Aberglaube und Volksmedizin im Lande der Bibel. Hamburg: L. Friederichsen & CO., 1914.
Superstition and Folk Medicine in Palestine (the Land of the Bible) Superstition and Folk Medicine in Palestine (the Land of the Bible)
VIIIgläubigen nur äußerst selten in allen seinen Äußerungen rückhaltslos auf. Sowar für meine Arbeit eine Vertraulichkeit, wie man sie eben dem Arzt entgegenbringt,fast Vorbedingung, um alle religiösen und sozialen Schranken, die sichder Beobachtung entgegenstellen, möglichst auszuschalten.Ein wirklicher Einblick in Volksmedizin und Aberglauben setzt aber weiterinnigste Vertrautheit mit der Sprache und Sitte, dem Denken und Fühlen desVolkes voraus. In Sitte und Sprache wird auch einem Kenner des Arabischen,wenn es nicht seine Muttersprache ist, vieles belanglos und nichtssagend Vorkommen.Manches wird er beim fremden Volk als einfach gegeben hinnehmen,was das kritisch geschulte und zur Menschenbeobachtung erzogene Auge deseinheimischen Arztes als die Einwirkungen der volkstümlichen Heilkunst und desAberglaubens wahrnehmen wird; denn nicht nur Fabeln, Sagen und Erzählungenkönnen uns etwas enthüllen vom Aberglauben und der Volksmedizin; das Sprichwort,eine Redensart, ein einzelnes Wort sogar verhüllt oft hier im unauffälligsten.alltäglichsten Gewand des Volkes Anschauungen.Wie viel wird im Aberglauben als unnennbar angesehen und dann nur mitWorten angedeutet, die weither geholt sind und bis an die Grenze des Sinnlosenzu gehen scheinen! Weil die Heilmittel des Aberglaubens in ihrer Wirksamkeitgefährdet sind, wenn man darüber spricht, so müssen vielfach Zeichnungenund Bilder, Zeichen und Gebärden das Wort ersetzen. Wir berührendamit das rätselhafte, vielverschlungene Gebiet abergläubischer Symbolik, womitdas ganze orientalische Leben durchsetzt ist.Die eigenartige, volkstümliche Literatur des medizinischen Aberglaubens,wie sie uns in Talismanen, vollends aber in den Büchern, die zum Handwerkszeugder heutigen Sehechs gehören, entgegentritt, erheischt zu ihrem Verständniseine oft mit Schwierigkeiten verbundene Erkundigung. Sie muß sich fast immerder Nebenwege bedienen, da für diese heilkundigen Personen das Geheimnisund dasUnverstandene Existenzbedingung ist.Mein Beruf erleichterte mir die Anlage einer umfangreichen Sammlung vonAmuletten und Talismanen. Die Photographien von Amuletten im Texte stellensämtlich Stücke meiner eigenen Sammlung dar; die Originale der photographischund in Übersetzung wiedergegebenen Talismane sind in meinem Besitz. DieseAmulette und Talismane sind mir zum größten Teile in der eignen Praxis unterallen Schichten der mohammedanischen und christlichen Bevölkerung Jerusalemsund seiner Umgebung begegnet. Sie sind mir nicht nur in ihrer Verwendung,sondern auch nach Herkunft und Herstellung und in der Begründung ihrer Heilkraft,soweit man darüber irgend etwas erfahren konnte, bekannt geworden.In nachstehender Abhandlung möchte ich so viel wie möglich alle Texteund Ausdrücke in deutscher Übersetzung und in arabischer Sprache wiedergeben.Dabei habe ich mich der Transkription der Zeitschrift des Palästinavereinsbedient.Meinen verbindlichsten Dank möchte ich an dieser Stelle dem HerrnW. Breuning, Hilfsgeistlichen und Lehrer am Syrischen Waisenhaus, aussprechen,der mich bei der Durchsicht der Arbeit und insbesondere in Sachendes deutschen Ausdrucks ffeundlichst unterstützt hat.
Zu ganz besonderem Dank bin ich Herrn Prof. Becker, Bonn, verpflichtetfür die freundliche Durchsicht und Empfehlung meiner Arbeit.In einer Zeit, da das arabische Volkstum Palästinas durch die Lasten desKrieges und durch lange Teurung schwer heimgesucht ist und da die Auswanderungjunger arabischer Männer besonders stark wieder eingesetzt hat, trittdas Buch seinen Weg an. Und wenn es auch einerseits keine erfreuliche Seitedes Volkslebens Palästinas schildert, so grüßt es doch die Freunde des HeiligenLandes in aller Welt, die mitarbeiten wollen an seiner kulturellen Hebung undan seiner Erschließung für wahre Wissenschaft und klare Weltanschauung.Jerusalem, im Juli19 1LDr. T. Canaan.
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- Seite 10 und 11: :Cyff U P 0Die „Abhandlungen des
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- Seite 18 und 19: “;Ausspracheund Umschrift der ara
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- Seite 22 und 23: 4etwas recht haben, da sein Wasser
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- Seite 26 und 27: 1!8zugraben. Unterwegs erschien ihm
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gläubigen nur äußerst selten in allen seinen Äußerungen rückhaltslos auf. So
war für meine Arbeit eine Vertraulichkeit, wie man sie eben dem Arzt entgegenbringt,
fast Vorbedingung, um alle religiösen und sozialen Schranken, die sich
der Beobachtung entgegenstellen, möglichst auszuschalten.
Ein wirklicher Einblick in Volksmedizin und Aberglauben setzt aber weiter
innigste Vertrautheit mit der Sprache und Sitte, dem Denken und Fühlen des
Volkes voraus. In Sitte und Sprache wird auch einem Kenner des Arabischen,
wenn es nicht seine Muttersprache ist, vieles belanglos und nichtssagend Vorkommen.
Manches wird er beim fremden Volk als einfach gegeben hinnehmen,
was das kritisch geschulte und zur Menschenbeobachtung erzogene Auge des
einheimischen Arztes als die Einwirkungen der volkstümlichen Heilkunst und des
Aberglaubens wahrnehmen wird; denn nicht nur Fabeln, Sagen und Erzählungen
können uns etwas enthüllen vom Aberglauben und der Volksmedizin; das Sprichwort,
eine Redensart, ein einzelnes Wort sogar verhüllt oft hier im unauffälligsten.
alltäglichsten Gewand des Volkes Anschauungen.
Wie viel wird im Aberglauben als unnennbar angesehen und dann nur mit
Worten angedeutet, die weither geholt sind und bis an die Grenze des Sinnlosen
zu gehen scheinen! Weil die Heilmittel des Aberglaubens in ihrer Wirksamkeit
gefährdet sind, wenn man darüber spricht, so müssen vielfach Zeichnungen
und Bilder, Zeichen und Gebärden das Wort ersetzen. Wir berühren
damit das rätselhafte, vielverschlungene Gebiet abergläubischer Symbolik, womit
das ganze orientalische Leben durchsetzt ist.
Die eigenartige, volkstümliche Literatur des medizinischen Aberglaubens,
wie sie uns in Talismanen, vollends aber in den Büchern, die zum Handwerkszeug
der heutigen Sehechs gehören, entgegentritt, erheischt zu ihrem Verständnis
eine oft mit Schwierigkeiten verbundene Erkundigung. Sie muß sich fast immer
der Nebenwege bedienen, da für diese heilkundigen Personen das Geheimnis
und das
Unverstandene Existenzbedingung ist.
Mein Beruf erleichterte mir die Anlage einer umfangreichen Sammlung von
Amuletten und Talismanen. Die Photographien von Amuletten im Texte stellen
sämtlich Stücke meiner eigenen Sammlung dar; die Originale der photographisch
und in Übersetzung wiedergegebenen Talismane sind in meinem Besitz. Diese
Amulette und Talismane sind mir zum größten Teile in der eignen Praxis unter
allen Schichten der mohammedanischen und christlichen Bevölkerung Jerusalems
und seiner Umgebung begegnet. Sie sind mir nicht nur in ihrer Verwendung,
sondern auch nach Herkunft und Herstellung und in der Begründung ihrer Heilkraft,
soweit man darüber irgend etwas erfahren konnte, bekannt geworden.
In nachstehender Abhandlung möchte ich so viel wie möglich alle Texte
und Ausdrücke in deutscher Übersetzung und in arabischer Sprache wiedergeben.
Dabei habe ich mich der Transkription der Zeitschrift des Palästinavereins
bedient.
Meinen verbindlichsten Dank möchte ich an dieser Stelle dem Herrn
W. Breuning, Hilfsgeistlichen und Lehrer am Syrischen Waisenhaus, aussprechen,
der mich bei der Durchsicht der Arbeit und insbesondere in Sachen
des deutschen Ausdrucks ffeundlichst unterstützt hat.