Karg-Heft Nr. 9: Das Drehtürmodell in der schulischen Begabtenförderung
Studienergebnisse und Praxiseinblicke aus Nordrhein-Westfalen
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Julius und se<strong>in</strong>e Mitschüler machen nun schon früh die<br />
Erfahrung, dass es nichts Beson<strong>der</strong>es ist, wenn E<strong>in</strong>zelne<br />
den Unterricht verlassen, um <strong>in</strong> dieser Zeit »etwas an<strong>der</strong>es<br />
zu machen«.<br />
E<strong>in</strong>e weitere Herausfor<strong>der</strong>ung liegt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Beratung<br />
<strong>der</strong> Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler: abzuwägen,<br />
ob e<strong>in</strong> solches Projekt e<strong>in</strong>e Bereicherung o<strong>der</strong><br />
eher e<strong>in</strong>e Überfor<strong>der</strong>ung darstellt.<br />
BESUCH EINER LERNGRUPPE EINER<br />
HÖHEREN JAHRGANGSSTUFE<br />
Bei diesem Projekt verlassen Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler, die<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Fach beson<strong>der</strong>s begabt s<strong>in</strong>d, den regulären Unterricht,<br />
um <strong>in</strong> diesem Fach am Unterricht e<strong>in</strong>er höheren<br />
Jahrgangsstufe teilzunehmen. Die beson<strong>der</strong>e Herausfor<strong>der</strong>ung<br />
dieser Umsetzungsmöglichkeit des <strong>Drehtürmodell</strong>s ist<br />
<strong>der</strong> Stundenplan. Äußerst selten liegt <strong>der</strong> Unterricht tatsächlich<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> höheren Jahrgangsstufe parallel. Hier spielt die<br />
Fünfzügigkeit <strong>der</strong> Schule e<strong>in</strong>e große Rolle, denn dadurch ist<br />
die Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit höher, dass e<strong>in</strong>e Stunde parallel liegt.<br />
Gerade bei <strong>der</strong> Teilnahme am Unterricht <strong>der</strong> höheren Jahrgangsstufe<br />
ist e<strong>in</strong>e Fortsetzung des Projektes nach e<strong>in</strong>em<br />
Jahr beson<strong>der</strong>s wichtig, weil es sonst zu Doppelungen <strong>der</strong><br />
Inhalte kommen würde. In <strong>der</strong> Sekundarstufe II kann <strong>der</strong><br />
Besuch <strong>der</strong> Junior-Universität e<strong>in</strong>e s<strong>in</strong>nvolle Fortsetzung<br />
dieser För<strong>der</strong>maßnahme darstellen. Häufig dient diese Form<br />
des <strong>Drehtürmodell</strong>s auch zur Vorbereitung des Überspr<strong>in</strong>gens<br />
e<strong>in</strong>er Jahrgangsstufe.<br />
Bei <strong>der</strong> Umsetzung dieses Modells sollte im Vorfeld geklärt<br />
werden, ob <strong>in</strong> <strong>der</strong> höheren Jahrgangsstufe Qualifikationen,<br />
wie beispielsweise das Lat<strong>in</strong>um, erworben werden dürfen<br />
o<strong>der</strong> ob die Leistung benotet werden darf. <strong>Das</strong> ist nicht<br />
überall <strong>der</strong> Fall. Die jeweilige zuständige Bezirksregierung<br />
kann darüber Auskunft geben.<br />
BESUCH VON SEMINAREN UND<br />
VORLESUNGEN AN DER UNIVERSITÄT<br />
Mit dem Projekt Junior-Universität nimmt das Annette-<br />
Gymnasium e<strong>in</strong> Angebot <strong>der</strong> Westfälischen Wilhelms-Universität<br />
und des Landeskompetenzzentrums für Individuelle<br />
För<strong>der</strong>ung (LIF) wahr. Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler <strong>der</strong><br />
Jahrgänge elf und zwölf (<strong>in</strong> NRW Q1 und Q2) haben die<br />
Möglichkeit, sich bei <strong>der</strong> Universität für Sem<strong>in</strong>are und<br />
Vorlesungen des Grundstudiums e<strong>in</strong>zuschreiben und dort<br />
Qualifikationen zu erwerben. Die Schule unterstützt sie<br />
dabei beratend und überprüft, ob die Bed<strong>in</strong>gungen für die<br />
Teilnahme erfüllt s<strong>in</strong>d. E<strong>in</strong>e Teilnahme ist nur s<strong>in</strong>nvoll,<br />
wenn nicht zu viele Stunden e<strong>in</strong>es Faches ausfallen und<br />
die Schüler<strong>in</strong> bzw. <strong>der</strong> Schüler die Voraussetzungen mitbr<strong>in</strong>gt,<br />
die Qualifikationsphase für das Abitur, trotz des<br />
Unterrichtsausfalls, erfolgreich absolvieren zu können.<br />
BESONDERE HERAUSFORDERUNGEN<br />
DES DREHTÜRPROJEKTES –<br />
WAS SOLLTEN SCHULEN BEACHTEN, DIE<br />
EIN DREHTÜRPROJEKT EINRICHTEN<br />
MÖCHTEN?<br />
E<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>e Herausfor<strong>der</strong>ung bei <strong>der</strong> Umsetzung des<br />
<strong>Drehtürmodell</strong>s ist die Gestaltung des Stundenplans. Die<br />
<strong>Drehtürmodell</strong>e sollten dessen Gestaltung nicht zu sehr<br />
e<strong>in</strong>schränken. Es ist sicher nicht <strong>in</strong> je<strong>der</strong> Jahrgangsstufe<br />
möglich, z. B. e<strong>in</strong>e Mathematikstunde für alle Klassen parallel<br />
zu legen, um e<strong>in</strong> Zusatzprojekt e<strong>in</strong>zurichten; vielleicht<br />
aber <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Jahrgangsstufe. Außerdem ist <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />
beim Doppelstundenmodell zu beachten, dass durch das<br />
Drehtürprojekt nicht e<strong>in</strong> Fach <strong>in</strong> beson<strong>der</strong>em Maße betroffen<br />
ist. E<strong>in</strong> doppelstündiges För<strong>der</strong>projekt sollte also nicht<br />
parallel zu e<strong>in</strong>er Doppelstunde regulären Unterrichts liegen.<br />
E<strong>in</strong>e weitere Herausfor<strong>der</strong>ung liegt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Beratung <strong>der</strong><br />
Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler: abzuwägen, ob e<strong>in</strong> solches Projekt<br />
e<strong>in</strong>e Bereicherung o<strong>der</strong> eher e<strong>in</strong>e Überfor<strong>der</strong>ung darstellt.<br />
Auch die Auswahl <strong>der</strong> Teilnehmenden für bestimmte<br />
Projekte br<strong>in</strong>gt Anfor<strong>der</strong>ungen mit sich – gerade dann,<br />
wenn sich mehr Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler <strong>in</strong>teressieren als<br />
Plätze vorhanden s<strong>in</strong>d. <strong>Das</strong> Aufzeigen von alternativen För<strong>der</strong>möglichkeiten<br />
und an<strong>der</strong>en Wegen ist <strong>in</strong> diesem Fall<br />
sehr wichtig.<br />
Die Erfahrung hat gezeigt, dass e<strong>in</strong> offener und transparenter<br />
Umgang mit den Projekten und <strong>der</strong> Auswahl <strong>der</strong> Schüler<strong>in</strong>nen<br />
und Schüler wichtig ist. Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler<br />
sollten »schnuppern« und ausprobieren dürfen und sich<br />
dann entscheiden. E<strong>in</strong> »Aufhören« sollte nicht als Scheitern,<br />
son<strong>der</strong>n als eigenständige und bewusste Entscheidung<br />
im S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong> <strong>in</strong>dividuellen Gestaltung des Bildungsweges<br />
gesehen werden. Manchmal ist es auch wichtig, gute<br />
Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler zu ermutigen, die von sich aus<br />
nicht auf die Idee kämen, am Drehtürprojekt teilzunehmen.<br />
Auch mutige Entscheidungen s<strong>in</strong>d erfor<strong>der</strong>lich: Manche<br />
Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler wachsen erst an ihrer Herausfor<strong>der</strong>ung.<br />
Wenn also e<strong>in</strong> Schüler h<strong>in</strong>sichtlich se<strong>in</strong>er<br />
Noten zunächst nicht für e<strong>in</strong> solches Modell geeignet ersche<strong>in</strong>t,<br />
verdient er dennoch e<strong>in</strong>e Chance und Ermutigung.<br />
Nicht selten löste e<strong>in</strong> solches Projekt hohe Motivation,<br />
Stolz und Leistungsbereitschaft aus und hatte e<strong>in</strong>en positiven<br />
Effekt für den gesamten <strong>schulischen</strong> Werdegang. E<strong>in</strong>e<br />
wertschätzende und ressourcenorientierte Haltung gegen-