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Aberglaube und Volksmedizin im Lande der Bibel. Hamburg: L. Friederichsen & CO., 1914.

Superstition and Folk Medicine in Palestine (the Land of the Bible)

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Es ist ersichtlich, daß die Bauernspeise im großen und ganzen leicht verdaulich

und sehr nahrhaft ist. Doch hat der Bauer und besonders seine jungen

Sprößlinge die üble Gewohnheit, unreifes Obst zu genießen. Außerdem sind

Maß und Zeit des Essens sehr ungeregelt. Die Kinder essen jedenfalls den

ganzen Tag. Das ist täglich in Dorf und Stadt zu beobachten.

Der Bauer Palästinas gehört im allgemeinen einem kräftigen, kernigen

Menschenschläge an. Die hervorstechendsten Eigenschaften sind: gleichmäßige, schöne

Gestalt, sehnige, muskulöse Glieder und zähe Widerstandskraft. Auch die Frauen

auf dem Lande, soweit sie von der städtischen Kultur noch unberührt geblieben

sind, haben einen überaus kräftigen, leistungsfähigen Körper. So kommt es noch

hie und da vor, daß Fellachenweiber mitten auf dem Weg niederkommen und

dann mit dem ueuen Erdenbürger, schwere Lasten auf dem Rücken tragend,

dem entfernten Heimatdorf zuwandern.

Noch heute kann man, zwar seltener als früher, bei Bauernfrauen, die in

die Stadt auf den Markt gehen, folgende Höchstleistung beobachten

: Auf dem

1

Kopfe tragen sie einen schweren Korb, der 8— 10 Rotel wiegen mag. Auf dem

Rücken schleppen sie ihr kleinstes Kind mit, und gleichzeitig spinnen sie noch

Wolle.

Es ist bezeichnend, daß der Bauer sowie die meisten Städter ihre Kleider

ganz naturgemäß tragen. Sie bestehen gewöhnlich nur aus einem langen, weiten

Hemd und wallenden Oberkleidern. So ist aller Druck auf die Glieder ausgeschlossen.

Seitdem aber jetzt westliche Kultur sich hier allmählich Bahn bricht und

das patriarchalische Leben des Palästinensers angreift, seitdem viele Eingeborene

nach Amerika und Europa auswandern und von dorther alle möglichen Krankheiten

und vielfache Verderbtheit heimschleppen, seitdem haben sich

Verzärtelung

und Epidemien ungeheuer rasch vermehrt und verbreitet.

Dazu hat der Bauer selbst manch üble Gewohnheit, durch welche er seinen

Körper schwächt. Das rührt besonders davon her, daß Unwissenheit und Aberglaube

in allen Schichten des Volkes herrschen und daß der Fellach selber die

Ursachen der Krankheit nicht kennt und nicht kennen will. Die Gefahr

der Ansteckung schätzt er sehr niedrig ein. Diese gänzliche Unvorsichtigkeit

und Unwissenheit des Fellachen auf hygienischem Gebiete und sein unentwickelter

Sinn für allen vorbeugenden Selbstschutz wird einem verständlich, wenn man

dreierlei

bedenkt:

1. Die religiöse Stellungnahme des Fellachen zu Kranken, Krankheit

und Ansteckung. Er glaubt, daß alles schon vorher „von Gott bestimmt

ist“ (kull sehe imkaddar). Deswegen treffen die Landbewohner und die Städter

bei ansteckenden Epidemien nicht die geringsten Vorsichtsmaßregeln; eine Krankheit

kann ja nur mit „Gottes Willen“ sich auf einen anderen übertragen. Dem

Kranken selber wird wenig Sorgfalt gewidmet; da er in „Gottes Hand“ ist,

1

des Deutsch. Paläst. -Yer. Bd. III, IV, VI (Klein, „Mitteilungen über Leben und Sitten der Fellachen

in Palästina“), „The immovable east“ (Baldensberger, Quarterly Statements); Blätter aus Bethlehem

;

L. Bauer, „Volksleben im Land der Bibel“ (und ein zweites mit gleichem Titel von Prof. Löhr).

1 Kotei = 12 Okije = 2.56 kg.

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