Aberglaube und Volksmedizin im Lande der Bibel. Hamburg: L. Friederichsen & CO., 1914.

Superstition and Folk Medicine in Palestine (the Land of the Bible) Superstition and Folk Medicine in Palestine (the Land of the Bible)

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“90„böse Auge“ gebrauchen die Fellachen unter anderem ein Eisenstückchen, dasoben spitz, unten breiter und dui-chbohrt ist und einfach „ liadidi “ „Eisen“ genanntwird. Ein seltenes Amulett ist die Nachbildung einer Hand in einer Darstellung,bei der die 4 Außenfinger die Form von Speeren und der Mittelfingerdie Form einer Keule hat.Ebenso finden als Amulette Verwendung, was einzelnen Tieren als Mitteldes Schutzes und der Verteidigung dient. Die Klauen des Löwen, der Kieldes Stachelschweines und derartiges. (Fig. 7.)b) Amulette, die Abwehrvorrichtungen nachgebildet sind:Die „ buläde “ (Stahlstück s. Tafel III, 2, a), ein aus einzelnen Kettengliedernvon Eisendraht geflochtenes, panzerähnliches Amulett wird in Tiberias und Umgegend1als Abwehrmittel gegen das „böse Auge“gebraucht. Wie die Speere und Pfeile an einemPanzer abprallen, so soll die Wirkung des „böaenAuges“ durch die „ buläde zu nichte werden. Dasstachelige Fell eines Igels, das Schutzmittel desTieres, wird als Abwehrmittel gegen Fieber gebraucht(Fig. 30). Die Hand als Abwehrmittel wirdin einem anderen Kapitel besprochen.c) Abstoßend wirkt der Anblick des hinterenZipfels eines Fellachenschuhes, welcher gegen dieFaszination gebraucht wird. Schmutz wirkt alsSchutzmittelgegen den „bösen Blick“, weshalb vieleFellachen ihre Kinder nicht waschen (siehe unterAmulette gegen den „bösen Blick“). Als ich diekranke Tochter eines angesehenen Schechs untersuchte,fiel mir der Schmutz an ihrem Körper auf.Auf meine Frage, warum sie nicht reiner gehaltenwerde, antwortete mir die Mutter: „Ich habe schonein paar Kinder verloren; denn durch ihre Schönheitfesseln sie die Blicke der Feinde. Eine guteFig. 30. Das Fell eines Igels ,andie Wiege gegen die bösen Geisterzu hängen.Freundin riet mir nun, diese Kleine so lange nicht zu waschen, bis sie selbstum ein Bad bitten könne. Der Schmutz hält die Blicke der Feinde fern undmein Kind wird nun sicher verschont bleiben“.Es ist eine ganze Fülle von Überlegungen, von abergläubischen Gedanken,von vielen unserem Denken fremden, fast unvollziehbaren Vorstellungen, die irgendetwas als Amulett empfehlen, es in Mode bringen und es wertvoll, geschätzt unddem hiesigen Volk als unanfechtbar nach seiner Wirkungskraft erscheinen lassenkönnen. Bei sehr vielen Amuletten ist gar kein tieferer Grund für ihre Aufnahmeund Verwendung zu entdecken als der, daß natürlich unexakte Erfahrunggezeigt haben soll, wie hilfreich sie sein können. Pfirsichkern e werden gegendas „böse Auge“ gebraucht. Man stützt dies auf die naive Erzählung:1Eine Kopfbedeckung, die von Jungfrauen in Yemen zum Schutz gegen den bösen Blick getragenwird (Tafel III, 2, a) zeigt viele solche buläde. Das beweist, daß dieses Amulett auchin Arabien, wenigstens in Yemen verbreitet ist. In Südpalästina (bes. Jerusalem und Umgegend)habe ich es selten getroffen.

Ein Kameltreiber wanderte mit mehreren sehwerbeladenen Kamelen von seinem Dorf znrStadt. Unterwegs traf er eine Gesellschaft Männer, unter denen sich einer befand, der mit seinem„bösen Auge“ viel Unheil anricliten konnte. Dieser nun bewunderte die Kamele und stieß folgendenneidischen Seufzer aus: „Ach, wie fett seid ihr!“ Alle Kamele, mit Ausnahme des besten, glittenan einer glatten Felsplatte aus und brachen sich die Beine. Der Besitzer, der gezwungen war, sofortdie Tiere zu schlachten und das Fleisch zu verkaufen, fand zu seinem großen Erstaunen, daßdas unverletzte Kamel zwischen den Zehen einen Pfirsichkern hatte, während man bei den gefallenenkeinen fand. Damit galt der Pfirsichstein als erprobtes Amulett gegen den „bösen Blick“ und zugleichzur Wahrung des Tier- wie des Menschenlebens. (Erzählt von einer Ramallah-Frau.)Die reiche Phantasie des Palästinensers, die für jedeKleinigkeit nach einer Erklärung sucht und sicher eineherausfindet, hat eine Menge von Gegenständen alsbezeichnet, weil dieselben unwesentliche ZeichenAmuletteaufweisen,die ihnen bedeutungsvoll und von Gott zum Heil derMenschen angebracht scheinen.Die dünne, schwarze Haut der Kerne einer Melonensortcwird beim Trocknen rissig. Diese Risse, welche unsymmetrischund ungleichartig sind, aber schön aussehen,sollen Gottes Handschrift sein. Ihre Kraft gegen die bösenGeister ist damit gegeben. Mehrere Muscheln, welcherunde Kreise auf der Außenseite haben, werden als Amulettegetragen, da diese Kreise von Gott gemalte Augen sind.Dieselbe Gestalt verschafft manchen Steinsorten die Ehrevon Amuletten.Wenn man Teile von Tierkörpernoder von Pflanzen,die sich als Amulette empfehlen, nur schwer bekommenkann, so begnügt man sich auch mit einer Nachbildung ausirgendwelchem Material oder mit einer Zeichnung davon.Anstatt der trockenen Kamelsaugen hängt man sicheine Nachahmung derselben aus Glas an. (Taf. III, 1.)Die Abbildung der Schlange, — anstatt eines Stückes derselben— findet man in mehreren Talismanen. (Taf.V, 3 und 4.)Eine aus Silber hergestellte Nachahmung der Schildkrötewirkt wie diese schützend. (Taf. IV, Fig. 2, d.)Fi ff.31. Tilecherne beduinischeHalskette mit 3Kapseln (chiäraj.hergestellt3. Herkunft der Amulette.Der größte Teil der Amulette wird im Lande selbstoder gefunden; nur einen unbedeutenden Bruchteilliefert das Ausland. Folgende Amulette sind palästinensischen Ursprungs:Die meisten Glasarbeiten (Glas-Augen. Hände, verschiedene SortenPerlen, Ringe usw.) werden in größeren Quantitäten in Hebron angefertigt. Vondort aus werden sie nach ganz Palästina und Syrien verschickt.In Damaskus werden die meisten Schreckbecher (pl. tasät er-radschfe)gearbeitet und nach Mekka gesandt; von hier kommen sie durch den frommenPilger als „echte (asli) Becher“ in alle Islamländer. — Viele mäskät (pl. v. mäske )haben ebenfalls ihren Ursprung in Damaskus. Zu einem kleinen Teil werden sieauch in Jerusalem und Nablus hergestellt.

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„böse Auge“ gebrauchen die Fellachen unter anderem ein Eisenstückchen, das

oben spitz, unten breiter und dui-chbohrt ist und einfach „ liadidi “ „Eisen“ genannt

wird. Ein seltenes Amulett ist die Nachbildung einer Hand in einer Darstellung,

bei der die 4 Außenfinger die Form von Speeren und der Mittelfinger

die Form einer Keule hat.

Ebenso finden als Amulette Verwendung, was einzelnen Tieren als Mittel

des Schutzes und der Verteidigung dient. Die Klauen des Löwen, der Kiel

des Stachelschweines und derartiges. (Fig. 7.)

b) Amulette, die Abwehrvorrichtungen nachgebildet sind:

Die „ buläde “ (Stahlstück s. Tafel III, 2, a), ein aus einzelnen Kettengliedern

von Eisendraht geflochtenes, panzerähnliches Amulett wird in Tiberias und Umgegend

1

als Abwehrmittel gegen das „böse Auge“

gebraucht. Wie die Speere und Pfeile an einem

Panzer abprallen, so soll die Wirkung des „böaen

Auges“ durch die „ buläde zu nichte werden. Das

stachelige Fell eines Igels, das Schutzmittel des

Tieres, wird als Abwehrmittel gegen Fieber gebraucht

(Fig. 30). Die Hand als Abwehrmittel wird

in einem anderen Kapitel besprochen.

c) Abstoßend wirkt der Anblick des hinteren

Zipfels eines Fellachenschuhes, welcher gegen die

Faszination gebraucht wird. Schmutz wirkt als

Schutzmittel

gegen den „bösen Blick“, weshalb viele

Fellachen ihre Kinder nicht waschen (siehe unter

Amulette gegen den „bösen Blick“). Als ich die

kranke Tochter eines angesehenen Schechs untersuchte,

fiel mir der Schmutz an ihrem Körper auf.

Auf meine Frage, warum sie nicht reiner gehalten

werde, antwortete mir die Mutter: „Ich habe schon

ein paar Kinder verloren; denn durch ihre Schönheit

fesseln sie die Blicke der Feinde. Eine gute

Fig. 30. Das Fell eines Igels ,

an

die Wiege gegen die bösen Geister

zu hängen.

Freundin riet mir nun, diese Kleine so lange nicht zu waschen, bis sie selbst

um ein Bad bitten könne. Der Schmutz hält die Blicke der Feinde fern und

mein Kind wird nun sicher verschont bleiben“.

Es ist eine ganze Fülle von Überlegungen, von abergläubischen Gedanken,

von vielen unserem Denken fremden, fast unvollziehbaren Vorstellungen, die irgend

etwas als Amulett empfehlen, es in Mode bringen und es wertvoll, geschätzt und

dem hiesigen Volk als unanfechtbar nach seiner Wirkungskraft erscheinen lassen

können. Bei sehr vielen Amuletten ist gar kein tieferer Grund für ihre Aufnahme

und Verwendung zu entdecken als der, daß natürlich unexakte Erfahrung

gezeigt haben soll, wie hilfreich sie sein können. Pfirsichkern e werden gegen

das „böse Auge“ gebraucht. Man stützt dies auf die naive Erzählung:

1

Eine Kopfbedeckung, die von Jungfrauen in Yemen zum Schutz gegen den bösen Blick getragen

wird (Tafel III, 2, a) zeigt viele solche buläde. Das beweist, daß dieses Amulett auch

in Arabien, wenigstens in Yemen verbreitet ist. In Südpalästina (bes. Jerusalem und Umgegend)

habe ich es selten getroffen.

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