Aberglaube und Volksmedizin im Lande der Bibel. Hamburg: L. Friederichsen & CO., 1914.
Superstition and Folk Medicine in Palestine (the Land of the Bible) Superstition and Folk Medicine in Palestine (the Land of the Bible)
:962. Einfluß der Gestirne.Der Naturmensch hat in jeder Erscheinung der Natur ein unerklärbaresRätsel gesehen. Da er den Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung nichtwahrzunehmen vermochte, flößten ihm diese unsichtbaren, übernatürlichen Kräfteebenso sehr Furcht ein, wie sie ihm das Bestreben nahe legten, sich ihre Gewogenheitzu sichern. Sie waren ihm ätherische Wesen, wie Gottheiten, Geistervon Verstorbenen und Dämonen, die in den Gestirnen, in der Luft und aufErden hausten, und die die Krankheiten, sowohl wie alles Unheil bewirkten.„Die babylonischen Götter der ältesten euphratensischen Welt, soweit wirsie kennen, sind Astralgötter. Auf dieser Auffassung von den Göttern undauf ihrer Offenbarung in den Gestirnen beruht alle altorientalische Lehre undWissenschaft, die im Kerne jahrtausendelang von verschiedenen Völkern adoptiertwurde.“„Insbesondere werden früher die Planeten als Dolmetscher desgöttlichen Willens gegolten haben . . . Der Tierkreis ist das Buch derOffenbarung, die Sternbilder sind das Kommentar. Aus ihrer Bewegung und ausder Konstellation der Planeten kann der Wille und die Tätigkeit der Göttererkannt werden.“ 1Der jetzige Palästinenser glaubt nicht an die verschiedenen Himmelskörperals an Götter, teilt aber den chaldäischen Glauben an die Leitung des Menschenlebensdurch die Gestirne, den Offenbarem des göttlichen Willens. Der Koranlehrt: „Durch die Sterne werden sie geleitet“ (Sure 16, 16) vergl. auch Psalm 19.Für jeden Menschen ist ein Gestirnbild bestimmt, das sein ganzes Leben regiert.Die Sitte ist zwar am Erlöschen, aber doch immer noch vorhanden, daß dieSterne bei der Geburt eines Kindes beobachtet werden, denn sie sind „vomgrößten Einfluß im bösen und im guten Sinne“. Aus ihrer Beschaffenheit, Aussehen,Konstellation und aus den Jahreszeiten erkennen die erfahrenen „munaddschmin“ = Astrologen,„sahara“ = Zauberer und einige „'w/amä“ = Gelehrte,was den Menschen widerfahren wird. Dies erklärt uns mehrere Gebräuche undRedensarten, die unter Christen und Mohammedanern verbreitet sind.Hat jemand das Glück, verschiedene Krankheiten und Heimsuchungen zuüberstehen, so heißt es: nidschmu (tat u) imnih (kaui) = sein Stern (aufgehenderStern) ist gut (stark). Das Gegenteil wird so ausgedrückt: nidschmüh manliüsc( ätil') — sein Stern ist unglückbringend (schlecht). Der Ausdruck „ nidschmülichafif' = 1 sein Stern ist empfindlich, gebraucht man, wenn ein Kind leicht erschrickt.Eine unerläßliche Bedingung bei vielen magischen Prozeduren und beider Bereitung mehrerer Arzneien ist die, daß die Nacht der Vornahme sternklar— naddschim = besterne — unter die Sterne stellen. Die täsit er-radschfeist. Die Medikamente werden ins Freie „unter die Sterne“ gestellt: tandschim(Schreckbecken) Tafel I. Fig. 1 enthält die 12 Bilder des Tierkreises (s. o.)Tafel I, Fig. 3 hat 12 Kreise mit magischen und aus dem Koran entnommenenSprüchen. Die Kreise stellen die 12 Bilder des Tierkreises dar.Wie der Neumond bei allen Völkern des Morgenlandes gefeiert wurde,so wird noch heute beim ersten Erblicken desselben der Wunsch ausgesprochen1A. Jeremias, „Das alte Testament im Lichte des alten Orients“, S. 6.
.97„Gott möge dich zunehmen und dich einen gesegneten Monat für uns werdenlassen“ 1 . In gewissen Phasen des Mondes oder an bestimmten Tagen einerPhase ist das Gelingen mancher ärztlichen Prozeduren, z. B. der Aderlaß, besondersaussichtsreich. Man soll sich deshalb hüten, derartiges zu anderer Zeitvorzunehmen. Einige landwirtschaftliche Unternehmungen hängen ebenfalls vonden Mondphasen ab. Pflanzt man einen Setzling irgendeines Sti-auches oder einerBlume, so wählt man die Zeit um den Vollmond herum vom 12.— 16. desMondmonats. — Bei zunehmendem Mond soll ein Mädchen die Spitzen ihrerHaare abschneiden, um das Wachsen derselben zu fördern.Unter den verschiedenen Himmelskörpern sind die Planeten und dieSternbilder des Tierkreises die allerwichtigsten. Beide und besonders die ersterengenießen seit ältester Zeit bei vielen Völkern große Vereinung.Die 7 Planeten, die sich in den 7 Himmeln bewegen, regieren bei denjetzigen Orientalen die 7 Tage der Woche und jedem ist eine Farbe und einMetall geweiht. In den Laienbüchern der Astrologie, der Magie der Gestirneund der Zukunftsdeutung durch die Gestirne wird sogar soweit gegangen, daßdieselben in männliche und weibliche, glückliche und unglückliche eingeteiltwerden. Genau „nach den babylonischen, ägyptischen und galenischen Lehren“,besitzen auch nach der gegenwärtigen Theorie „alle Naturkörper, insbesonderedie Planeten einen Überschuß von je einer der beiden Eigenschaftspaare: erstensheiß und kalt und zweitens trocken und feucht und zwar in verschiedenenGraden“. 2Folgende Tabelle diene zur Veranschaulichung des Gesagten:Die Himmel 3 4-te late 5 te 2 te 6 te 3 te 7tePlaneten Sonne Mond Mars Merkur Jupiter Venus SaturnEigenschaft 4 heiß undtrockenkaltundfeuchtheißundtrockenVariabelheißundfeuchtkaltundtrockenkaltundfeuchtGeschlecht 3 männlich weiblich männlichmit Männernmännlichmit Frauenweiblichmännlich weiblich männlichFarbe 3 Gelb Weiß Eot Blau Grün Kosa SchwarzMetall Gold Silber Eisen Quecksilber Zinn Kupfer BleiDie Tage der Woche und des Monats haben auch einengroßen Einflußauf den Menschen, weil sie in direktem Zusammenhang und unter dem Einflußder Planeten stehen. Ob der Tag glücklich oder unglücklich ist, hängt von demihn regierenden Planeten ab. Diese Planeten beherrschen den ganzen Tag, insbesondereaber die erste Stunde desselben. Ob ein Jahr oder Monat Glückoder Unglück bringt, hängt von dem betreffenden Tag ab, mit welchem diese1„hillak u isthillak u idsch’alak ’alena schahr imbdrak“.2Dr. med. Felix Freiherr v. Oefele, Keilschriftmedizin in Parallelen, A. O. IV, 2, 28.3Aus er-Rahaui „el-lu'Vu H-manzüm“.4Aus „Abu Ma schar“7 Canaan, Aberglaube.
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2. Einfluß der Gestirne.
Der Naturmensch hat in jeder Erscheinung der Natur ein unerklärbares
Rätsel gesehen. Da er den Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung nicht
wahrzunehmen vermochte, flößten ihm diese unsichtbaren, übernatürlichen Kräfte
ebenso sehr Furcht ein, wie sie ihm das Bestreben nahe legten, sich ihre Gewogenheit
zu sichern. Sie waren ihm ätherische Wesen, wie Gottheiten, Geister
von Verstorbenen und Dämonen, die in den Gestirnen, in der Luft und auf
Erden hausten, und die die Krankheiten, sowohl wie alles Unheil bewirkten.
„Die babylonischen Götter der ältesten euphratensischen Welt, soweit wir
sie kennen, sind Astralgötter. Auf dieser Auffassung von den Göttern und
auf ihrer Offenbarung in den Gestirnen beruht alle altorientalische Lehre und
Wissenschaft, die im Kerne jahrtausendelang von verschiedenen Völkern adoptiert
wurde.“
„Insbesondere werden früher die Planeten als Dolmetscher des
göttlichen Willens gegolten haben . . . Der Tierkreis ist das Buch der
Offenbarung, die Sternbilder sind das Kommentar. Aus ihrer Bewegung und aus
der Konstellation der Planeten kann der Wille und die Tätigkeit der Götter
erkannt werden.“ 1
Der jetzige Palästinenser glaubt nicht an die verschiedenen Himmelskörper
als an Götter, teilt aber den chaldäischen Glauben an die Leitung des Menschenlebens
durch die Gestirne, den Offenbarem des göttlichen Willens. Der Koran
lehrt: „Durch die Sterne werden sie geleitet“ (Sure 16, 16) vergl. auch Psalm 19.
Für jeden Menschen ist ein Gestirnbild bestimmt, das sein ganzes Leben regiert.
Die Sitte ist zwar am Erlöschen, aber doch immer noch vorhanden, daß die
Sterne bei der Geburt eines Kindes beobachtet werden, denn sie sind „vom
größten Einfluß im bösen und im guten Sinne“. Aus ihrer Beschaffenheit, Aussehen,
Konstellation und aus den Jahreszeiten erkennen die erfahrenen „munaddschmin
“ = Astrologen
,
„sahara“ = Zauberer und einige „'w/amä“ = Gelehrte,
was den Menschen widerfahren wird. Dies erklärt uns mehrere Gebräuche und
Redensarten, die unter Christen und Mohammedanern verbreitet sind.
Hat jemand das Glück, verschiedene Krankheiten und Heimsuchungen zu
überstehen, so heißt es: nidschmu (tat u) imnih (kaui) = sein Stern (aufgehender
Stern) ist gut (stark). Das Gegenteil wird so ausgedrückt: nidschmüh manliüs
c
( ätil') — sein Stern ist unglückbringend (schlecht). Der Ausdruck „ nidschmüli
chafif' = 1 sein Stern ist empfindlich, gebraucht man, wenn ein Kind leicht erschrickt.
Eine unerläßliche Bedingung bei vielen magischen Prozeduren und bei
der Bereitung mehrerer Arzneien ist die, daß die Nacht der Vornahme sternklar
— naddschim = besterne — unter die Sterne stellen. Die täsit er-radschfe
ist. Die Medikamente werden ins Freie „unter die Sterne“ gestellt: tandschim
(Schreckbecken) Tafel I. Fig. 1 enthält die 12 Bilder des Tierkreises (s. o.)
Tafel I, Fig. 3 hat 12 Kreise mit magischen und aus dem Koran entnommenen
Sprüchen. Die Kreise stellen die 12 Bilder des Tierkreises dar.
Wie der Neumond bei allen Völkern des Morgenlandes gefeiert wurde,
so wird noch heute beim ersten Erblicken desselben der Wunsch ausgesprochen
1
A. Jeremias, „Das alte Testament im Lichte des alten Orients“, S. 6.