Aberglaube und Volksmedizin im Lande der Bibel. Hamburg: L. Friederichsen & CO., 1914.
Superstition and Folk Medicine in Palestine (the Land of the Bible)
Superstition and Folk Medicine in Palestine (the Land of the Bible)
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Vorwort.
Es sind nicht nur helle, klare Quellen, aus denen alles Volksmäßige sein
buntes, vielgestaltiges Leben bezieht. Eine dieser Unterströmungen, die wir ja
auch leider dort noch treffen, wo man sich für riesig fortgeschritten und aufgeklärt
hält, ist der Aberglaube. Wir bezeichnen damit in letzter Linie etwas
mit Begriffen Unfaßbares, etwas Irrationales, das sich eben deshalb auch so
leicht wahrer Aufklärungsarbeit entzieht und trotz allem Eintreten für wahre
Wissenschaft und wahren Glauben immer wieder durchsetzt. Diese Erfahrung
werden nicht nur Missionsarbeiter und Ärzte unter nicht christlicher oder gebrochen
christlicher
Bevölkerung machen.
Freilich nirgends wird leicht in dem Maße alles Leben so auf dem dunkeln
Untergrund des Aberglaubens sich bewegen, wie hier im Orient und nicht zum
wenigsten in Palästina. Aus naheliegenden Gründen wird auch nicht leicht der
Aberglaube eines Landes soviel Anreiz auf die Forschung ausüben, als gerade
der palästinensische. Der Aberglaube hat hier Reste alter Geisteskultur, Mythenund
Sagentrümmer, Stücke kirchlicher Lehrausprägung in der bunten Fülle
mannigfacher Verschmelzung von „Völkerideen“ mit gesamtorientalischen, jüdischen,
christlichen und mohammedanischen Gedanken und Gebräuchen nicht nur mumifiziert
erhalten, sondern fortleben und fortwirken lassen. Manches von dem
dunkeln Gut dieses Gemisches haben die Kreuzzüge dem Abendland vermittelt
und einen zweifelhaften Beitrag geleistet zu der abendländischen Volksmedizin,
soweit sie auf Aberglauben sich gründet.
Die palästinensische Volksmedizin, soweit sie auf Aberglauben fußt, soll in
dem vorliegenden Buche zur Darstellung kommen. Die Abhandlung will also
keinen lückenlosen Überblick geben über alle Mittel und Wege, deren sich die
Leute aus dem Volk in Krankheitsfällen bedienen, vielmehr will sie jenem Ineinander
von Aberglauben und volkstümlichen Anschauungen über Entstehung,
Behandlung, Heilung und Verhütung von Krankheiten nachgehen. Die Schrift
möchte deshalb nicht nur die Beachtung der medizinischen Kreise finden, sondern
ebenso der Ethnographie und der Religionsgeschichte dienen.
Für mich als Kind des Landes und als Arzt lagen die Bedingungen, unter
denen ich an meine Aufgabe herantrat, überaus günstig. Sie eröffneten mir die
Zugänge zu der in keiner Hinsicht leicht erschließbaren Materie. Der Aberglaube
ist ja an und für sich schon eine Sache, die das Halbdunkel liebt. Auf
niederer Bildungsstufe behandelt man Krankheiten als persönliche Geheimnisse.
Das häusliche Leben der mohammedanischen Familie tut sich dem Anders-