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Karg-Heft Nr. 9: Das Drehtürmodell in der schulischen Begabtenförderung

Studienergebnisse und Praxiseinblicke aus Nordrhein-Westfalen

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Porträt zum <strong>Drehtürmodell</strong> an <strong>der</strong> Grundschule Sick<strong>in</strong>gmühle, Marl<br />

67<br />

WIE SIEHT EIN WEG VON DER IDEE<br />

BIS ZUR ERSTEN UMSETZUNG DES<br />

DREHTÜRMODELLS AUS?<br />

Im November 2010 fiel e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d bereits bei <strong>der</strong> Schule<strong>in</strong>gangsdiagnostik<br />

auf, da es alle, beson<strong>der</strong>s die mathematikrelevanten<br />

Anfor<strong>der</strong>ungen zügig und richtig erledigte. Zu<br />

Beg<strong>in</strong>n des ersten Schuljahres im August 2011 hatten daher<br />

die Klassenlehrer<strong>in</strong> und die Fachlehrer<strong>in</strong> für Mathematik<br />

dieses K<strong>in</strong>d beson<strong>der</strong>s im Blick. Es war auffällig, dass dieser<br />

Schüler im Fach Mathematik die erfor<strong>der</strong>lichen Kompetenzen<br />

deutlich schneller erreichte als die meisten K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Klasse. Er begann, sich zu langweilen und bekam zunächst<br />

Zusatzmaterial. Im November 2011 fand e<strong>in</strong> Elterngespräch<br />

statt, <strong>in</strong> dem e<strong>in</strong>e weitergehende För<strong>der</strong>ung dieses<br />

Jungen durch Mat<strong>in</strong>ko-Material vere<strong>in</strong>bart wurde. Er<br />

konnte dadurch se<strong>in</strong> Lernpensum selbst bestimmen und<br />

selbstständig arbeiten, verblieb aber im Klassenverband. Es<br />

folgte e<strong>in</strong>e erneute Beobachtungsphase bis Mitte Dezember.<br />

Im nächsten Gespräch mit <strong>der</strong> Mutter wurde festgestellt,<br />

dass die Mat<strong>in</strong>ko-Materialien auch nicht ausreichten.<br />

Diese Beobachtungen wurden daraufh<strong>in</strong> Ende Dezember<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Lehrerkonferenz vorgestellt und besprochen, beson<strong>der</strong>s<br />

deshalb, da sich <strong>der</strong> Schüler <strong>in</strong> allen weiteren Fachbereichen<br />

altersgerecht ohne auffällige Stärken entwickelte.<br />

Um dem Jungen gerecht werden zu können, wurde beschlossen,<br />

ihn im Fach Mathematik im Januar 2012 versuchsweise<br />

und ab dem zweiten Schulhalbjahr ganz <strong>in</strong>s<br />

<strong>Drehtürmodell</strong> <strong>der</strong> nächsthöheren Klasse zu geben. Er<br />

blieb im <strong>Drehtürmodell</strong> bis zum Ende <strong>der</strong> dritten Klasse<br />

und wurde so se<strong>in</strong>er <strong>in</strong>dividuellen Begabung gemäß geför<strong>der</strong>t.<br />

Es wurde nie angedacht, ihn spr<strong>in</strong>gen zu lassen, da er<br />

sich abgesehen vom Fach Mathematik weiterh<strong>in</strong> altersgemäß<br />

entwickelte. Für das vierte Schuljahr wurden mit den<br />

beteiligten Kolleg<strong>in</strong>nen, dem K<strong>in</strong>d und den Eltern überlegt,<br />

welche Möglichkeit die beste sei, den Schüler im Fach Mathematik<br />

weiterh<strong>in</strong> zu för<strong>der</strong>n. Zur Auswahl standen:<br />

das Anfertigen von Expertenarbeiten und <strong>der</strong>en Präsentation,<br />

e<strong>in</strong>e För<strong>der</strong>ung »<strong>in</strong> die Breite« mit beson<strong>der</strong>en Erschwernissen,<br />

die Teilnahme am Unterricht e<strong>in</strong>er weiterführenden<br />

Schule an e<strong>in</strong>em Tag <strong>in</strong> <strong>der</strong> Woche.<br />

Der letzte Vorschlag wurde von den Eltern und dem K<strong>in</strong>d<br />

bevorzugt, das Kollegium favorisierte die an<strong>der</strong>en Lösungen.<br />

Dennoch wurde das <strong>Drehtürmodell</strong> zur weiterführenden<br />

Schule geplant. Die »Probezeit« am Gymnasium war bis zu<br />

den Herbstferien term<strong>in</strong>iert. Bis dah<strong>in</strong> erfolgte nur e<strong>in</strong>e telefonische<br />

Rückmeldung, dass <strong>der</strong> Junge pünktlich erschien,<br />

e<strong>in</strong> bis zwei Tage fehlte und dass man ihn für »befähigt«<br />

hält. Da uns das nicht reichte, wurde e<strong>in</strong> Term<strong>in</strong> für e<strong>in</strong><br />

ausführliches Gespräch gesucht, um genaue <strong>in</strong>haltliche Informationen<br />

zu bekommen. Es stellte sich heraus, dass <strong>der</strong><br />

Junge <strong>in</strong> Mathematik und auch <strong>in</strong> an<strong>der</strong>en Fächern gute<br />

Fähigkeiten aufwies und e<strong>in</strong> Wechsel auf das Gymnasium<br />

für möglich erachtet wurde. Der Junge erlebte die Zeit am<br />

Gymnasium als Motivation zum Lernen, entschied sich jedoch<br />

gegen den Wechsel, da er für sich auch Grenzen feststellte<br />

und lieber noch mit se<strong>in</strong>en Klassenkameraden aus<br />

<strong>der</strong> Grundschule zusammenbleiben wollte.<br />

Anfängliche Bedenken von Kolleg<strong>in</strong>nen, e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d<br />

könne durch die Teilnahme am Unterricht e<strong>in</strong>er<br />

höheren Klasse <strong>in</strong> <strong>der</strong> Entwicklung bee<strong>in</strong>trächtigt<br />

werden o<strong>der</strong> im Sozialverhalten negativ<br />

auffallen, wurden durch Fortbildungen und<br />

<strong>in</strong>tensive Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzungen mit <strong>der</strong> Entwicklung<br />

<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> zerstreut.<br />

WELCHE SCHWIERIGKEITEN STELLTEN SICH<br />

UND WIE SIND WIR DAMIT IM KOLLEGIUM<br />

UMGEGANGEN?<br />

Es gab und gibt kaum Schwierigkeiten. Anfängliche Bedenken<br />

von Kolleg<strong>in</strong>nen, e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d könne durch die Teilnahme<br />

am Unterricht e<strong>in</strong>er höheren Klasse <strong>in</strong> <strong>der</strong> Entwicklung bee<strong>in</strong>trächtigt<br />

werden o<strong>der</strong> im Sozialverhalten negativ auffallen,<br />

wurden durch Fortbildungen und <strong>in</strong>tensive Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzungen<br />

mit <strong>der</strong> Entwicklung <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> zerstreut.<br />

Auch organisatorisch stellten sich kaum Schwierigkeiten,<br />

solange das <strong>Drehtürmodell</strong> im eigenen Haus durchgeführt<br />

wird. Der Wechsel zwischen den Klassen erweist sich für<br />

die Teilnehmenden als unproblematisch. Dem K<strong>in</strong>d, das<br />

am <strong>Drehtürmodell</strong> teilnimmt, wird e<strong>in</strong> Stundenplan auf<br />

den Tisch geklebt, sodass es selbstständig erkennt, wann es<br />

die Klasse wechseln muss. <strong>Das</strong> läuft reibungslos. Die Teilnahme<br />

am <strong>Drehtürmodell</strong> verän<strong>der</strong>t we<strong>der</strong> das Klassengefüge<br />

<strong>der</strong> abgebenden noch <strong>der</strong> aufnehmenden Klasse. Die<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>der</strong> abgebenden Klasse haben ja bereits über e<strong>in</strong>en<br />

längeren Zeitraum miterlebt, dass für das betreffende K<strong>in</strong>d<br />

(wie auch für an<strong>der</strong>e K<strong>in</strong><strong>der</strong>) differenzierte Angebote und<br />

Aufgaben gegeben wurden. Bei e<strong>in</strong>em Unterricht mit vielen<br />

»offenen Lernformen« (Lernen an Stationen, Werkstattunterricht)<br />

fällt es auch nicht so auf, wenn e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d an<strong>der</strong>e<br />

Aufgaben bekommt. Die aufnehmende Klasse wird beim<br />

ersten Besuch darüber <strong>in</strong>formiert, dass das betreffende<br />

K<strong>in</strong>d jetzt täglich <strong>in</strong> Mathematik o<strong>der</strong> Deutsch zu ihnen <strong>in</strong><br />

die Klasse kommt, weil es bereits den Unterrichtsstoff <strong>der</strong><br />

eigenen Klasse beherrscht und gern noch mehr lernen<br />

möchte. <strong>Das</strong> br<strong>in</strong>gt beim ersten Mal oft ehrfürchtiges Staunen<br />

und Hochachtung hervor. Der nächste Besuch ist dann<br />

»Alltag«. Fehlt das K<strong>in</strong>d, fragen die neuen Klassenkamera-

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