägypter und andere semitische Völker glaubten, jede Krankheit, den Tod undalles Unglück. Deshalb ist auch der jetzige Bewohner Palästinas, wie alleVölker des Altertums, in ständiger Furcht vor den Bewohnern dieser Zwischenwelt.„Es gibt in seinem Lande kaum einen Weiler, der nicht wenigstens einenBaum, eine geheime Stätte besäße, welche als Sitz böser Geister gelten.“ 5 KeinAugenblick seines Lebens ist vor diesen Dämonen sicher. Es ist gar nicht nötig,ein besonderes schweres Verbrechen auf sich zu laden: das geringste Versehen,der kleinste Verstoß kann hinreichen, diese überaus empfindlichen Geister zukränken.Folgende Geschichte mag als Beispiel dienen. Ein Holzhauer aus Ramallah (ed-Dschu r b genannt)ging eines Tages frühmorgens ins Feld, um in der Nähe seines Dorfes Baumvvurzeln aus-11. Mos. 32, 1; 2. Kg. 6, 17; Ps. 34, 8; Dan. 3, 28; 6, 22; Math. 18, 10; Luk. 16, 22; Apg. 12, 7;Ehr. 1, 14.2Es ist interessant zu wissen, daß die Babylonier sieben Götter hatten, welche die sieben Tageund die sieben Planeten regierten (vgl. A. Jeremias, „Das Alte Testament im Lichte des AltenOrients“).3Die Engeluamen könnten auch ohne das „j“ also Rukäil etc. geschrieben werden. Michäjilwird in einigen Büchern Mikäijl geschrieben.4Ex. 12, 23; II. Sam. 24, 15 und 16; II. Kge. 19, 35; Jes. 37, 36 etc.Die Hebräer glauben, daß der Todesengel am ersten Tage erschallen wurde. Er soll zwölfFlügel haben; s. Jew. Encycl. Vol. IV: 481 (Tan über Gen. XXXIX: 1 und Pirke, R. el XIII).5Diese und die folgende Beschreibung deckt sich mit dem Glauben der Hindus (n. J. Roberts)und der Babylonier (Lenormant). — Im Original steht anstatt „kaum einen“ „keinen“.

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a) die guten, heiligen, himmlischen (

al-arudh es-samäuije oder

al-aruäh el-^alauije) oder göttlichen (

al-arudh er-ralimänije) Geister die Diener

Gottes sind, welche seine Befehle ausführen und Gottes Wünsche erfüllen. Sie

sind insbesondere dazu da, um den Menschen, das bevorzugte Lieblingsgeschöpt

Gottes, zu beschützen. 1 In der Bibel und im Koran werden sie „Engel“ und

„Gottes Diener“ genannt. Die wichtigsten unter diesen Engeln sind sieben. Sie

regieren die sieben Tage der Woche und die sieben Planeten. 2 Folgende Tabelle

fügt zum Wochentage und den zugehörigen Planeten je den Namen des entsprechenden

„guten Geistes“:

Sonntag, Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag, Freitag, Samstag.

Sonne, Mond, Mars, Mercur, Jupiter, Venus, Saturn.

3

Rökäijl, Dschubräijl, Samsamäijl, Michäijl, Sarafdijl,

cAnäijl , Kasfäijl .

Außer diesen sieben Hauptengeln gibt es noch eine große Schar von guten

Geistern. So heißt ein Hauptengel, der in der Liste nicht genannt ist,

c

uzräijl

(der zu den vier „Preisengeln“ [s. u. S. 106, 108] gehört). Er ist Gottes Todesbote

und deckt sich mit dem Todesengel der Bibel. 4

Jedem Menschen ist ein guter Engel beigegeben, der ihn fortwährend begleitet,

um ihn vor den bösen Dämonen zu schützen. Überstellt ein Mensch

mehrere Krankheiten ohne Nachteil, so heißt es : maläku

stark.

kaui = sein Engel ist

b) Die bösen Geister (Luk. 7, 21; 1. Sam. 18, 10) werden auch in

der Bibel unsaubere Geister genannt (Luk. 6, 18; Mark. 1, 26; 3, 30; 7, 25;

9, 25) und Teufel (Math. 9, 33; Luk. 4, 33; 8, 27 etc.). Sie stellen von

jeher den Menschen überall nach und verursachen, wie es auch die Babylonier,

Ägypter und andere semitische Völker glaubten, jede Krankheit, den Tod und

alles Unglück. Deshalb ist auch der jetzige Bewohner Palästinas, wie alle

Völker des Altertums, in ständiger Furcht vor den Bewohnern dieser Zwischenwelt.

„Es gibt in seinem Lande kaum einen Weiler, der nicht wenigstens einen

Baum, eine geheime Stätte besäße, welche als Sitz böser Geister gelten.“ 5 Kein

Augenblick seines Lebens ist vor diesen Dämonen sicher. Es ist gar nicht nötig,

ein besonderes schweres Verbrechen auf sich zu laden: das geringste Versehen,

der kleinste Verstoß kann hinreichen, diese überaus empfindlichen Geister zu

kränken.

Folgende Geschichte mag als Beispiel dienen. Ein Holzhauer aus Ramallah (

ed-Dschu r b genannt)

ging eines Tages frühmorgens ins Feld, um in der Nähe seines Dorfes Baumvvurzeln aus-

1

1. Mos. 32, 1; 2. Kg. 6, 17; Ps. 34, 8; Dan. 3, 28; 6, 22; Math. 18, 10; Luk. 16, 22; Apg. 12, 7;

Ehr. 1, 14.

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Es ist interessant zu wissen, daß die Babylonier sieben Götter hatten, welche die sieben Tage

und die sieben Planeten regierten (vgl. A. Jeremias, „Das Alte Testament im Lichte des Alten

Orients“).

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Die Engeluamen könnten auch ohne das „j“ also Rukäil etc. geschrieben werden. Michäjil

wird in einigen Büchern Mikäijl geschrieben.

4

Ex. 12, 23; II. Sam. 24, 15 und 16; II. Kge. 19, 35; Jes. 37, 36 etc.

Die Hebräer glauben, daß der Todesengel am ersten Tage erschallen wurde. Er soll zwölf

Flügel haben; s. Jew. Encycl. Vol. IV: 481 (Tan über Gen. XXXIX: 1 und Pirke, R. el XIII).

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Diese und die folgende Beschreibung deckt sich mit dem Glauben der Hindus (n. J. Roberts)

und der Babylonier (Lenormant). — Im Original steht anstatt „kaum einen“ „keinen“.

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