Aberglaube und Volksmedizin im Lande der Bibel. Hamburg: L. Friederichsen & CO., 1914.

Superstition and Folk Medicine in Palestine (the Land of the Bible) Superstition and Folk Medicine in Palestine (the Land of the Bible)

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106liehe. Denn „in Beschwörungstexten und bei Amuletten der babylonischen Medizinund aus späterer Zeit wird . . . sehr häufig verlangt, daß der Name desSchützlings und der seiner Mutter genannt werden. Auch im Talmud und in aramäischenZaubertexten findet sich ähnliches. Das System wird deutlicher, wennwir noch die ägyptische Sitte heranziehen, häufig nur die Mütter und gar nichtden Vater nennen. Verständlich wird es aber erst, wenn wir uns erinnern, daßin der Entwickelung der menschlichen Familie . . . der Vaterschaft die Mutterschaft(d. h. das Matriarchat) mit der Mutter als Familienoberhaupt hervorging“. 1Eine Erklärung, die öfters für diese Erscheinung gegeben wurde, ist die,daß man nicht in jedem Falle den Vater mit Sicherheit bestimmen kann, währenddie Mutter mit absoluter Bestimmtheit feststeht. 2 Auch ist es leicht möglich,daß gerade im entscheidenden Moment der Befruchtung ein Dschinn an Stelledes Mannes der Erzeuger ist und so den Mann um die Vaterschaft bringt.ad 2. In den Talismanen, in welchen nur allcinstehendeWörter aneinandergereihtsind, findet man am häufigsten den Namen Gottes oder eine seinerEigenschaften erwähnt. (Fig. 40, 45.)Vf r rr<(<«(Vfffr((fr rrFig. 39. Wer 24 mal den Buchstaben „m“ schreibt unddiesen Talisman bei Leibschmerzen trägt, der genest.(Schamsu ’l-ma drif el-kubrä III, 44.)Der Name „ allali “ ist das heiligste Wort, welches in sich alle heil- undgesundheitbringende Kraft birgt. Das Wunderbare an dem Gottesnamen zeigtsich schon äußerlich:Das Wort besteht aus 4 Buchstaben a-l-l-h (<0J|) und weist damit hinauf die 4 Elemente, die 4 Temperamente, die 4 Richtungen, die 4 Jahreszeiten,und die 4 Preisengel (Gabriel, Michael, Israfel, Asrael).Der erste Buchstabe „alef“ = „I“ = a ist der erste im gewöhnlichen undnumerischen Alphabet und steht in letzterem für die Zahl 1 ;ferner ist dieForm des Buchstabens „|“ derjenigen der Zahl „1“ gleich. AU dieses deutet aufdie Einheit Gottes. Fällt das „a“ weg, so verliert sich der Sinn des Wortesnicht, da „ lilldh “ (4)) = für Gott bleibt; selbst wenn man das erste „Z“ fallenläßt, bleibt „lahu“ (J) für „ihn“. Ja wird auch das zweite „Z“ gestrichen, sodeutet noch der letzte Buchstabe mit Vokal „u“ — „hu“ = „Er“ auf Gott hin. 31Dr. med. Freiherr F. v. Oefele, „Keilschrift Mediz. in Parallelen“, 25, vergl. auch Frazer, „The2Golden Bough“ Part VI „Adonis, Attis, Osiris“ P. 384 ff., 395 ff. — Smith „Lect. on Rel. ofSem.“ 52— 56.Oft hört man von den städtischen Mohammedanern Jerusalems, wenn man sich über die Elterneiner Person erkundigt: „ida btusduk immuh bikiin abüh ,. . .“ „wenn seine Mutter die Wahrheitspricht, so ist sein Vater . ..“.3Schamsu ‘l-ma' drif el-kubrä.

107treibt,Es ist deshalb verständlich, daß der Aberglaube die meisten Schechs dazuden Namen Gottes in jedem Talisman anzubringen und gewöhnlichwird er sehr oft wiederholt, ja manchmal besteht die ganze Schrift oder dergrößte Teil derselben aus diesem Wort. Auch die alten Orientalen hatten dieÜberzeugung, daß der Name Gottes wichtig ist in seiner Ganzheit wie in seineneinzelnen Bestandteilen. Gott bedarf keiner Kriegswerkzeuge; er kämpft mitseinem Namen, wie es bei David heißt: „ich komme zu dir mit dem NamenJ H. W. H. Sebäöth“ (1 Sam. 17, 14 vergl. Ps. 20, 8). Aber Gott hat mehrereNamen, die seinen verschiedenen Eigenschaften entsprechen und jeder dieserNamen ist heilig und kräftig. Ein Talisman, der sehr oft getragen wird, bestehtnur aus den Eigenschaften oder den Namen Gottes (asämi allah el-husna). DerProphet Mohammed soll gesagt haben: Gott habe 19 Namen, und derjenige,der sie kenne und im rechten Sinne gebrauche, gelange zum Paradies. 1 Einigedieser Namen sind: al-latif, der Freundliche, al-haij, der Lebendige, ar-rahmän,der Barmherzige, al-kuddüs der Heilige, ol-fattäh der Geber aller guten Gaben,Fig. 40. Talisman, bestehend aus einem Dreieck, Vierecken und Kreisen.Er ist mit Zahlen. Buchstaben, vereinzelten Worten und. mit Sätzen beschrieben.as-sam'd der Erhörer .. . Jederdieser Namen birgt in sich eine göttliche Kraft,welche sich beim Tragen und Herplappern des betreffenden Namens offenbart.Manchmal werden sie hintereinander geschrieben, öfters aber sind sie in magischeVier- oder Dreiecke gezeichnet oder sie werden in ihren numerischen Wertenwiedergegeben.Die Wirkungen des wirkungsreichsten Namens „alläh“ sindsehr mannigfach.Ich gebe nur diejenigen wieder, die von medizinischem Interesse sind:Wird der Name unter freiem Himmel bei Sonnenschein auf einen reinenGegenstand geschrieben, so hat man ein Mittel, um alle Teufel zu bannen (imOriginal zu „verbrennen“).Wird dieser Talisman (s. vorhergehend) an einem kalten Tage umgehängt,so wird die Kälte dem Träger nie schaden.gestillt.Schreibt man diesen Namen auf den Körper eines Fiebernden,so genest er.Legt man den Talisman 2 Fig. 45 auf eine Blutende, so wird das Blut1nach schamsu y l-ma' ärif el-kubrä und ed-Derabi.2al-mauähibu ’r-rahmänija S.32.

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liehe. Denn „in Beschwörungstexten und bei Amuletten der babylonischen Medizin

und aus späterer Zeit wird . . . sehr häufig verlangt, daß der Name des

Schützlings und der seiner Mutter genannt werden. Auch im Talmud und in aramäischen

Zaubertexten findet sich ähnliches. Das System wird deutlicher, wenn

wir noch die ägyptische Sitte heranziehen, häufig nur die Mütter und gar nicht

den Vater nennen. Verständlich wird es aber erst, wenn wir uns erinnern, daß

in der Entwickelung der menschlichen Familie . . . der Vaterschaft die Mutterschaft

(d. h. das Matriarchat) mit der Mutter als Familienoberhaupt hervorging“. 1

Eine Erklärung, die öfters für diese Erscheinung gegeben wurde, ist die,

daß man nicht in jedem Falle den Vater mit Sicherheit bestimmen kann, während

die Mutter mit absoluter Bestimmtheit feststeht. 2 Auch ist es leicht möglich,

daß gerade im entscheidenden Moment der Befruchtung ein Dschinn an Stelle

des Mannes der Erzeuger ist und so den Mann um die Vaterschaft bringt.

ad 2. In den Talismanen, in welchen nur allcinstehendeWörter aneinandergereiht

sind, findet man am häufigsten den Namen Gottes oder eine seiner

Eigenschaften erwähnt. (Fig. 40, 45.)

Vf r rr

<(<«(

Vfffr

((fr rr

Fig. 39. Wer 24 mal den Buchstaben „m“ schreibt und

diesen Talisman bei Leibschmerzen trägt, der genest.

(Schamsu ’l-ma drif el-kubrä III, 44.)

Der Name „ allali “ ist das heiligste Wort, welches in sich alle heil- und

gesundheitbringende Kraft birgt. Das Wunderbare an dem Gottesnamen zeigt

sich schon äußerlich:

Das Wort besteht aus 4 Buchstaben a-l-l-h (<0J|) und weist damit hin

auf die 4 Elemente, die 4 Temperamente, die 4 Richtungen, die 4 Jahreszeiten,

und die 4 Preisengel (Gabriel, Michael, Israfel, Asrael).

Der erste Buchstabe „alef“ = „I“ = a ist der erste im gewöhnlichen und

numerischen Alphabet und steht in letzterem für die Zahl 1 ;

ferner ist die

Form des Buchstabens „|“ derjenigen der Zahl „1“ gleich. AU dieses deutet auf

die Einheit Gottes. Fällt das „a“ weg, so verliert sich der Sinn des Wortes

nicht, da „ lilldh “ (4)) = für Gott bleibt; selbst wenn man das erste „Z“ fallen

läßt, bleibt „lahu“ (J) für „ihn“. Ja wird auch das zweite „Z“ gestrichen, so

deutet noch der letzte Buchstabe mit Vokal „u“ — „hu“ = „Er“ auf Gott hin. 3

1

Dr. med. Freiherr F. v. Oefele, „Keilschrift Mediz. in Parallelen“, 25, vergl. auch Frazer, „The

2

Golden Bough“ Part VI „Adonis, Attis, Osiris“ P. 384 ff., 395 ff. — Smith „Lect. on Rel. of

Sem.“ 52— 56.

Oft hört man von den städtischen Mohammedanern Jerusalems, wenn man sich über die Eltern

einer Person erkundigt: „ida btusduk immuh bikiin abüh ,

. . .“ „wenn seine Mutter die Wahrheit

spricht, so ist sein Vater . .

.“.

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Schamsu ‘l-ma' drif el-kubrä.

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